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Weißer, roter Kolonialismus

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Durch die Sperrung des Erdölhahnes für Amerika und Westeuropa wollen die Araberstaaten Washington zur Aufgabe der Hilfe an Israel zwingen. Was durch drei Waffehgänge, dann durch Terror zu Lande und zur Luft nicht gelungen ist, soll nun an der Energiefront erreicht werden. Die Organisation für Afrikanische Einheit liegt etwa auf derselben Linie, und die in Algier abgehaltene Konferenz der Blockfreien — der UNO-Generalsekretär Dr. Kurt Waldheim beiwohnte — ist trächtig von revolutionären, antieuropäischen Wünschen:

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Durch die Sperrung des Erdölhahnes für Amerika und Westeuropa wollen die Araberstaaten Washington zur Aufgabe der Hilfe an Israel zwingen. Was durch drei Waffehgänge, dann durch Terror zu Lande und zur Luft nicht gelungen ist, soll nun an der Energiefront erreicht werden. Die Organisation für Afrikanische Einheit liegt etwa auf derselben Linie, und die in Algier abgehaltene Konferenz der Blockfreien — der UNO-Generalsekretär Dr. Kurt Waldheim beiwohnte — ist trächtig von revolutionären, antieuropäischen Wünschen:

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Alles das macht klar, daß sich keine der Großmächte dazu verpflichtet hätte, ihre Hände aus dem Spiel um den Schwarzen Erdteil zu lassen. Da aber Amerika heute nur allzu offensichtlich überall auf dem Rückzug ist, hat der Kreml besonders in Afrika freie Bahn. Mit Ausnahme Tansaniens vielleicht, wo rotchinesische Guerilla-Instruktoren und Eisenbahntechniker ihre revolutionäre Visitenkarte (möglicherweise auch im benachbarten, portugiesischen Mocambique) auf explosive Weise präsentieren.

Das nördliche Somalia wird zur Stunde als Sowjetkolonie ausgebaut, mit Blickrichtung auf den Indischen Ozean, nachdem der Suezkanal auf weite Sicht hin unpassierbar bleibt. Beobachtet man die sogenannten Befreiungsbewegungen gegen die portugiesischen Überseegebiete Angola, Guinea und die Cap-Verde-In-seln, dann wird überall das alte Prinzip aus Korea und Vietnam eriennbar: das gilt besonders für 3-uinea und Cap Verde, deren „Befreier“ der örtliche KP-Chef Aristi-ies Pereira ist. Sein „Partido Afri-:ano de Independencia da Guine e Cabo Verde“ verfügt über die neuesten und besten Sowjetwaffen »anz Afrikas: sogar über Erde-Luft-riaketen, die portugiesische Militärlugzeuge vom Himmel herunter-lolen.

Warum aber diese außergewöhn-iche Mühewaltung und die emsige rerroristentätigkejt über die grüne Frenze vom benachbarten Senegal and von der Republik Guinea aus?

Diese Inselgruppe bildet den stra-;egischen Schlüsselpunkt zur Kon-xolle der Schiffahrt entlang der afrikanischen Westküste mit Ziel-Achtung in den Atlantik. Amerika-lische NATO-Strategen haben die 3edeutung dieser Zusammenhänge allerdings erst 1966 erkannt.

In dem Europa zugewandten Teil \frikas kommt Ägypten seit dem

Russenabzug und dem Dauer-Patt mit Israel geringere Bedeutung zu. Libyens Ghadafi indessen läßt seine Dlmilliarden (die Quellen sollen erst in 15 bis 20 Jahren versiegen) in die Pulverfässer der „Arabischen Revolution“ fließen. Verbündet mit Algeriens Boümedienne zog er die sogenannte Sahara-Befreiungsfront ,Morehob“ auf. Von ihr werden Terroristentrupps einerseits zur Erschütterung von Hassans marokkanischem Königreich, anderseits zur Provokation der zwischen Marokko und Mauretanien stationierten spanischen Armee entsandt. Es gilt, die Spanier nicht nur aus der phosphatreichen spanischen Sahara, sondern auch aus den Enklaven von Ceuta und Melilla zu vertreiben. Alle regulären, aber auch die Fremdenlegionseinheiten Spaniens sind bereits in Alarmzustand versetzt worden. Paradoxerweise soll aber auch Marokko die „Morehob“-Akti-vitäten mit Geld und Waffen beliefern. Hassan II. hat sich, darüber hinausgehend, anläßlich des jüngsten Treffens in Agadir — mit Algeriens Boümedienne und Mauretaniens Mochtar Ould Daddah zur Bekämpfung des „spanischen Kolonialismus“ verschworen. Gewiß, um durch solches Hochspielen eines äußeren „Feindes“ von inneren Schwierigkeiten abzulenken. Genauso, wie dies unlängst mit Mocambique geschah, ist nunmehr auch in der Sahara von „Massakern der spanischen Armee“ die Rede.

Willy Brandts „Entwicklungsminister“ Erhard Eppler meinte, es könne nicht geduldet werden, „daß Portugal die Beziehungen Europas mit Afrika vergifte“. Angesichts der psychologisch-politischen Lage drängt sich aber vielmehr eine Frage in der Gegenrichtung auf: importiert nicht Europa aus Afrika die Revolution und den Haß des Farbigen gegen den „weißen“ und „reichen“ Mann? Über die Fähren von Ceuta und Melilla reist der Großteil von etwa je 1,5 Millionen marokkanischen und algerischen Gastarbeitern nach Frankreich und in die Benelux-Staaten. Sie sprechen ein hartes Französisch und sagen ihrem europäischen Gesprächspartner auf Anhieb „Du“, um die Gleichberechtigung zu unterstreichen. Aus den Oasen und Dörfern kommend, wohin das Wasser bloß auf Kameloder Eselsrücken gelangt, freuen sich diese Farbigen wohl über das Europa-Geld, sie achten oder schätzen aber den Europäer weniger, als sie ihm gegenüber Minderwertigkeit und Bitternis empfinden. Man möge sich da nichts vormachen!

Die Brüsseler EWG-Runde mit 19 afrikanischen Ländern hat bewiesen, daß die Angereisten Gegenseitigkeit als Basis für jedwedes Abkommen zurückweisen; daß sie den „weißen Mann“ wohl hinauskomplimentieren, sein Geld jedoch hereinholen möchten. Bourguibas Tunesien bildet da noch eine Ausnahme... aber wie lange noch?

An Stelle des „weißen“ Kolonialismus drängt sich in Afrika unter verschiedensten Tarnungen immer offenkundiger ein „roter“ vor. Dadurch droht als allererstes eine bewaffnete Auseinandersetzung mit der spanischen und der portugiesischen Präsenz.

Die Blockfreienkonferenz von Algier sollte in diesem Sinne wirken. Zu jener in Belgrad sandte Österreichs Außenminister Kreisky (1961) keinen österreichischen Vertreter. Der Bundeskanzler Kreisky hält es heute (1973) anders.

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