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Schlimme Tage für Portugal

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„Schwerste Opfer erwarten uns, ; aber wir werden durchhalten!“ schrieb kürzlich die Lissabonner Zeitung „A Voz“. Das klingt freilich anders als die abschätzige Art, mit der Lissabon zuerst auf den Beschluß der panafrikanischen Konferenz in Addis Abeba von Ende Mai, Portugal wirtschaftlich und diplomatisch zu boykottieren, reagierte. Damals erklärte Außenminister Franco Nogueira, daß die Ausfälle einiger afrikanischer Politiker gegen Portugal die meisten Nationen des Schwarzen Kontinents kaum interessieren würden, die Einheit der afrikanischen Völker recht problematisch sei und antiportugiesische Maßnahmen schließlich als ein Bumerang, der auf die jungen Staaten Afrikas zurückfallen werde, erkannt würden. Glsichzeitig lud der Minister, offenbar auf die Uneinigkeit unter den Afrikanern spekulierend, die Nachbarn Portugals in Afrika, Brazzaville-Kongo, Leopoldville-Kongo und Nyassaland, zu Besprechungen über gemeinsame Probleme und ihre Lösung ein. Doch, wie kaum anders zu erwarten, wurde diese Einladung zurückgewiesen.

Dilemma für den Westen

Hingegen forderte Algier Lissabon auf, seine Konsulate in Algerien zu schließen; Ägypten, Kamerun und Äthiopien brachen die diplomatischen Beziehungen zu Portugal ab; Liberia wies die portugiesischen Staatsbürger aus und Leopoldville-Kongo anerkannte die angolanische Exilregierung Holden Robertos. Diese Maßnahmen sind mehr als bloße Symbolhandlungen: Bei der jüngsten Tagung des internationalen Arbeitsamtes in Genf versuchten Afrikaner, den portugiesischen Delegierten am Sprechen zu hindern, und von der Genfer Erziehungskonferenz der UNESCO wurden auf afrikanischen Antrag die Portugiesen überhaupt ausgeschlossen, wobei sich, was Lissabon besonders schmerzlich traf, der Vertreter des Vatikans der Stimme enthielt.

All das aber dürfte erst das Vorspiel dazu sein, was Portugal in der UNO erwartet. Vier afrikanische UNO-Delegierte kündigten bereits eine „Frontbildung“ für die nächste Sitzung des Sicherheitsrates an, bei der die Frage der überseeischen Besitzungen Portugals zur Debatte stehen wird, und der Sprecher Ghanas erklärte: „Die Tagung wird uns erkennen lassen, wer die wahren Freunde der afrikanischen Völker sind.“ Damit wird aber auf einen der ernstesten Aspekte des ganzen Problems hingewiesen: Wie werden sich auf die Dauer Portugals westliche Verbündete, die doch Wert auf gute Beziehungen zu den Afrikanern legen, verhalten? Daß Amerika und England diese Frage nicht unterschätzen, zeigt die überraschende Unterredung zwischen Staatssekretär Rusk und dem britischen Botschafter in Washington, Ormsby-Gore, über Südafrika und Portugal, deren Ergebnis natürlich unbekannt ist.

Selbst Madrid ist skeptisch

Die USA haben einen Stützpunkt auf den portugiesischen Azoren, doch der Vertrag darüber wurde bloß provisorisch verlängert, und über Verhandlungen zu seiner Erneuerung verlautet kein Wort. Großbritannien ist Lissabons ältester Verbündeter, uod schließlich ist Portugal NATO-Mitglied. Was also soll geschehen, wenn der Westen einmal vor der Entscheidung stehen sollte: Afrika oder Portugal? Lissabon verkennt die Lage durchaus nicht und scheint mit der Eventualität eines „Abfalls der Alliierten“ zu rechnen. Jedenfalls erklärte Außenminister Nogueira: „Wir schulden der NATO nichts“, und: „Wir messen der UNO und ihren Debatten keine große Bedeutung zu!“ Zugleich wiederholte er einen Ausspruch Sala-zars, daß Portugal wohl nicht eine der ersten, aber gewiß nicht eine der letzten Nationen sein werde, die aus der UNO austreten.

Auf welche Verbündeten hofft aber Lissabon, da eine internationale Isolierung ihm kaum erwünscht sein kann? Zumeist wird auf die „außerordentlich guten Beziehungen“ zu Spanien hingewiesen. Doch selbst in Madrid bedauert man die Unbeweglichkeit der portugiesischen Staatsführung und die Entlassung des Überseeministers Mo-reira im Dezember, der auf die innere Autonomie der afrikanischen „Provinzen“ hinarbeitete und damit den Gegnern Portugals manches Angriffsmotiv genommen hätte. Doch Salazar hielt solches Beginnen für ketzerisch, und so sagt man selbst im eng befreundeten Spanien „schlimme Tage für Portugal“ voraus.

Die Opposition rührt sich

Zu den internationalen Komplikationen kommen die innenpolitischen und wirtschaftlichen: Bombenanschläge auf portugiesische Passagierflugzeuge werden verübt, glücklicherweise, ohne Schaden anzurichten; die Verteilung aufrührerischer Flugblätter wird intensiver; Staatspräsident Thomas wurde in Porto, wo er die größte Brücke des Landes einweihte, eisig empfangen; fast jede Woche werden Regimegegner verhaftet, und zwar auch Personen, die selbst die Polizei nicht als Kommunisten bezeichnet; Politiker aus der Zeit der demokratischen Republik, die noch ein gewisses Ansehen haben, richten Eingaben an Salazar, in denen sie besonders seine Überseepolitik kritisieren, und schließlich wird General Delgado, 1958 demokratischer Präsidentschaftskandidat, seither Führer eines Teiles der Emigranten, im nahen Algier Woh-sitz nehmen oder hat es bereits getan. Das alles kann natürlich das Regime nicht stürzen, die Beunruhigung im Land, die infolge Teuerung und Geldentwertung durch den Angola-Krieg bereits genügend groß ist, wird aber dadurch noch verstärkt.

Vertrauenskrise

Besonders hervorzuheben sind jedoch zwei weitere Tatsachen: Der Staatssekretär für Landwirtschaft, Aze-vedo Coutinho, sprach offen von einer Krise auf diesem Sektor, die er als Folge der allgemeinen wirtschaftlichen lezession bewertete. Zum anderen verkündete der Monarchistenführer da iousa, ebenfalls öffentlich, daß seine Organisation, die „Causa Monarquica“, :ine Art von kleinen Stoßtrupps gebildet habe, die auf allen Gebieten des jffentlichen Lebens Eingang suchen ind finden. Nach seiner Meinung aber cönne nur die traditionalistische und lutoritäre Monarchie den inneren :rieden und die überseeischen Besit-:ungen sichern. Zu der eingestandenen Wirtschaftskrise gesellt sich also eine Vertrauenskrise in den Reihen des Rehmes, da die „Causa Monarquica“ )isher stets, wenn auch nicht kritiklos, lie Staatsführung unterstützte. Salazar iber schrieb in der britischen Zeit-ichrift „International Affairs“ kürz-ich von der „Weltkrankheit“, die sich n der „Intoleranz (der Regierten) ge-lenüber der Autorität“ äußere. Sein ieilmittel ist, die Meinung der Auto-ität um jeden Preis durchzusetzen.

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