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Peitsche aus Zuckerbrot?

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Fidel Castro zeigt in politischen Fragen einen gefährlichen Dilettantismus. Nun griff er in die Wirtschaftspolitik über — und blieb sich dabei treu. Er hätte sich von vornherein sagen müssen, daß Amerika auf die Enteigung der Raffinerien von zwei großen amerikanischen (und einer einer Kürzung der Einfuhrquote für kubanischen Zucker antworten wird. Vermutlich nahm er an, Washington werde sich in der heutigen, heiklen Lage nicht getrauen, einem Entwicklungsland gegenüber die „Krallen der kapitalistischen Pranke“ zu zeigen. Es sollte anders kommen Nun muß man sich in Havanna fragen, wem man die 700.000 Tonnen Zucker verkaufen könnte, die Amerika nicht abnehmen wird, und wer in der Gruppe der kommunistischen oder anti-kolonialistischen Staaten bereit sein wird, Zuk-ker zu fünf Cents für das Pfund zu bezahlen, wo doch der freie Weltmarktpreis rund drei Cents beträgt. Gewiß pflegt Sowjetrußland in solchen Fällen aus seinem reichen Inventar an Propagandaformeln eine auf Maß zugeschnittene Lösung hervorzuholen und kündet laut an, es werde in die Lücke einspringen. Aber diese wirtschaftliche Wohltätigkeit der Russen hat sich wiederholt als weltpolitisches Taschenspielerkunststück erwiesen. Denn bei der Gegenlieferung von Waren berechnet Moskau willkürlich überhöhte Preise, so daß das Austauschverhältnis „Ware gegen Ware“ meist schlechter ausfällt als beim Verkauf an ein kapitalistisches Land gegen freie Dollars, Pfunde usw., mit denen das Exportland seinen Importbedarf an Investitionsgütern au* der billigsten Quelle dek-ken kann. Zweitens aber hat der Ostblock im ganzen keinen großen Zuschußbedarf an Zucker, und daran würde sich nicht viel ändern, auch wenn man dort jetzt den Detailpreis ermäßigen sollte, um den Zuckerverbrauch schlagartig zu erhöhen. Die arabischen Länder, die Amerika gerne einen handelspolitischen Streich spielen würden (Ägypten, Irak) müssen hingegen genau kalkulieren, denn ihr Staatshaushalt würde keine verdeckten politischen Subventionen an Kuba in der Form überhöhter Kaufpreise für Zucker ertragen. Also wird man in Havanna Schwierigkeiten haben, den ursprünglich für Amerika bestimmten Zucker anderswo abzusetzen. Daher traut sich auch Fidel Castro nicht, einen zweiten Schlag gegen Amerika zu führen und nun auch sonstige amerikanische Unternehmen zu „nationalisieren“ (was bei seinen Entschääi-gungsvorschriften einer glatten Spoliierung des ausländischen Kapitals gleichkommt). Denn nun weiß er, daß Washington zurückschlägt, und man könnte ihm weitere 1,3 Millionen Tonnen Zuckerexportmäglichkeiten zu bevorzugten Preisen entziehen.

Wohl für den „inneren Gebrauch“ hat er also angekündigt, daß Kuba hinfort den Zucker nicht unter 3,25 Cents für das Pfund zur Ausfuhr zulassen wird. Damit will er offenbar seinem Volk glaubhaft machen, daß er einen finanziellen Ersatz für die entfallende verdeckte Subvention schaffen wird. Denn ein Viertelcent mehr für diOef^Äjf ^l^scl^AüsfuHifauf dem freien Markt würde ungefähr den gleichen Mehrerlös ergeben, den sein Land durch die Kürzung der amerikanischen Einfuhrquote verloren hat. Über diese „Gegenmaßnahme“, die nun andere kapitalistische Länder belasten sollte, kann man nur lachen! Fidel Castro handelt, als wäre Zucker eine Mangelware und als könnte er aus einer Position der Stärke „seinen“ Exportpreis selber bestimmen. In Wirklichkeit ist aber Zucker eine Überschußware, und der Weltzuckermarkt ist ein Käufer- und kein Verkäufermarkt. Das ist seit mehr als einem halben Jahrhundert so, und deshalb wurde bereits im Jahre 1902 das erste internationale Kartell, die Brüsseler Zuckerkonvention, abgeschlossen.

Wenn also Kuba seinen Zucker über den freien Weltmarktpreis anbietet, so wird das nach dem Kriege wieder ins Leben gerufene internationale Zuckerkomitee die Exportquoten der übrigen Überschußländer erhöhen, um den Zuk-kerpreis, seinen Satzungen gemäß, in normalen Grenzen zu halten und den allseits befürchteten plötzlichen Schwankungen entgegenzuwirken. Der freie Zuckerpreis braucht also nicht zu steigen, auch wenn sich Kuba durch seine unvernünftige Ausfuhrregelung vorübergehend aus der Reihe der Ausfuhrländer ausschließen sollte! Hingegen werden die anderen Überschußländer, Mexiko, Peru usw., ihre Exportsorgen loswerden. Am meisten aber dürfte es die Regierungen der freien Welt erfreuen, wenn die kubanische Exportpolitik dem zweitgrößten potentiellen Zuckerexporteur, nämlich Indonesien, eine unerwartete Hilfe bringen würde. Dieses Land ist politisch arg gefährdet, und bis jetzt fand man in Washington keine Formel, um ihm wirtschaftliche Hilfe zu bringen, ohne in den Verdacht einer Einmischung in seine inneren Angelegenheiten zu geraten. Wenn nun die Regierung von Djakarta jetzt im Lande darauf hinweisen könnte, daß sich für den riesigen potentiellen Zuckerüberschuß von Java Absatzmöglichkeiten eröffnen, so dürfte es ihr leichter fallen, die Ruhe wiederherzustellen, und man würde in Indonesien allmählich begreifen, an wen sich das Land wirtschaftlich anlehnen kann.

An all dies hat Fidel Castro nicht gedacht und er wird erst in den kommenden Monaten lernen, daß man auch in der Politik aus Zucker eine Peitsche machen kann.

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