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Fremde, abenteuerliche Welt

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LULANGA — STROM OHNE WIEDERKEHR. Roman von Margret R u y t e r. Hans- Deutsch-Verlag, Wien-Stuttgart-Basel, 1964. 32 Selten. — LOLOMEI. Von Sadio G a r a- vini di Turno. Aus dem Italienischen übersetzt von Winfried L e i p o 1 d. R.-Piper-Verlag, München, 1963. 215 Seiten. Preis 17.8 DM. - SIPURI. Roman von Errol Brathwaite. Aus dem Englischen übersetzt von Johann Hoffmann- Herreros. Matthlas-Grünewald-Verlag, Mainz, 1963. 300 Seiten. Preis 14.80 DM.

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LULANGA — STROM OHNE WIEDERKEHR. Roman von Margret R u y t e r. Hans- Deutsch-Verlag, Wien-Stuttgart-Basel, 1964. 32 Selten. — LOLOMEI. Von Sadio G a r a- vini di Turno. Aus dem Italienischen übersetzt von Winfried L e i p o 1 d. R.-Piper-Verlag, München, 1963. 215 Seiten. Preis 17.8 DM. - SIPURI. Roman von Errol Brathwaite. Aus dem Englischen übersetzt von Johann Hoffmann- Herreros. Matthlas-Grünewald-Verlag, Mainz, 1963. 300 Seiten. Preis 14.80 DM.

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Drei Autoren aus verschiedenen Ländern setzen sich in den hier vorliegenden Romanen mit den Methoden der Zivilisierung primitiver Völker auseinander, mit den Problemen auch, die aus der nahen Begegnung verschiedener Rassen beinahe zwangsläufig erwachsen. Gemeinsam ist ihnen zudem, daß sie nach Möglichkeiten der Überwindung dieser Konflikte suchen.

Margret Ruyter, die die Lage in Südafrika aus eigener Erfahrung kennt, gibt in ihrem Buch „Lulanga — Strom ohne Wiederkehr“ ein ausgezeichnetes Bild der vs n Haß und Angst vergifteten Beziehungen zwischen der weißen und farbigen Bevölkerung ; vom Terror der herrschenden Schicht, und der schwermütigen Geduld der Opfer, in die sich Anzeichen von Zorn und Auflehnung mischen. Sie versteht es, die für Südafrika so verhängnisvollen Probleme der Rassentrennung aus der Perspektive abstrakter Theorien in den Schicksalsraum tragischer menschlicher Erfahrungen und Leiden hineinzuheben.

Wir werden zunächst mit dem ursprünglichen, von westlicher Zivilisation und Christentum noch unberührten Afrika konfrontiert und erleben dann die fragwürdigen Methoden der Kolonisation und Missionierung im alten Land der Zulus. Aber, bei aller Klage und Anklage der Eingeborenen gegen die weißen Eindringlinge, die erfüllt ist von Sehnsucht nach der noch heilen Welt der Ahnen, vom Kummer um die alten zerstörten Traditionen, geht es hier doch darum, den Wall des gegenseitigen Mißtrauens zu durchbrechen, eine tragfähige Brücke zwischen den ! Rassen zu bauen. Umshlolo Uverzi, der Sohn des letzten Zulukönigs, : und Esther Bedwell, die Tochter eines englischen Missionars, gehen diesen Weg der Liebe. Sie werden beide Opfer ihrer Bemühungen, für die im heutigen Südafrika kein Raum ist, und Margret Ruyter läßt keinen Zweifel darüber, daß noch viele solche reinen Opfer für eine menschlichere Menschheit zu bringen sein werden. Ähnlich wie Alan Paton in seinem Buch „Cry, The Beloved Country“, oder wie Nadine Gordimer in ihren Südafrika-Romanen, setzt sie sich ein, für einen neuen Weg des Vertrauens und Verstehens, der allein eine bessere Zukunft garantiert.

Der italienische Weltenbummler Garavini di Turno hat uns mit „Lolomei“ ein Buch beschert, zu dem er vorweg erklärt, daß die abenteuerlichen Geschehnisse, die er schildert, „wahr und authentisch“ seien. Der Erzähler berichtet in der Ichform von seiner Expedition in ein von Weißen noch nicht ganz erschlossenes Urwaldgebiet nahe der brasilianischen Grenze. Die dort lebenden Indios, noch völlig unzivilisierte Taurepan, nehmen ihn freundlich auf, geben ihm sogar das Eingeborenenmädchen Lolomei zur Frau und helfen ihm bei seiner Diamantensuche. Diese, zunächst Ziel des Unternehmens, wird ihm schnell unwichtig; er gibt sich völlig der überwältigenden Erfahrung des einfachen Lebens in der Wildnis hin. „Der Umgang mit der Natur erfüllte mich, fast schäme ich mich, es auszusprechen, mit einer wahren Glückseligkeit Mein Herz hatte Frieden gefunden “ Aber die Idylle ist von kurzer Dauer. Nach dem frühen Tod Lolomeis locken wieder die Diamanten, der Reichtum, den sie versprechen. Der Held bringt andere Abenteurer in den Urwald, dunkle, von Schatzfieber gepackte Existenzen, die die friedliche Welt der Taurepan vergiften. Ihr Häuptling Antu erkennt die Gefahr und führt seinen Stamm fort aus der alten Heimat in den unzugänglichen Dschungel, dorthin, wo es keine Weißen gibt, kein Geld, keinen Alkohol, keine Diamanten und keine Glücksritter.

Garavini versteht es, den Leser die große Schuld ahnen zu lassen, die weiße Eroberer gegenüber primitiven Völkern auf sich genommen haben. Er schildert unvergleichlich den Zauber der unberührten Wildnis und eines ursprünglichen, unmittelbaren Daseins. Seine bildhafte, kraftvolle Sprache erfaßt prägnant eine uns fremde Wirklichkeit und verfügt zugleich über die Mittel, jene Regionen des unbewußten Lebens transparent zu machen, die in seiner Handlung einen breiten Raum einnehmen.

Der neuseeländische Autor Errol Brathwaite erzählt in dem Roman „Sipuri“ eine spannende Episode aus dem letzten Krieg zwischen Japanern und Eingeborenen auf einer Insel im Pazifischen Ozean. Er rückt dabei ein in der Literatur selten behandeltes Problem in den Mittelpunkt: nämlich den Versuch gewaltlosen Widerstands einer Gruppe, die das Gebot „Du sollst nicht töten“ wörtlich versteht, als eine wesentliche Maxime christlichen Daseins, das ohne ihre Verwirklichung an Glaubwürdigkeit verliert.

Der japanische Hauptmann Itoh verfolgt mit einer Patrouille von Marinesoldaten die Besatzung eines über dem Eiland Bougainville abgestürzten amerikanischen Flugzeugs und gerät bei seiner Expedition in ein christliches Eingeborenendorf hoch in den Bergen, dessen Bewohner in dem Krieg zwischen Fremden, in den man sie hineinzuziehen versucht, strikte Neutralität bewahren. Sie stehen immer auf der Seite der Opfer gegen die Repräsentanten der Macht und Gewalt. Brathwaite macht eine eindringliche psychologische Studie aus dem inneren Kampf zwischen Sedu, dem Dorfvorsteher, und seinem Gegenspieler, dem japanischen Hauptmann, der zum Sklaven der nackten Gewalt geworden ist und schließlich einzusehen beginnt, daß es andere, stärkere Kraftquellen gibt als diese. Aber er vermag seine Einsicht nicht zu realisieren, sieht für sich, nach dem Tod seiner Soldaten bei der sinnlosen Verfolgung der Amerikaner, nur den Ausweg des Selbstmords. Die Macht eines Ohnmächtigen hat ihn besiegt, freilich anders, als dieser es wünschte.

Das ausgezeichnet geschriebene Buch eröffnet gerade dem europäischen Leser neue Perspektiven, erinnert ihn an die Unzulänglichkeit eines Christentums, das nicht durch die Existenz bezeugt wird.

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