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Karibische Unruhe

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Alles deutet darauf hin, daß die relative Ruhe im karibischen Raum ihrem Ende entgegengeht. Fidel Castro, der eigenwillige Diktator Kubas, ist zu einer großen Reise aufgebrochen, die ihn nicht nur in alle osteuropäischen Hauptstädte führen wird, sondern auch nach Moskau, wo er mit dem sowjetischen Parteichef Leonid Breschnjew über die weitere Entwicklung im karibischen Raum beraten wird. Es scheint, daß Moskau nicht mehr an einem Status quo interessiert ist. Der Kreml verspricht sich eine Stärkung seiner Position und Kuba soll wieder aktiver in das politische Geschehen Mittel- und Südamerikas eingreifen.

Kurz vor Castros Abreise hat die Sowjetunion einwandfrei bestätigt, daß sie sich die militärische Stärkung ihres Satelliten auf dem amerikanischen Kontinent wünscht und daran auch aktiv mitwirken will. Auf dem Luftwaffenstützpunkt San Antonio in der Nähe der kubanischen Hauptstadt Havanna, übergab der sowjetische Botschafter auf Kuba, Nikita Rolubejew, dem Castro-Bruder Raoul, der neben seinen Ministerposten als Chef der revolutionären Streitkräfte Kubas auch als Zweiter Sekretär des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Kubas amtiert, eine näher nicht bekannte Anzahl moderner Kampfflugzeuge. Raoul Castro erinnerte daran — wie es in der offiziellen Meldung hieß —, welchen Vertrauensbeweis damit die Sowjetunion den Kubanern gewährt habe.

Daß die Sowjetunion mit weiteren Unruhen im karibischen Raum rechnet, die durch aktive Unterstützung Kubas geschürt werden sollen, beweist auch ein Aufruf, den der Moskauer Sender „Radio Frieden und Fortschritt” an Mitglieder der Armee Haitis gerichtet hat. In einer kreolisch ausgestrahlten Sendung appellierten die sowjetischen Propagandisten an Haitis Soldaten, sich mit den „revolutionären Organisationen zusammenzutun und mit aller Kraft gemeinsam mit dem Volk von Haiti die Beseitigung des Duva-lierismus auf Haiti zu betreiben”. Weiter hieß es in dem Aufruf, daß alle Gegner des Regimes auf Haiti mit der Waffe in der Hand unterstützt werden sollten. Vor allem möge die Bevölkerung des Inselstaates den Kommunisten in ihren Bemühungen aktiv beistehen. Dabei würden — wie politische Beobachter auf Haiti befürchten — auch bewaffnete Kommandoeinheiten, die auf Kuba ausgebildet und heimlich nach Haiti eingeschleust wurden, eine wichtige Rolle spielen.

Auch aus der Tatsache, daß sowjetische Massenmedien in den letzten Wochen der Entwicklung in Lateinamerika immer mehr Raum widmen, kann man schließen, daß der Besuch Fidel Castros in Moskau nicht nur als eine Routineangelegenheit bewertet werden kann. Mit ihm soll die sowjetische Aktivität im karibischen Raum neuen Auftrieb erhalten.

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