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Außenpolitische Rückwirkunsen
Die große offene Frage ist, inwieweit diese Orientierung die Partnerschaft des chilenischen Staates mit den nordamerikanischen Kupfergesellschaften in Frage stellt, das wichtigste Ergebnis von Freis Regierungstätigkeiit, weil er hoffen kann, durch die Ausweitung der nordamerikanischen Investitionen die Kupferproduktion bis 1970 zu verdoppeln und so den chilenischen Haushalt zu stabilisieren.
Die Verhandlungen innerhalb der christdemokratischen Parteiführung wirken sich aber vor allem auch außenpolitisch aus. Frei hatte Fidel Castro nicht angegriffen, bis dieser ihn im vorigen Jahr einen Operettenrevolutionär nannte, der Chile eine Revolution ohne Blut versprochen, aber das Blutvergießen ohne Revolution herbeigeführt hatte. Auf Grund dieser Beleidigungen wurde eine überparteiliche Parlamentsdelegation, die gerade Kuba besuchte, zurückgerufen. Ein Mitglied der Regierungspartei, der Deputierte Patricio Hurtado, ein bekannter Bewunderer Fidel Castros, beugte sich nicht der Parteidisziplin und blieb in Havanna. Er wurde aus der christdemokratischen Partei ausgeschlossen. Aber prominente Mitglieder des jetzt an die Macht gelangten linken Flügels sympathisieren weiter mit Castro. So haben sie vor kurzem die schon erwähnte Solidaritätsorganisation „OLAS“ als eine fortschrittliche antitotalitäre Einrichtung begrüßt, die in keiner Weise daran gehindert werden könne, eine Zweigniederlassung in Chile zu errichten. Frei hat, als dieser Beschluß in ganz Amerika Aufsehen erregte, erklärt, daß er unter keinerlei Umständen dulden werde, daß von Chile aus die Revolution auf dem Kontinent organisiert werde, wenn auch eine rechtliche Handhabe fehle, um die Niederlassung der castroistischen Organisation zu verhindern. In Chile gibt es unzählige kommunistische und prokommunistische internationale Organisationen. Die kommunistische Partei sucht sich mit Frei zu arrangieren, im Einvernehmen mit Moskau, das ihm Darlehen gewährt, im gleichen Augenblick, in dem ihn Fidel Castro beschimpft. Den interessantesten Beweis für den Weg der friedlichen Koexistenz, den die chilenischen Kommunisten befolgen, stellte die Reise des berühmten chilenischen Dichters Pablo Neruda zu der PEN-Tagung nach New York dar. Auf dem Rückweg aß er bei dem peruanischen Präsidenten Belaünde Terry Mittag. Die kubanischen Intellektuellen protestierten in einem „offenen Brief“ gegen diese Haltung: Für sie gäbe es keine Versöhnung mit der kapitalistischen Welt, sondern nur den Befreiungskrieg durch Freischärler. Sie warfen ihm vor, wie er mit dem Präsidenten essen könne, der gleichzeitig die peruanischen Freischärler bekriege.
In diesem Falle zeigt sich, wie so oft, daß die Kommunisten weniger revolutionär sind als die sogenannten Sozialisten. Der eigentliche Führer der Volksfront und ihr zweimaliger Präsidentschaftskandidat ist Dr. Salvador Allende. Er ist ein reicher Arzt aus alter chilenischer Familie, der außer seiner Villa ein Landhaus besitzt und seine Tochter auf der besten katholischen Schule studieren ließ, und von dem seine Feinde behaupten, daß er seine Anzüge aus London vom Maßschneider beziehe. Er ist ein intimer Freund Fidel Castros. Sein Gegenspieler ist der Senator Raul Ampuero, der in der sozialistischen Partei über großen Anhang verfügt. Er ist aus Protest gegen Allende jetzt aus dieser Partei ausgeschieden, so daß sie gespalten ist.
Gumuzio und die Folgen
So wichtig der Linksdruck der Radikalen, die Spaltung der Sozialisten und das Koexistenzbemühen der Kommunisten sein mag, sie treten weiter zurück hinter den Folgen, die die Herrschaft der Gruppe Gumuzio in der Regierungspartei mit sich bringen kann. Doch weist die christdemokratische Presse alle Behauptungen der kommunistischen über eine Spaltung der Regierungspartei zurück. Und in der Tat wäre die Spaltung der christdemokratischen Partei ebenso selbstmörderisch wie die der Volksfront.
Aber auch wenn die Regierungspartei nach außen die Einheit aufrechterhält, ist der Einfluß des Präsidenten Frei außerordentlich gemindert, weil „seine Partei“ eine Politik vertritt, die nicht die seine ist. Hierdurch wird das „Image“ Dr. Freis entscheidend beeinflußt. Denn sein Einfluß ist gerade deshalb so stark, weil man in ihm einen unabhängigen Politiker sieht, der den Westen in entscheidendem Maße fordert, indem er einen Mittelweg zwischen Washington und Moskau zeigt. Ein Frei, dem die Hände durch den extrem antikapitalistischen Kurs der herrschenden Gruppe seiner Partei gebunden sind, wird für diese „historische Rolle“ unglaubwürdig.
Gefahr eines Pendelrückschlages
In Lateinamerika entwickelt sich die Innenpolitik mit außerordentlicher Dynamik. Jedem Druck wird sehr schnell mit einem Gegendruck geantwortet. Und so mögen die schweren Folgen des Linksrucks in der christdemokratischen Partei schnell dazu führen, erneut die Orientierung in umgekehrter Richtung zu lenken.
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