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Liberalisierung durch Bauernmärkte auf Kuba

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Der Starrsinn von Fidel Castro ist schuld, daß Kuba wirtschaftlich mit dem Rücken zur Wand steht.

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Der Starrsinn von Fidel Castro ist schuld, daß Kuba wirtschaftlich mit dem Rücken zur Wand steht.

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Die Zuckerinsel befand sich in den frühen achtziger Jahren, jenseits aller ideologischen Verrücktheiten des Anfangs, mit den freien Bauernmärkten und dem „calculo economico”, der .Staatsfirmen Gewinnspannen vorschrieb, in einer lebensfähigen Lage.

Doch Castro - empört über die Gewinnmargen der Knoblauch- und Gemüsehändler auf den Bauernmärkten („Die verdienen ja mehr als ein Chirurg!”) - ließ 1986 alle diese Experimente abbrechen und „rectificacion”, ideologische Korrektur, üben. Kubas Konsumsituation fiel damit um Jahre zurück. Dazu kam 1989 der Zusammenbruch der Sowjetunion und damit der Verlust der Rahmenfinanzierung der sozialistischen Zuckerinsel.

Für Kuba begann der „periodo es-pecial”, der Ausnahmezustand, welcher der Bevölkerung alles abverlangt. In der Landwirtschaft fehlten bald Treibstoff, Traktoren, Bewässerung und Pestizide. Die ideologische Antwort hieß 1990 „Programa Ali-mentario”, das die Städter verpflichtete, zumindest zwei Wochen pro Halbjahr auf einer staatlichen Gemüsefarm zu roboten. Das Notprogramm funktionierte jedoch so schlecht, daß es zu Beginn des Vorjahres einschlief.

Alle weiteren, von wachsendem Mangel erzwungenen Flexiblisie-rungen erfolgten am industriellen und touristischen Sektor. Trotzdem fiel der durchschnittliche Kalorienverbrauch von 2.845 (1989) auf 1.780 (1993). So explodierte eben am 5. August des Vorjahres in Havanna ein anarchischer Hungeraufstand, was den Exodus der „balseros”, der kubanischen boat people, beschleunigte. Jetzt mußte Fidel Castro auf seine Berater hören. Seit neuestem wurden wieder Bauernmärkte zugelassen. Die Planer haben aus den Widersprüchen der Märkte Anfang der achtziger Jahre gelernt, der „mercado agropecuario' ist genau definiert: Lediglich 140 gibt es auf ganz Kuba, in Havanna für jedes Viertel nur einen; die Marktfläche ist eingezäunt und bewacht, die Anbieter sind registriert, müssen Abgaben leisten und Steuern zahlen (letzteres neu auf Kuba), die Preise sind frei, müssen aber angeschrieben werden, Artikel, die an den Staat abgeliefert werden müssen (Kaffee, Milch, Rindfleisch, Kakao, Tabak) sind ausgeschlossen. In Havanna zeigten die ersten Wochen der neuen Märkte, wie notwendig sie sind und welche Schwächen sie haben. Da die Zahl der Märkte gering ist, müssen die schon vor den staatlichen Läden immer Schlange stehenden Bürger sich auch hier anstellen. Ob-zwar Mandiok, Erdäpfel, Kochbananen, Avocados, Orangen, Paprika, Zwiebel häufig angeboten werden, auch Reis und Schweinefleisch, fehlen oft Bohnen und Knoblauch, sodaß das kubanische Festgericht, Spanferkel mit „cristianos y moros”, Reis und schwarzen Bohnen, zubereitet mit viel Knoblauch, noch rar bleibt. Auch Zitronen sind selten zu finden. Die Preise sind vorerst noch hoch, kaum unter denen des Schwarzmarktes.

Kuba kommt heute auf etwa zwei Milliarden Exportdollar. Das reicht vorne und hinten nicht, sodaß als Notmaßnahme die Legalisierung des Dollars für alle Bürger ergriffen werden mußte. Heute gibt es kein lateinamerikanisches Land, das stärker „dollarisiert” ist als Kuba. Halbherzig wurde auch ein „informeller Sektor” freigegeben, auf dem die Kubarier (es sei denn sie sind Akademiker) Arbeiten auf eigene Rechnung ieisten dürfen. Die größte Kröte, die Castro schlucken mußte, sind die neuen Bauernmärkte. Funktioniert die aus der Not geborene Liberalisierung, wird sich die Konsumlage auf Kuba deutlich verbessern. Aber das Regime wird dabei politische Macht und Kontrollmöglichkeiten verlieren.

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