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Unter Freunden in Afrika

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AFRIKA IST NICHT VERLOREN. Schwarz und Weiß — Partner, nicht Feinde, Von Otto Habsburg. Herold-Verlag, Wien-München, 1964. 31 Selten, 9 Karten. Preis 132 S.

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AFRIKA IST NICHT VERLOREN. Schwarz und Weiß — Partner, nicht Feinde, Von Otto Habsburg. Herold-Verlag, Wien-München, 1964. 31 Selten, 9 Karten. Preis 132 S.

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Der Titel dieses ungemein lesenswerten Buches deckt sich nicht ganz mit dem Inhalt, denn es befaßt sich nur mit den altkolonisierten spanischen und portugiesischen Gebieten Afrikas, die für dessen Hauptprobleme, wie Selbstverwaltung ohne dessen Voraussetzungen oder die Auseinandersetzung der Schwarzen mit den Braunen im Norden und den Weißen im Süden nicht entscheidend sind. Der Untertitel zeugt vom Optimismus des Verfassers; gewiß sollten und könnten die Schwarzen und Weißen nicht Feinde, sondern Partner sein — wirtschaftlich und gegen die gemeinsamen Feinde. Aber folgt die Entwicklung unserer Zeit der Vernunft, richtet sie sich nach dem wahren Nutzen der Völker? Ganz im Gegenteil geschieht in der Regel das, was der Vernunft und diesem Nutzen widerspricht.

Nun der unverwüstliche, in der Religion wurzelnde Optimismus des Verfassers kann an die Auswirkung konstruktiver Kräfte im Chaos Afrikas glauben und in allen Menschen, denen er begegnet, nur die besten Eigenschaften erkennen. Mit ganz außerordentlicher Liebe zu Land, Menschen und Tieren wird zuerst in den weniger bekannten spanischen Gebieten auf historischen und menschlichen Grundlagen die fruchtbare Synthese spanischer Verwaltung mit den Eingeborenen erforscht. Jahrhundertealte Bindungen mögen ein Vertrauen erweckt haben, das im Heimatlande durch wiederholte Revolutionen erschüttert wurde. Weiter weg von Madrid mag die Verwaltung auch einsichtsvoller sein, so scheinen zum Beispiel die Protestanten in den spanischen Kolonien wesentlich besser behandelt zu werden als im Mutterland (S. 147).

Harte und wahrscheinlich berechtigte Worte fallen gegen das „American Committee on Africa“, das bei einem Teil der Mitglieder aus Berechnung, bei einem ändern Teil aus fehlgeleiteter Gefühlsduselei eine herostratische Tendenz in die Wirren Afrikas hineintrüge und finanziere (S. 174).

Der zweite Teil des Werkes ist den portugiesischen Gebieten gewidmet, welche von einer verlogenen Propaganda bei der UNO mit Südafrika in einen Topf geworfen werden, obwohl sie — nicht erst seit Gründung von Völkerbund und UNO, sondern seit Jahrhunderten — gerade das vermieden haben, was man der Südafrikanischen Union mit Recht vorwerfen kann. Wer ist der Führer in diesem mit unehrlichen Mitteln geführten Kampf?

Ghana, das selbst die ärgsten Gesetze Südafrikas und Hitlers angenommen hat! Die Blamage, die es sich mit seinen grundlosen Angriffen auf die Arbeitsverhältnisse in den portugiesischen Gebieten in einer Untersuchung des Internationalen Arbeitsamtes zugezogen hat, ist auf S. 291 ff. treffend geschildert.

Mit dem am Verfasser bekannten Mut, mit dem er populäre Mythen zerstreut, spricht er es aus, daß die Europäer sich für ihre Leistungen in Übersee gar nicht entschuldigen oder sich ihrer schämen brauchen, wie eine stete und laute Propaganda behauptet (S. 194). Zur Stütze dieser Auffassung sei beigefügt, daß sie den Völkerschaften unendlich mehr an Sicherheit und Wohlstand gebracht haben als deren heimische Herrscher. Eine gute Illustration bietet das Programm eines radikalen Negerführers, der seine gemäßigteren Kollegen als „Feiglinge, die Angst vor Blutvergießen haben“ angreift. „Unser Kampf gilt nicht dem Ziele, besser zu leben, dem Wohl des Volkes zu dienen (sic!) oder den Standard der Weißen zu erreichen. Wir werden Wilde sein, ja, aber mächtige Wilde! Das Wort .Schwarze“ soll die Welt erschüttern! Die Portugiesen werden als erste unseren Zorn verspüren. Was immer sie für die Rassenintegration tun, wird nichts daran ändern. Wir sind die Herren von morgen!“ (S. 195). Wer die UNO beobachtet, muß sich manchmal fragen, ob hier nicht deutlich und unvorsichtig ausgesprochen wurde, was manche Ver-

treter Afrikas im Unterbewußtsein herumtragen mögen, ohne es sich vielleicht selbst einzugestehen. Das führt zu einer Politik, die nicht etwa „Völker zu einer Entscheidung äufruft, sondern ihnen fremde sogenannte Vertreter aufdrängt, die in fernen Großstädten von afrikanischen Großmächten bestimmt werden“ (S 227). Die Unehrlichkeit zeigt sich darin, daß immer nur von Greueltaten der Portugiesen gesprochen wird, die angesichts der viehischen Taten eindringender Rebellen, der aufgeschlitzten Bäuche von Frauen und Kindern, zersägten Männern, geblendeten Kinder, die mit abgehackten Händen Schlangen und wilden Tieren preisgegeben wurden, eine schier übermenschliche Zurückhaltung zeigen, während diese Bestialitäten, die sich meist gegen schwarze Bürger Portugals richten, mit verlogener Heuchelei verleugnet oder entschuldigt werden.

Die Blindheit für die Hautfarbe, die in den portugiesischen Gebieten herrscht, wird durch die Ansprache eines Negerhäuptlings, der seine Verwandtschaft von einem Braganza herleitete, an den Habsburger illustriert, dessen Großmutter eine Braganza war: „Wir begrüßen Euch als Verwandten und Freund, da in Euren Adern das gleiche Blut fließt wie in unseren“ (S. 255).

Würden die Länder von Männern geleitet, wie es der Verfasser dieses Buches einer ist, dann wäre sein Optimismus berechtigt. Solange das nicht der Fall ist, kann man nur auf Wunder hoffen, die ihm recht geben mögen — wie sie einige Male, aber nur selten, in der Weltgeschichte auftnuchten.

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