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Portugals Zukunft in Afrika

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Die gegen Portugal betriebene internationale Propagandakampagne hat bereits Maße erreicht, die eine objektive Beurteilung der Lage für jene, die sich darüber nicht an Ort und Stelle zu überzeugen versuchen/ unmöglich mä’cfien7’ Tpi’ “M ittelpmjkt dieser Propa- gfärldä -sfeheft-die iftflchhistheri Besitzungen Portugals und der sogenannte „Freiheitskampf” der Angolesen, Gui- nesen und Mozambikaner. Es wird dabei Portugal vorgewörfen, die Afrikaner zu unterdrücken, auszubeuten und eine gegen die Interessen der Eingeborenen gerichtete Politik zu führen.

Keine Rassentrennung

Portugal faßte in seinen wichtigsten afrikanischen Provinzen im Laufe des 16. Jahrhunderts Fuß, als 1554 in Mozambique die gegenwärtige Hauptstadt des Landes, Lourenco Marques, und 1575 in Angola die Hauptstadt Luanda, von portugiesischen Seefahrern gegründet wurden. Im Laufe von 400 Jahren entstanden eine Reihe von Städten und Märkten in diesen Ländern; die Eingeborenen nahmen den christlichen Glauben an, übernahmen vielerorts die Sitten und Lebensart der Portugiesen, und es entstand eine Gesellschaft, die keine Art von Rassentrennung kannte.

Leider steht jedoch nicht alles in der gleichen Weise so vorzüglich in dep ‘Afrikas, wenn man die dortigen Verhältnisse inft “edrdpäflcheS Äugerf ühtefSucht. Man kann den Portugiesen mit Recht vorwerfen, daß sie auf dem Gebiet des Schul- und Sozialwesens bis 1961 nur sehr wenig unternommen hatten. Dasselbe trifft jedoch auch andere Kolonialmächte, die in Afrika Besitzungen hatten. Auch wurde bis jetzt die Industrialisierung des Landes wenig beschleunigt, jedoch nicht weniger als anderswo in Afrika. Der Hauptvorwurf gegen Portugal betrifft jedoch nicht diese Fragen, sondern die Entschlossenheit der Portugiesen, in Afrika bleiben und das Schicksal ihres afrikanischen Territoriums auch in Zukunft selbst lenken zu wollen. Nach dem im Jahre 1961 gegen Angola verübten Überfall der Guerillas Holden Robertos, welcher die ganze Nation erschütterte, erwachte in Portugal ein Verantwortungsgefühl gegenüber den afrikanischen Provinzen,

Sie sind reine „Angolesen”

Die Neger bekennen sich entweder als Portugiesen, wenn man sie nach ihrer nationalen Zugehörigkeit fragt, oder dem Stamm nach, aus dem sie geboren sind. Die Stammeszugehörigkeit ist das stärkste politische Element, das man heute unter den schwarzen Eingeborenen in diesen Gebieten findet. Dies ist auch der Grund, warum „Angolesen” eigentlich nur im Ausland existieren und warum Holden Roberto, Führer der sogenannten „Angolesischen Volksbewegung” (UPA), oder der Kommunist Mario Pinto de Andrade, Chef der „Volksbefreiungsbewegung von Angola” (MPLA), in Angola selbst über keine größere Anhängerschaft verfügen. Ihre einander bekämpfenden Gruppen repräsentieren nicht die Bevölkerung Angolas, sondern kleine, in sich uneinige Interessengemeinschaften. Während Roberto noch in der günstigen Lage ist, wenigstens einem der auch in Angola vorhandenen Stämme, dem Bakongo-Stamm, zuzugehören, kann Andrade nicht einmal dies von sich behaupten, da er ein Mischling ist und von keinem Stamm anerkannt wird. Aber auch der mit einer Engländerin verheiratete Roberto war im ehemaligen Belgisch-Kongo aufgewachsen und ist mindestens so fremd in Angola, als es Lumumba war.

Armee und Eingeborene

Eine weitere Tatsache, von der sich ein jeder, der es will, selbst überzeugen kann, ist, daß Anhänger der Guerillas nur unter dem den Bakongo- Stamm angehörigen Mukongos zu finden sind. Die Mukongos machen jedoch nicht einmal 15 Prozent der Negerbevölkerung Angolas aus. Der stärkste in den mittleren Gebieten des Landes lebende Stamm, die Kimbundus — sie bilden etwa 40 Prozent der Bevölkerung sowie die im Süden des Landes beheimateten Ganguelas und Cuanhamas identifizieren sich mit den Aufständischen niemals. Sie stehe Einheit der..Eingeborepentrvppąn,si Angola, die gegen die Guerillas Robertos und Andrades, wenn es dazu kommt, jederzeit zu kämpfen bereit sind.

Das Verhältnis zwischen der Armee und den Eingeborenen ist überall herzlich. Die Neger selbst sehen in der Armee ihre Beschützer gegen die Terroristen. Etwa die Hälfte der 450.000 Flüchtlinge ist nach Angola zurückgekehrt. Sie wurden bewußt freundlich empfangen und in 1X9 neuerrichteten Dörfern angesiedelt, die jeweils etwa 3000 Einwohner aufnehmen können.

Sklaverei?

Eine andere Behauptung, daß Portugal in Afrika Sklaverei betreibt, wurde von dem zuständigen höchsten Forum der Welt, der Internationalen Arbeitsorganisation, widerlegt. Im Februar 1961, nachdem ausgerechnet Nkrumah von Ghana die Klage bei der Internationalen Arbeitsorganisation gegen Portugal eingereicht hatte, daß es Afrikaner durch Sklavenarbeit ausbeutet, ernannte die Organisation eine internationale Kommission, welche diese Angelegenheit an Ort und Stelle untersuchte. Der von der Kommission verfaßte Bericht sprach die Portugiesen von sämtlichen diesbezüglichen Anklagen frei.

Das politische Programm Portugals in Afrika besteht aus einem konstruktiven Plan. Es soll in den verschiedenen Provinzen eine auf vollkommene Gleichheit der Rassen aufgebaute Gesellschaft entstehen. Die Provinzen sollen mit der Zeit, mit gewissen autonomen Rechten ausgestattet, zu einem Teilstaat eines portugiesischen Commonwealth entwickelt werden. Während der letzten zwei Jahre wurde eine Reihe von Gesetzen geschaffen, welche von einem ehrlich gemeinten Reformgeist zeugen. Es soll hier das am 6. September 1961 erlassene Gesetz erwähnt werden, welches einem jeden Einwohner der afrikanischen Provinzen die portugiesische Staatsbürgerschaft sichert und damit das aus dem Zeitalter des Kolonialismus stammende „Eingeborenenstatut” aufhebt. Weiter wurde ein Gesetz gebracht, welches die Arbeitsverhältnisse und die Löhne im modernen Sinn regelt.

Der Rückstand ist noch groß

Nennenswerte Fortschritte kann man auch auf dem Gebiet des Gesundheitswesens feststellen. Auf je 13.000 Einwohner kommt heute in Angola ein Arzt. Hingegen entfallen in Ghana im Sudan 44.000, in Nigerien in Sierra Leone 66.000, in Äthiopien sogar 105.000 Personen auf einen Arzt. Lepra, Schlafkrankheit, Pocken, Krankheiten, die früher die Bevölkerung dezimiert hatten, sind gebannt.

Im großen und ganzen kann behauptet werden, daß Portugal in Afrika eine vom Mutterland mit vielen Opfern verbundene konstruktive Arbeit leistet. Deshalb ist die Frage berechtigt, ob die gegenwärtige portugalfeindliche Kampagne sinnvoll ist und ob diese den Interessen der Einwohner der Überseeprovinzen und dem Weltfrieden dient. Wäre es vielleicht nicht humaner und für alle Fälle vorteilhafter, die hier geschilderte positive Entwicklung zu unterstützen und diese zu beschleunigen? Denn was würde geschehen, wenn es politischen Abenteurern vom Schlage eines Robertos oder eines Andrades mit Unterstützung

W aüs mm GebieW2 tÄi? Erstens würde ein politisches und wirtschaftliches Chaos in den betroffenen Ländern entstehen, unter dem am meisten die eingeborene Bevölkerung selbst zu leiden hätte. Das dadurch verursachte Vakuum müßte schleunigst ausgefüllt werden, um eine völlige Anarchie zu vermeiden. Wer würde das tun? Die Vereinten Nationen sind heute nicht einmal mehr in der Lage, die Kongo-Aktion zu finanzieren. Es würde in Angola, in Mozambique und in Portugiesisch- Guinea nicht nur ein zweites Kongo entstehen, sondern dies würde es auch der Sowjetunion und China ermöglichen, in Afrika Fuß zu fassen, das entstandene Vakumm auszufüllen und den ersehnten Brückenkopf auf dem schwarzen Kontinent zu errichten.

Die Folgen für das Mutterland

Die konstruktive Politik Portugals in seinen afrikanischen Gebieten ist gegen niemanden gerichtet. Deshalb müßte sie seitens des Westens unbedingt unterstützt werden.

Eine solche Politik würde dem Westen ermöglichen, wohlwollenden Einfluß auf die portugiesische Regierung auszuüben und diese für die dringend notwendigen Sozialreformen in Portugal selbst zu beeinflussen, ohne welche eine Gesundung im Südwesten Europas nicht denkbar ist. Mit der gegenwärtigen kurzsichtigen und von Propagandaslogans diktierten Politik des Auslandes wird Portugal mehr und mehr in eine Isolierung hineinmanövriert. Diese wird aber zu einer noch stärkeren Unnachgiebigkeit des Regimes führen.

Portugals Zukunft liegt in Afrika. Wenn die Portugiesen in Afrika von ihren Verbündeten verlassen werden, so würde dies nicht nur für ihr Land, sondern auch für Europa, Afrika und den ganzen Westen folgenschwere Auswirkungen haben.

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