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Teurer Weihnachtsmann

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Der wirkliche Zweck der letzten Reise Fidel Castros nach Moskau war nicht die Teilnahme an den dortigen Jubiläumsfeierlichkeiten. Der Besuch des kubanischen Diktators warf vielmehr fundamentale Wirtschaftsfragen auf, deren Beantwortung für die Kreml-Führung nicht gerade einfach war. Kossygin und seine nüchternen Planer haben keine geringen Sorgen mit dem neusten Mitglied des COMECON, weil Kubas Wirtschaft sich in konstanter Krise befindet.

Castros Visite wurde im Dezember 1972 vom Generalsekretär des COMECON. dem Russen N. Fadejew und dem stellvertretenden tschechoslowakischen Ministerpräsidenten Hamouz vorbereitet. Inzwischen beschäftigte sich die „Wneschnaja Torgowlja“ analytisch mit der Frage, wieviel Castro seit 1962 (als der erste langfristige Fixpreis-Zuckerkontrakt abgeschlossen wurde) den Kreml gekostet hat.

Der erste Kontrakt von 1962 sicherte Castro 4 Cents pro Pfund für den kubanischen Zucker, als der Weltpreis bei nur 3 Cents lag. Im Jahre 1968 wurde jedoch vereinbart, daß für die 24 Millionen Tonnen Zucker, die in sechs Jahren geliefert werden mußten, 6 Cents pro Pfund zu verrechnen seien. Der Plan konnte nicht erfüllt werden, die UdSSR bekam nur 11.6 Millionen Tonnen in der besagten Periode.

Auch 1972 konnte Kuba den Lieferplan gegenüber der Sowjetunion nicht erfüllen. Und da die Ernteergebnisse 1972 sowohl in der UdSSR als auch in Kuba schlecht waren, mußte Moskau bis Mitte Dezember 1972 laut „Financial Times“ 350.000 Tonnen Rohzucker auf dem freien Markt kaufen.

Bei der Tatsache, daß die Handelsbilanz der letzten Dekade für Kuba

Das kubanische Defizit wird auf 10 bis 13 Jahre durch Sowjetkredite mit einem Jahreszins von 2% gedeckt. Die sowjetischen Steuerzahler werden also noch viele, viele Jahre lang kubanischen Zucker essen müssen.

In Kuba laufen zur Zeit 50.000 Automobile, 40.000 Traktoren und Straßenbaumaschinen sowjetischer Herkunft. Für die Ersatzteillieferungen muß die Zuckerinsel jährlich 40 Millionen Rubel bezahlen; 14,3% der kubanischen Ausfuhren in die Sowjetunion werden dadurch absorbiert.

Moskau versorgt die 90.000 Motorfahrzeuge, die Luftwaffe, die Marine, die Fabriken und die kubanischen Elektrokraftwerke mit jährlich 7 Millionen Tonnen Treibstoff, wofür Havanna 80 Millionen Rubel zahlte. Der Treibstoffbedarf wuchs zwischen 1970 und 1972 jährlich um eine Million Tonnen.

Auch das Brot der Kubaner muß von den Sowjetrussen spendiert werden. Moskau muß jährlich 700.000 Tonnen Weizen und feines Mehl, im Werte von 50 Millionen Rubel, nach Kuba schicken. In einem Katastroso ungünstig war, spielten außer der Nichterfüllung des Zuckerlieferplans die großen sowjetischen Waffenlieferungen an Kuba eine wesentliche Rolle. Obwohl Moskau darüber niemals Statistiken veröffentlicht hat, blieben diese Summen der „US Arms Control and Disarmament Agency“ nicht unbekannt.phenjahr wie 1972. als die UdSSR selbst Reservevorräte angreifen mußte und die Weltmarktpreise sehr fest blieben, war das gewiß keine Kleinigkeit.

Neben dem Zucker sind nur noch die russischen Nickelerzimporte aus Kuba erwähnenswert — Havanna-Zigarren fallen ja nicht ins Gewicht! 1970 erhielt Moskau kubanisches Nickelerz im Wert von 90,291.000 Rubel. Castro übt allerdings Druck auf die Russen mit dem Ziel aus, das Nickel im Lande selbst verarbeiten zu können. Seit kurzem sind Ver handlungen zwischen GOSPLAN unc dem Kubanischen Planungszentralral im Gange, um sowjetische Entwicklungshilfe zum Ausbau der kubanischen Nickel-, Textil- und Papierindustrien und des Transportwesens in die Wege zu leiten. Die Sowjets sind nicht abgeneigt, was die Entwicklung einer kubanischen Nickelindustrie anlangt, weil die Transportkosten des Erzes nach der Sowjetunion sehr hoch sind. Castros diesbezüglicher Vorschlag ist also vernünftig. Wenn die UdSSR ein paar Nickelbetriebe nach Kuba liefern würde, könnte Kubas Zahlungsbilanz mit der Zeit etwas günstiger aussehen.

Kuba schuldet der ganzen Welt insgesamt 18 Milliarden Dollar, davon ansehnliche Summen den Vereinigten Staaten. Moskau muß mit einer Million Dollar täglich Kubas Defizitwirtschaft finanzieren und es sieht so aus, also ob dies bis zum Ende der Welt so weitergehen müßte, wenn es den Russen nicht gelingt, einen Teil dieser Last den COME-CON-Partnerländern zuzuschieben — die sich natürlich mit Händen und Füßen dagegen wehren, beim „Kameraden Castro“ ad calendas graecas den Weihnachtsmann zu spielen.

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