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Castros Angst vor Glasnost

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Am 1. Jänner 1959 floh Diktator Fulgenico Batista aus Kuba. Sieben Tage später zogen Fidel Castro und seine bärtigen Gueril-leros in Havanna ein—die Revolution kam im Freudentaumel der Befreiung an die Macht.

Dreißig Jahre später kann Kuba die besten sozialen, gesundheitlichen und schulischen Statistiken der Dritten Welt vorweisen. Dennoch beginnt sich die Revolution totzulaufen. Kubas junge Bevölkerimg, für die gesicherte

Lebens- und Arbeitsbedingungen eine Selbstverständlichkeit sind, verlangt auch nach Freiheit, Menschenrechten, Transzendenz und Disco-Unterhaltung. Dafür könnte Michail Gorbatschows Glasnost und Perestrojka die Türen öffnen, aber Fidel Castro will nicht.

Der Große Bahnhof für den sowjetischen Staats- und Parteichef, der nach seinem Auftritt vor der UNO in New York nach Kuba kommen wollte, war vorbereitet. Aber das Armenien-Erdbeben vereitelte den Besuch.

Castro mag aufgeatmet haben, denn Kubas Bevölkerung - müde des harschen Castro-Kommunismus - blickt hoffnungsvoll aufs heutige Moskau. „Viva Perestrojka“ ist in Havanna einer der beinahe subversiven Slogans zum 30.

Geburtstag der Revolution.

Anfang der achtziger Jahre hatte sich der Revolutionschef auf einige Experimente in Richtung auf Liberalismus eingelassen, Bauernmärkte wurden zugelassen, handwerkliche und andere Dienstleistungen wurden privat angeboten. Die Initiative zog. Die Wirtschaft wuchs jährlich mit fünf bis sieben Prozent. Aber Fidel Castro erkannte die „Verbürgerlichung“ seiner Landsleute und stoppte das Experiment brüsk - prompt strudelte die Wirtschaft in die heutige Stagnation.

Mit Castros revolutionärem Eifer, der erneut auf moralische Incentive und strenge Planung setzt, steht die Zuckerinsel heute im scharfen Gegensatz zur Sowjetunion und zu manchen anderen Ostblockländern. Seitdem Kuba 1970 auf sowjetischen Kurs einschwenken mußte, seitdem 1974 Leonid Breschnew Castro mit seiner .institutionalisierten Revolution“ als bevorzugten Partner in der Dritten Welt bestätigt hatte.

war das ursprünglich gespannte Verhältnis mit Moskau zu einem guten geworden.

Erst als Gorbatschows ..Perestrojka“ begann, die Castro zu unterlaufen sucht - er pocht auf das Recht des „eigenen Weges“ - hat sich das Verhältnis wieder verschlechtert.

Einflußmöglichkeiten hätten die Sowjetunion über Kubas Wirtschaft. Jährlich fließen in diese fünf ^is sechs Milliarden Dollar, in den militärischen Sektor 1,5 Milliarden. Castro hält dennoch an seinem introvertierten Puritanismus fest.

Die Frage ist, wie weit ihm die Manager der Staatsindustrie und die jungen Armeeoffiziere, die -aus Angola zurück (FURCHE 48/ 1988) - nach einer neuen Rolle suchen müssen, auf diesem Weg noch folgen wollen. Was die eigenartige Konstellation ergibt, daß ausgerechnet zum 30. Jahrestag der Revolution die sowjetischen Reformversuche das Charisma von Fidel Castro verschleißen könnten.

Dem Revolutionsführer wird auch von anderer Seite zugesetzt. Ein interner Dissens, der über die Menschenrechte, beginnt sich nach langem Schweigen zu regen. Kleine Menschenrechts-Gruppen wollen jetzt auch in Kuba bei der politischen Debatte mitreden und Pluralismus erzwingen.

Ein weiteres Konfliktpotential ist die Katholische Kirche, die ihrer zahlenmäßig geringen Bedeutung wegen 30 Jahre lang alles hinnehmen mußte. Deswegen gab es 1986 sogar eine Art Rapprochement zwischen der Revolutionsführung und der Kirche, wobei allerdings eine loyale und unkritische Kirchenposition vorausgesetzt worden war.

Jetzt aber hat in der Glasnost-Stimmung Monsignore Carlos Manuel de Cespedes. Vorsitzender der Kubanischen Bischofskonferenz, unerwartet Partei ergriffen und die kubanische Revolution in einer Predigt zum Jahresende scharf gerügt: Die monolithische Struktur der Gesellschaft sei nichts als trügerischer Schein; Kubas Gesellschaft sei geprägt von Verstellung. Apathie und Unehrlichkeit; die Einsätze in Afrika würden ohne Rücksicht auf persönliches Leid durchgeführt.

Diese kritischen Worte des Bischofs mögen der deutlichste Hinweis für die Aushöhlung der kubanischen Revolution sein. Der 30. Jahrestag der Verjagung des Ba-tista-Clans mag die Wegscheide über ihre Zukunft werden.

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