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Minimalopfer: 40.000 Soldaten
Will man aber keinen direkten militärischen Konflikt — der im übrigen den Vereinigten Staaten nicht nur in der Charta der Vereintön Nationen auf eigene Faust untersagt wäre, sondern vor allem auch im „Rio-Vertrag“, der 1948 die Grundlage der „Organisation der Amerikanischen Staaten“ bildete, nur im Einvernehmen mit den lateinamerikanischen Regierungen in Betracht gezogen wird — was sonst? Blockade?
Ein gewaltsames Vorgehen gegen die teils russischen, teils von westlichen Privatfirmen gestellten Schiffe, die Waffen nach Kuba bringen, wäre nach internationalem Recht gleichfalls ein kriegerischer Akt. Selbst wenn man annimmt, daß die Sowjets mit ihrer atomaren Kriegsdrohung bluffen: auch ein „isolierter“ Krieg würde, wie der demokratische Senator Morse nach Besprechungen mit Militärexperten öffentlich erklärte, „das Leben von wenigstens 40.000 amerikanischen Soldaten kosten“
Was bleibt für den Moment „zu tun“? Man hat vorgeschlagen, daß die USA offiziell eine kubanische Exilregierung anerkenne, ihre Aufnahme in die Organisation der Amerikanischen Staaten beantragt und Castro dort ausschließe. Dafür aber besteht offensichtlich keine Aussicht.
Ein militantes gemeinsames Vorgehen gegen Kuba, die Identifizierung mit der Kubanischen Emigration durch die gesamte Körperschaft oder auch nur durch eine ansehnliche Mehrheit, scheint, wie die Dinge heute liegen, ausgeschlossen, auch wenn mehr als einer lateinamerikanischen Regierung fidelistische, Sympathien unter ihren Studenten und armen Landarbeitern mehr als unsympathisch sind.
Wozu also die ganze Aufregung? Die Kubafrage, kennzeichnenderweise noch dazu dem amerikanischen Wähler vor den bevorstehenden Nachwahlen als „Krise“ ins Bewußtsein getrommelt, ist im Moment vom Kreml demonstrativ angekurbelt worden, um in Berlin anscheinend nicht zu „Entweder-Oder “ -Stellungnahmen gezwungen zu werden, bevor eine etwaige Begegnung Kennedy-Chruschtschow (möglicherweise während der Sitzung der Vereinten Nationen?) stattfindet.
Natürlich ist Moskau daran interessiert, daß Castro — mit Hilfe der kommunistischen Staaten — über seine inneren Schwierigkeiten hinwegkommt — man hat ihm neben den Militärtechnikern auch mehrere Tausend Agrarfachleute geschickt! — und daß er militärisch „stark“ erscheint.
Aber Sowjetrußland denkt nicht daran, um c'es „Bärtigen“ willen einen Weltkrieg zu riskieren. Kennedy weiß das auch ...
Es war deshalb ebenso realistisch wie verantwortungsbewußt, auf der einen Seite sehr ernst darauf hinzuweisen, daß auch die Geduld einer stets gesprächsbereiten Regierung Grenzen hat, sollte wirklich die Absicht bestehen, direkt gegen die USA militärische Vorbereitungen zu treffen — auf der änderen Seite den Hitzköpfen im eigenen Land in die Parade zu fahren, die teilweise der Meinung zu sein scheinen, daß „Maßnahmen“ ein Synonym für die „Marines“ (die Sturmtruppen des US-Marine-Corps) sind.
Reden und Leitartikel beiseite lassend: die sogenannte Kubakrise ist — im Augenblick zumindest — ein Schattenboxen zwischen zwei Realpolitikern. Der eine in-Moskau, der andere in Washington: beide wissen, daß es ein neues. Kapitel im gegenseitigen Nervenkrieg ist, mit dem „Unentschieden“ — o gut wie sicher.
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