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Österreich bleibt bei der Neutralität

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In jüngster Zeit gab es vermehrte Anzeichen eines Bemühens von Bundeskanzler Bruno Kreisky, sich in die Angelegenheiten der sogenannten blockfreien Staaten einzumischen - 86 Länder mit sehr unterschiedlichen, überwiegend aber nichtdemokratischen Gesellschaftssystemen und einer stark antiwestlichen Grundhaltung. Davor hat der außenpolitische Sprecher der ÖVP, Botschafter Abg. Ludwig Steiner, in der letzten FURCHE-Folge gewarnt. Hubert Feichtlbauer sprach darüber mit dem geschäftsführenden SPÖ-Klubobmann.

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In jüngster Zeit gab es vermehrte Anzeichen eines Bemühens von Bundeskanzler Bruno Kreisky, sich in die Angelegenheiten der sogenannten blockfreien Staaten einzumischen - 86 Länder mit sehr unterschiedlichen, überwiegend aber nichtdemokratischen Gesellschaftssystemen und einer stark antiwestlichen Grundhaltung. Davor hat der außenpolitische Sprecher der ÖVP, Botschafter Abg. Ludwig Steiner, in der letzten FURCHE-Folge gewarnt. Hubert Feichtlbauer sprach darüber mit dem geschäftsführenden SPÖ-Klubobmann.

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FURCHE: Sie haben kürzlich in Havanna drei Stunden lang mit dem kubanischen Staatspräsidenten Fidel Castro gesprochen, der Bundeskanzler Kreisky nach Kuba einlud. Können Sie sagen, welche Mission Sie nach Kuba führte und welche Botschaft Sie von dort zurückbrachten?

FISCHER: Ich habe die Standpunkte und Auffassungen des Bundeskanzlers dargelegt und Fidel Castros Stellungnahmen dazu dem Bundeskanzler mitgeteilt. Im allgemeinen ging es dabei um die von Bruno Kreisky auch schon öffentlich vertretenen Auffassungen betreffend die spezifische Funktion Kubas bei der Suche nach einer Lösung für die Afghanistan-Frage und um die kubanischen Auffassungen zu diesem Thema. Im übrigen wären wir gut beraten, ein wenig hellhöriger zu sein und ein wenig sorgfältiger zu analysieren. Dann würden wir vielleicht Anzeichen dafür, daß Kuba mehr als bisher um einen eigenen Weg und eine Verringerung seiner historisch erklärbaren Abhängigkeit von der Sowjetunion bemüht ist, bemerken ...

FURCHE: Stimmen Sie zu, daß die von Österreich beschlossene immerwährende Neutralität etwas völkerrechtlich ganz anderes als die sogenannte Blockfreiheit ist?

FISCHER: Theoretisch könnte es einem neutralen Land nicht verwehrt sein, sich auch als blockfrei zu betrachten und dennoch seine Neutralitätsverpflichtungen zu erfüllen. Was Österreich betrifft, hat die Entwicklung unseres Neutralitätsstatus dazu geführt, daß wir uns nicht als Mitglied der Bewegung der Blockfreien sehen, und dabei wird es auch bleiben.

FURCHE: Hat nicht Österreich mit seinen Aktionen in jüngster Zeit Zweifel an der neutralen, aber nicht neutralistischen Gesinnung im Westen erweckt, die uns schaden müssen?

FISCHER: Ich glaube nicht, daß irgendwo solche Zweifel aufgetaucht sind - außer in Reden einiger ÖVP-Vertreter, wenn diese mißgestimmt sind. Weder in der Bundesrepublik Deutschland noch in einem anderen Nachbarstaat noch bei einer Signatarmacht des Staatsvertrages hat irgendjemand auch nur angedeutet, daß wir auf dem Weg von der Neutralität zum Neutralismus wären. Die Kontakte Schwedens mit Kuba sind zum Beispiel viel enger als die unseren, und dennoch wird Schweden als neutraler Staat im geistigen Lager des Westens angesehen.

FURCHE: Und was ist dann von Günther Nenning zu halten, der als bekannter sozialistischer Journalist im „profil” vom 24. März geschrieben hat. es sei ganz logisch, daß Bruno Kreisky von Fidel Castro den „Thron des Blockfreienführers” übernehmen werde?

FISCHER: Das ist Nenningsche Sprachmalerei, die nicht den außenpolitischen und völkerrechtlichen Strukturen Österreichs entspricht.

FURCHE: Und die jüngste Belgrad-Reise des Bundeskanzlers? Sollte diese signalisieren, daß Kreisky die Rolle Titos als eine Art moralischen Führers des auf Unabhängigkeit von den Großmächten bedachten Flügels der Blockfreien übernehmen möchte?

FISCHER: Wer kommt auf solche Ideen? Kein Mensch redet davon, wenn ÖVP-Politiker nach China oder in die Sowjetunion reisen. Aber man stellt Spekulationen an, wenn ein österreichischer Regierungschef einen absolut fälligen Besuch bei einem Nachbarn abstattet, der gerade zum jetzigen Zeitpunkt zeigen möchte, daß er handlungsfähig ist und „business as usual” betreiben will.

FURCHE: Aber hat nicht etwa Jugoslawien durch die Einladung Kreiskys ausgerechnet jetzt, 15 Jahre nach dem letzten Besuch auf dieser Ebene in Belgrad, und obwohl sicher Dutzende prinzipielle Einladungen an andere Staatsmänner ausgesprochen sind, eine bestimmte Absicht verfolgt?

FISCHER: Das kann ich nicht ausschließen, doch läge es dann bei den Jugoslawen, warum sie besonders gegenüber einem neutralen Staat ihr „business as usual” demonstrieren wollten. Aber es besteht keinerlei Anlaß oder Gefahr, daß Österreich einen außenpolitischen Standortwechsel vollziehen könnte. Schon die Diskussion darüber ist unnötig und unglücklich.

FURCHE: Aber hat sich nicht auch der Bundeskanzler schon oft gewünscht, daß in Österreich mehr über A ußenpolitik diskutiert werden sollte?

FISCHER: Ja, über Außenpolitik, aber nicht, ob Österreich Mitglied der Blockfreien wird oder sich ihnen auch nur annähert.

FURCHE: Zum Schluß eine persönliche Frage. Könnte es sein, daß Bundeskanzler Kreisky Sie deshalb zu Fidel Castro entsandt hat, um einen angesichts der jüngsten Entwicklungen immer wahrscheinlicher werdenden neuen „Kronprinzen” Fischer auch international herzuzeigen?

FISCHER: Sicher nicht. Es lag nahe, nachdem ich in Santo Domingo an einer Regionalkonferenz der Sozialistischen Internationale teilgenommen hatte, ins nur 200 km entfernte Kuba weiterzureisen. Andere Motive gab es nicht.

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