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FIDEL CASTRO VERBLASSENDES IDOL

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Es hieße Zuckerrohr nach Kuba tragen, wollte man nach soundsoviel Hinrichtungen hier noch einmal abwägen, ob Fidel Castros Handlungen rechtens waren oder nicht. Wie ein Bumerang kehren beharrlich die Schatten der letzten sechs Monate wieder und legen sich als Hypothek auf seine Politik. Bekanntlich war .es zwischen ihm und Staatspräsident Urrutia, der jetzt zurücktreten mußte, vor allem wegen der „Kriegsverbrecherprozesse" gegen die Anhänger des ehemaligen Diktators Batista zu Differenzen gekommen. Als neuer Präsident wurde der Jurist Osvaldo Dorticos Torcado vereidigt, der als Gefolgsmann Castros gilt. Auch Castro trat zurück, überlegte sichs aber dann und sagte, er wolle am Jahrestag der siegreichen Revolution „den Wunsch des Volkes“ respektieren und Regierungschef bleiben.

Der Rechtsanwalt Fidel Castro, zweiunddreißigjährig, wollte, was bei Juristen selten ist, das Recht mit der Waffe erzwingen. Schon als Student hatte er an Aufstandsversuchen teilgenommen, deren letzter ihn 1952 beinahe das Leben gekostet hätte. Er floh nach Mexiko und kehrte 1956 mit 81 schwerbewaffneten Männern zurück, um den Kampf gegen den Diktator Batista aufzunehmen. Auch Manuel Urrutia gehörte zu jenen, die, kenntlich durch schwarzen Piratenbart und feuchten Existentialisten- blick, erfolgreich Partisanen spielten. Die Ideen zum Widerstand hatte der des Deutschen Kundige Urrutia, wie er einem

Journalisten erzählte, einem kleinen deutschen Büchlein entnommen, das sich „Widerstandsrecht und. Grenzen der Staatsgewalt“ betitelt und interessanterweise das Resümee einer Tagung ist, die von der Münchner Hochschule für Politik, zusam men mit der Evangelischen Akademie in Tutzing, abgehalten worden war. „Diese Ideen“, rief er aus, „sind unsere Ideen.“ Castros Kampf, „die Hoffnung aller Patrioten“, wurde von der Bevölkerung unterstützt. Der Kleinkrieg war wildromantisch und grausam. Die Rachejustiz nach dem

Sieg, der mehr als 500 Menschen zum Opfer fielen, unterschied sich allerdings nur quantitativ, nicht qualitativ von der Batistas. Ein hochnotpeinliches Fragebogenverfahrin nach dem 1945 in Europa gepflogenen Muster wäre zweifellos humaner gewesen, aber die Gewissenserforschung auf D1N-A-4- Format hätte auch in Kuba nur grobmaschig die Schafe von den Böcken geschieden.

So traten die Militärgerichte auf den Plan, deren Ruf ja seit alters her kein guter ist, angeblich, um das erbitterte Volk von noch grausamerer Selbsthilfe abzuhalten. Die Exekutionen hätten die Gemüter nicht so in Wallung gebrächt, wären sie nicht durch Bild und Fernsehen in schier unglaublicher Weise den Millionen vermittelt worden. So wurde der Anwalt Castro, der sich rauher Etüden im Volkston befleißigte, ebenso rasch zu einer gefürchteten Erscheinung, wie er zum Idol geworden war, dem man die gern gehörten Worte geglaubt hätte, er sei ein Mann Rechts, nicht der Waffen. Sein Hang zur Kraftmeierei verträgt sich schlecht mit der nüchternen Sprache des Soll und Haben, deren Kuba bedarf. Während seines Besuches in den USA, deren Rolle als bereitwilliger Dukatenesel er nie anzweifelte, zeigte er sich recht artig und hinterließ den besten Eindruck: mutig, klug, schlagfertig. Heute gleicht Castro aber Kerim Kassem, der um ein halbes Jahr länger herrscht und dessen Regime ebensowenig optimistisch zu beurteilen ist wie seines.

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