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Prügel für den Kleinen

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Der israelische Botschafter in Mali, Ascher Hakeni, wurde unlängst in das Außenministerium der Hauptstadt Bamako zitiert. Dort erklärte ihm Malis Außenminister, Captain Charles Semba Cisako: „Die Tatsache, daß Israel neue Siedlungen in den besetzten Gebieten errichtet und Einwohner dieser Gebiete gezwungen hat, ihre Wohnorte zu verlassen und die Tatsache, daß Israel die Bevölkerung der besetzten Gebiete ausbeutet, hat die Regierung von Mali veranlaßt, die diplomatischen Beziehungen zu Ihrem Land abzubrechen." Der israelische Botschafter und sein Stellvertreter, die außer einem als UNO-Beamter tätigen Israeli die einzigen Israelis in Mali waren, packten eiligst ihre Koffer und reisten ab.

Mali ist der fünfte afrikanische Staat, der in den letzten zehn Monaten die diplomatischen Beziehungen zu Israel abgebrochen hat. Über Israels außenpolitische Beziehungen zu Afrika befragt, erklärte kurz darauf Außenminister Abba Eban: „Wir konnten unseren Kampf in Afrika nicht beginnen, ohne im voraus eventuelle Rückschläge mit einzukalkulieren. Die letzten Vorfälle in Afrika sind keine Krisenerscheinungen, sondern auf den Druck außenstehender Kräfte zurückzuführen. In Afrika gibt es acht arabische Staaten und eine weitere Anzahl von Staaten mit großen mohammedanischen Bevölkerungsteilen."

Es wäre leicht, den Abbruch der diplomatischen Beziehungen der Länder Uganda, Tschad, Kongo-Bra-zaville, Niger und Mali mit Israel auf arabischen Druck zurückzuführen. In Wirklichkeit ist die Situation eine andere, so daß der arabische Druck, der ohne Zweifel von großer Bedeutung ist, nur der letzte Katalysator für den Abbruch der Beziehungen zu Israel war.

Der afrikanische Traum Israels ist ausgeträumt Das ältere, erfahrenere Israel; das den jungeri afrikanischen Brüdern in Afrika Nachhilfeunterricht in Entwicklung gibt, erwies sich als eine schöne, der Wirklichkeit leider nicht staHdhaltende Idee.

Ende der fünfziger Jahre, kurz nach der Befreiung, akzeptierten viele afrikanische Staaten israelische Entwicklungshelfer in der Annahme, daß diese, im Gegensatz zu Russen, Amerikanern oder Engländern, als Bürger eines kleinen Landes keine imperialistischen Ambitionen hätten. Hinzu kam, daß die israelischen Entwicklungshelfer bescheidener als ihre Kollegen aus Europa und Amerika auftraten, und daß sie vor allem auch nach der Arbeit gesellschaftliche Kontakte zur afrikanischen Bevölkerung pflegten. Oft wohnten sie monatelang in Eingeborenenhütten und gaben durch Handanlegen bei der Arbeit ein gutes Beispiel, so daß sie im allgemeinen beliebt waren.

Doch zeigten die Israelis auch Nachteile. Sie nahmen Worte für bare Münze, besonders, wenn es sich um antiisraelische Abstimmungen in der UNO handelte. Es kam nicht nur einmal vor, daß befreundete afrikanische Staaten gegen Israel stimmten. Sie taten dies nicht aus Überzeugung, sondern nur, um sich nicht mit anderen Staaten — vor allem den arabischen — zu überwerfen.

Ein weiterer Nachteil der Israelis waren ihre begrenzten Finanzmittel. Die israelischen Entwicklungsprojekte waren zwar effektiv, konnten aber die wirtschaftliche Struktur der unterentwickelten Länder nicht ändern.

Die demokratischen Staatssysteme, die nach der Befreiung der einstigen Kolonien gegen Ende der fünfziger und gegen Anfang der sechziger Jahre entstanden, wurden in der Zwischenzeit längst von Militärdiktaturen abgelöst. Die dünne Intellektuellenschicht, zumeist ein Produkt des Kolonialsystems, wurde durch das alte Stammsystem, das sich nach außen hin einen modernen Anstrich gegeben hatte, abgelöst. Die Hoffnungen, mit der politischen Unabhängigkeit auch die wirtschaftlich-; Situation verbessern zu können, erfüllten sich nicht. Heute, 10 bis 15 Jahre später, sind die afrikanischen Staaten noch genauso arm oder ärmer als früher. Der Glaube, daß der weiße Entwicklungshelfer Wunder wirken könne, wurde zur Enttäuschung am weißen Mann im allgemeinen — also auch am Israeli.

Die Entwicklung der „marxistischen oder sozialistischen" Staaten in Afrika fiel zusammen mit der Enttäuschung über die allgemeine wirtschaftliche Situation. Suchte der die Regierung ausübende Vorgänger noch sein Heil im Westen, wollte es sein Nachfolger mit dem Osten, mit Rotchina oder der Sowjetunion versuchen. Zumeist kennen die linken Staatsoberhäupter die Schriften von Karl Marx genauso wenig wie ihre bürgerlichen Gegner.

Nun war es immer leichter, die diplomatischen Beziehungen zu einem so kleinen Land wie Israel abzubrechen, als zu Großmächten wie den Vereinigten Staaten von Amerika. Man bewies durch einen solchen Schritt seine Ergebenheit gegenüber dem Osten, ohne es sich dabei mit dem großen Amerika zu verscherzen.

In einigen Fällen wurden die Beziehungen zu Israel erst abgebrochen, nachdem die Israelis gebeten worden waren, größere Entwicklungsprojekte durchzuführen oder größere Finanzhilfe zu gewähren.

Israel hatte aber nicht die finanziellen Möglichkeiten hiezu und mußte diese Bitten abschlagen.

Hinzu kommt, daß die ölstaaten Libyen und Saudiarabien mit Geldern locken. Saudiarabiens König Feisal und sein libyscher Konkurrent Gaddafi bereisten die verschiedenen afrikanischen Staaten und machten Versprechungen. In Tschad versprach Gaddafi der dortigen Regierung, ihrer gegen den Staat rebellierenden moslemischen Minderheit keine Rückendeckung mehr zu geben. Uganda, Niger und Mali erhielten arabische Gelder.

Höchstwahrscheinlich werden in Zukunft noch weitere afrikanische Staaten ihre Beziehungen zu Israel abbrechen, denn mit den arabischen ölmillionären kann Israel nicht konkurrieren. Dies trotz der Tatsache, daß Israel derzeit 500 Afrikaner ausbildet und 300 Entwicklungshelfer in Afrika einsetzt.

Viel- hängt davon ab, was für ein Regime in dem jeweiligen afrikanischen Staat herrscht. So sind die Beziehungen Israels zu Äthiopien mehr als freundschaftlich. Der abessini-sche Kaiser Haile Selassie ist ein Freund und Verehrer Israels. Doch es stellt sich die Frage, was geschehen wird, wenn dieser greise Herrscher nicht mehr leben wird.

Heute bemüht sich die israelische Diplomatie um Einfluß in allen Kreisen der afrikanischen Gesellschaft, um nicht von politischen Strukturwandlungen abhängig zu sein. Doch auch dieser Weg kann nicht immer helfen, da der Machtkampf in Afrika nicht nur zwischen Israel und den arabischen Staaten, sondern auch zwischen dem Ost-und dem Westblock ausgetragen wird.

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