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Nur mehr ein zahmer Taktiker

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Von den rund 90 militärischen Interventionen der USA in Lateinamerika im 19. und 20. Jahrhundert zielten zwei Drittel auf die geographische Region des „Caribbean Basin“, der Groß-Karibik, die in der geopolitischen Definition von Washington die Anrainer ebenso erfaßt wie die Inselkaribik (die in der europäischen Definition die eigentliche Karibik ausmacht). Strategisch verstanden die USA diese kontinental-maritime Zone als „weichen Unterleib“ des eigenen Territoriums, der gegen den jeweiligen — europäischen - Feind zu schützen war.

Da die lateinamerikanisch-karibischen Staaten vor und nach dem Ersten Weltkrieg von einer Schuldenkrise in die andere taumelten und Bürgerkriegen ausgesetzt waren, kam es damals zum Höhepunkt der Big-Stick-Politik. Washington intervenierte, in manchen Ländern gleich mehrere Male, in Mexiko, Nikaragua, Haiti, der Dominikanischen Republik, Panama und Kuba. (En passant ließen sich damals die USA vom gerade erst unabhängigen Kuba die Marinebasis Guantanamo für eine jährliche Pachtzahlung von rund 4.000 Dollar abtreten: hier sitzen heute die festgenommenen haitianischen - und auch die kubanischen — boat people fest.)

Interessant aus historischer Perspektive ist, daß die USA bei diesen Interventionen als Modernisierungsmacht auftraten, denn die Besatzungstruppen organisierten den Zoll neu, bauten Häfen und Straßen aus und machten aus den lokalen Söldnerhaufen professionelle Armeen.

Die geopolitische Angst der USA mündete nach dem Zweiten Weltkrieg in die Phase des Kalten Krieges, wobei die Sowjetunion in die Rolle des Böswichts einrückte. Deswegen ließ Washington gegen linksnationalistische Bewegungen (Gua temala 1954, Dominikanische Republik 1965, Grenada 1983, Nikaragua während der achtziger Jahre) konsequent vorgehen. Es galt ein „zweites Kuba“ zu verhindern. Letztlich ist aus der Sicht der USA diese Containment-Politik voll gelungen.

Heute gibt es für die USA in der Karibik keinen strategischen Feind mehr, denn die Anti-Drogenpolitik kann diese Funktion nicht übernehmen. Heute ist Mexiko als Nafta- Partner wichtig, nicht aber die mittelamerikanischen Staaten oder die in der Karibik. Deswegen gibt es in Washington auch keine Bereitschaft mehr zur unilateralen Intervention. Wer Demokratie-Regeln verletzt - siehe Haiti -, soll im Rahmen einer multilateralen Intervention zur Raison gebracht werden. Das gilt sogar für Kuba. Aus dem historischen Big- Stick-Tiger ist ein zahmer Taktiker geworden - sehr zum Leidwesen der lokalen Bevölkerungen, die sich von den USA im Stich gelassen fühlen.

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