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Mit Pistolen
„Etwas Ähnliches ist in der Geschichte der Vereinten Nationen noch nicht vorgekommen“, meinte ein belgischer Delegierter. „Als Ni-kita Chruschtschow mit seinem Schuh auf den Tisch trommelte, suchte er billige Publizität, aber er bedrohte niemanden. Jetzt hingegen rannten bewaffnete Delegierte zum Rednerpult. Dergleichen ist ohne Präzedenz bei der UNO.“
Der Vorfall ereignete sich während der Rede des chilenischen Botschafters Raul Bazän Dävila, unmittelbar nach einer Rede des kubanischen Außenministers. Chiles Delegierter erklärte, daß die Botschaft Kubas weniger Botschaft als Waffendepot gewesen sei. Der kubanische Außenminister nannte daraufhin die chilenische Junta Faschisten. Botschafter Bazän replizierte: „Faschismus, Aggression und gewaltsame Ausdehnung sind charakteristische Merkmale des kubanischen Regimes, die durch das kommunistische System nicht einmal verschleiert werden. Die chilenische Regierung respektiert die Menschenrechte. Die Folterungen, von denen Castros Repräsentant spricht, existieren nur in den Gehirnen kubanischer Agenten.“ Chile hat inzwischen Amnesty International eingeladen, an Ort und Stelle eine Untersuchung durchzuführen und die Wahrheit festzustellen. „581 Personen sind getötet worden“, sagte Botschafter Bazän, „es hätten ihrer jedoch viel weniger das Leben lassen müssen, wenn Kuba nicht illegal Waffen nach Chile geliefert hätte.“ Dann fügte er noch hinzu: „Jedenfalls gab es in Chile viel weniger Tote als an der kubanischen ,pare-don' (Hinrichtungswand), wo Fidel Castro immer wieder zu erscheinen pflegt, um die Hinrichtungen zu genießen. Es kam auch schon vor, daß
er zu den Exekutionen ausländische Diplomaten eingeladen hat!“
Ein Delegierter aus der ersten Bankreihe beschrieb das weitere folgendermaßen: „Lateinamerikanische Delegierte, die in der Nähe waren, sprangen auf. Der Botschafter Nicaraguas trat energisch vor die Kubaner, und der paraguayische Botschafter Barreiro pflanzte sich neben Roa auf. Es befanden sich schon ungefähr 15 Personen vor der Tribüne, als ein Kubaner, ein riesengroßer Mulatte, sein Sakko öffnete und, wie man in Wildwestfilmen sieht, die Hand hob, bereit, seine Pistole zu ziehen. Man konnte das von den ersten Reihen aus sehr gut beobachten. Der Präsident der Vollversammlung, Leopoldo Benites aus Ecuador, wollte eingreifen, aber die Saaldiener standen wie versteinert und ratlos herum.
Der Mulatte, der seine Pistole ziehen wollte, heißt übrigens Teofllo Acosta, ist derzeit der Chef der kubanischen Polit-Polized, und hatte Roa auch schon nach Panama begleitet, wo im März 1973 der Sicherheitsrat tagte. Offenbar dient er dem Außenminister als Leibwächter.
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