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Castro und die Neger

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Castros Intervention in Angola gewinnt eine neue Dimension, wenn man in ihr das Bestreben sieht, weltweit, aber ganz besonders in Amerika, die politischen Sympathien der Neger zu gewinnen. Die Gerüchte, denen zufolge kubanische Ausbildner und Truppen in Guayana tätig sind, deuten auf eine ebenso interessante wie einleuchtende Strategie in dieser Richtung.

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Castros Intervention in Angola gewinnt eine neue Dimension, wenn man in ihr das Bestreben sieht, weltweit, aber ganz besonders in Amerika, die politischen Sympathien der Neger zu gewinnen. Die Gerüchte, denen zufolge kubanische Ausbildner und Truppen in Guayana tätig sind, deuten auf eine ebenso interessante wie einleuchtende Strategie in dieser Richtung.

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Ethnologisch bilden die Neger in Haiti und anderen karibischen Staaten die gesamte Bevölkerung, in Brasilien, Kuba oder in der Dominikanischen Republik einen wesentlichen Teil der Bevölkerung. Aber nur in Guayana haben die Volksgruppen (Neger 35 Prozent und Abkömmlinge von Ostindern 50 Prozent) nach ihrer rassischen Abstammung eigene politische Gruppierungen entwickelt. Die Partei der Inder „PPP“ („Fortschrittliche Volkspartei“) wird von Dr. Cheddi Jagan, einem moskautreuen Kommunisten, die der Neger (die „Kongreßpartei“) von dem jetzigen Ministerpräsidenten Forbes Burnham, einem gemäßigten Sozialisten, geleitet.

Churchill hatte schon 1953 dem damaligen Britisch-Guayana die Unabhängigkeit gegeben, sie aber unter Einsatz von vier Kriegsschiffen und 1600 Mann wieder zurückgenommen, als Jagan die Mehrheit errang und die kommunistische

Volksrepublik „Eldorado“ errichten wollte. (Jagan hatte in den USA Soziologie und Zahnheilkunde studiert und die Kommunistin Janet Rosenberg aus Chikago geheiratet.)

1964 gab England die Kolonialherrschaft über Guayana auf. Seit dieser Zeit leitet Burnham die Geschicke des kleinen Landes (auf einer Fläche, die etwa 80 Prozent der Bundesrepublik entspricht, eben nur 800.000 Menschen).

Angeblich hatte Guayana einen Geheimvertrag mit der Volksrepublik China geschlossen, um Esse-quibo von Chinesen besiedeln zu lassen. Diese Zone, die zwei Drittel des Staatsgebiets ausmacht, ist in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts von England Venezuela weggenommen worden, das seit dieser Zeit die Rückgabe verlangt. Als es vor wenigen Jahren zu einer „Privatinvasion“ einiger mächtiger Estancieros aus dem venezolanischen Grenzgebiet kam, wurde zwischen England, Venezuela, Guayana

und Surinam (Holländisch-Guayana) ein Abkommen geschlossen, mit dem sich alle vertragsschließenden Staaten . verpflichteten, Gebietsansprüche bis 1982 auf Eis zu legen. Die brasilianische Presse begründet das Interesse, das Guayana an kubanischen Ausbildern und Truppen hat, gerade damit, daß das schwache Land 1982 gerüstet sein müsse, um den Gebietsansprüchen Venezuelas entgegentreten zu können. Auf Grund der Alarmgerüchte haben die Brasilianer ihre Truppen in der Grenzzone verdoppelt und die Kontrollen verstärkt. Burnham hat feierliche Erklärungen abgegeben, wonach weder kubanische Ausbildner noch Truppen in Guayana stünden. Aber diese Gerüchtewelle bildet nur eine. Zwischenaktsmusik in dem politischen Drama dieses in Lateinamerika als Fremdkörper wirkenden Staates. Die ständige Konfrontation wird auch dadurch bestätigt, daß Venezuela jetzt die Aufnahme Guayanas in die „Organisation Amerikanischer Staaten“ (OAS) durch seinen Einspruch verhindert hat.

Burnhams geopolitischer Integrationsplan, mit den nahegelegenen Inseln Dominica, Saint Vincent, San Cristöbal und Nevis-Anguila eine „Neger-Federation“ zu bilden, ist ebenso interessant wie ungefährlich. Aber er ist sekundär. Im Vordergrund steht angesichts der venezolanischen Gebietsansprüche das Sicherheitsbedürfnis Guayanas. Für seine Verteidigung braucht es einen „Protektor“. Es findet ihn in Fidel Castro. Schon bevor dieser sich durch seine Intervention in Afrika als „Befreier der Neger“ legitimierte, hat Burnham ihn vor zwei Jahren bei einem Besuch in Georgetown seinen „Bruder“ genannt und wie einen König gefeiert. So mag Afro-Amerika, von dem man in Lateinamerika bisher nur auf kulturellem Gebiet sprach, zu einem politischen Faktor werden, dessen Kraft auf kurze Sicht von dem Einfluß Castros und auf lange Sicht von der weltpolitischen Rolle Afrikas abhängen könnte.

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