6839109-1975_33_01.jpg
Digital In Arbeit

Der nächste Krisenherd wächst

Werbung
Werbung
Werbung

Der Jahrmarkt afrikanischer Eitelkeiten in Ugandas Hauptstadt Kampala ist vorbei. Dennoch haben einige außergewöhnliche Ereignisse dieses Treffen der Organisation für afrikanische Einheit (OAU) davor gerettet, von der Welt übersehen zu werden. Mehr als 450 Journalisten reisten an, um wohl an erster Stelle Augenzeugen der Wahl eines neuen Präsidenten der OAU zu sein, von dem böse Zungen behaupten, daß er im Grunde genommen sein bester Public-Rela-tions-Manager ist.

Die Aufforderung der in Kampala versammelten Staatsmänner an die Führer der Guerrillabewegungen in Angola, Agostinho Neto und Holden Roberto, zur Beilegung des Konflikts nach Uganda zu kommen, wurde nicht befolgt. MPLA und FNLA kämpfen weiter. Nur Dr. Jonas Savimbi erschien, aber seine UNITA-Gruppe steht außerhalb der Kämpfe um Angolas Hauptstadt. Der Gedanke, eine eigene OAU-Streitmaeht aufzustellen, wurde sofort wieder fallen gelassen und statt dessen Portugal aufgefordert, den Bürgerkrieg in Angola zu beenden. Wie, wußte niemand zu erklären.

In der Zwischenzeit spitzt sich die Lage in Angola weiter zu. Denn seit tausende weiße und zehntausende schwarze Flüchtlinge zwischen den Fronten auf ihre Rettung warten, ist Angola längst auch zu einem internationalen Problem geworden. Es geht um nicht weniger als um humanitäre Hilfe für die armen Angolaner, die eine verrückt spielende und gelbst vom Fieber geschüttelte Regierung in Portugal vor der Willkür der sogenannten Befreiungsbewegungen längst nicht mehr schützen kann.

Beobachter in Luanda berichten überdies, daß es eine Art von geheimer Unterstützung der kommunistischen MPLA durch die portugiesischen Militärs gibt.

Genauer gesagt — sie ist gar nicht so geheim. Tatsächlich verstehen sich die „Feinde von gestern“, Angolas schwarze Marxisten und einstige iweiße Kolonialherren in Uniform, nicht nur sehr gut, sondern sie scheinen auch eine massive Achse zwischen Luanda und Lissabon als Rückgrat ihrer künftigen Politik ins Auge gefaßt zu haben. Sollte sich die MPLA in Angola und der linke Flügel der Militärs in Portugal durchsetzen, werden sie einander stützen: die Portugiesen ihre ehemaligen Untertanen mit dem Know-how der linken Diktatur, das linke Angola aber das linke Portugal mit Erdöl und Geld. Die Ausstrahlung auf ganz Schwarzafrika wäre gewaltig ...

20 afrikanische Staatsoberhäupter und 19 Ministerpräsidenten kamen jedoch weniger aus Neugierde nach Kampala als getrieben von dem Willen, hier afrikanische Einheit und afro-arabische Solidarität zu demonstrieren. Zwar wurden diese Ziele nicht erreicht, aber auch die Sensationsreporter kamen nicht auf ihre Kosten. Ein fast hilflos wirkender, gemäßigter Feldmarschall Idi Amin versprach den versammelten Afrikanern nach seiner Wahl: „Ich möchte Ihnen versichern, daß ich sehr ergeben, loyal und offen sein und nichts tun werde, das euer Vertrauen in mich erschüttern könnte...“

Noch kurz vor Beginn der OAU-

Konferenz fand hinter den Kulissen ein Tauziehen statt, um das Treffen in Uganda zu verhindern. So forderte die Union afrikanischer Schriftsteller, die sich im Juni in Accra traf, die OAU-Führer auf, Uganda zu verurteilen, die Gipfelkonferenz zu vertagen und die Welt über das mörderische Regime des Generals Amin zu unterrichten. Die Zeitschrift ,Transition' nannte den General eine Katastrophe für Afrika, und Tansanias Außenminister John Malecela sagte, daß das Treffen in Kampala Afrika degradiert habe und ein Witz sei. Die Erklärung aus Dar-es-Sa-lam sprach von einem schwarzen Faschisten und nannte die Teilnehmer der OAU Hypokriten. „Durch ihre Teilnahme verleihen die Staatsmänner der OAU Respektabilität an eines der mörderischsten Regime in Afrika.“ Während der Gipelkonfe-renz in Kampala wurde zwar der Text dieser scharfen tansanischen Erklärung herumgereicht, aber keiner der anwesenden afrikanischen Führer traute sich, die Herausforderung aus Dar-es-Salam zur Sprache zu bringen.

Die erste Sensation in Kampala kam aus Lagos und meldete den gelungenen Staatsstreich gegen General Yakubu Gowon. Mancher der anwesenden afrikanischen Staatsmänner wurde sich plötzlich der eigenen Lage bewußt. Immerhin war der Putsch gegen Gowon der siebente in einem afrikanischen Land in den letzten zwei Jahren und der 29., seit im Jänner 1963 Togos Präsident Olympio ermordet wurde. Am Konferenztisch konnten die afrikanischen Führer sich nicht über die wichtigsten Themen der Tagesordnung einigen. Obwohl Feldmarschall Idi Amin anfangs noch vorschlug, einen offenen Krieg gegen die weißen Regime im Süden anzufangen, wurde dieser Vorschlag von den meisten abgelehnt. Statt dessen einigte man sich auf weitere friedliche Kontakte mit Pretoria. Auffallend war, daß die Vertreter des rhodesischen ANC (African National Council), Bischof Abel Muzorewa, Joshua Nkomo und Ndabaningi Sithole nicht in Kampala anwesend waren. •

Ein weiterer wichtiger Punkt der Diskussionen konnte im Endeffekt ebenfalls nicht gelöst werden: die afro-arabische Zusammenarbeit. Die Afrikaner, die mit allen Mitteln die Araber in ihrem Konflikt mit Israel unterstützen, fühlen sich umgekehrt von den Arabern als zweitrangig behandelt. Die ölländer haben ihnen bisher keine Konzessionen in Sachen Rohölpreise gemacht, und es sieht auch nicht danach aus, daß dies in Zukunft geschehen wird. Das war wohl mit der Grund, daß gegen den Willen der sehr verärgerten Araber man nur eine gemäßigte Resolution akzeptierte, die es jedem Staat überläßt, die geeigneten Maßnahmen zu ergreifen, um in der UNO und anderen Organisationen den entsprechenden Druck auf Israel auszuüben.

Alles in allem kann man nur sagen, daß die Konferenz in Kampala gegen alle Erwartungen nicht im Chaos endete. Sie erreichte aber auch nichts, was die Afrikaner mit Stolz erfüllen könnte. Die Tatsache, daß die Konferenz überhaupt stattfand, darf man als persönlichen Erfolg Idi Amins bewerten, aber auch als Versuch, die zerbröckelnde Organisation für afrikanische Einheit mit aller Gewalt zusammenzuhalten.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung