7085514-1994_13_10.jpg
Digital In Arbeit

Bleibt Afrika am Ende sich selbst überlassen?

19451960198020002020

Hunger, Anarchie, Bürgerkrieg... Die Ereignisse in Somalia zeigen exemplarisch, warum Nord und Süd manchmal nicht zueinander finden können.

19451960198020002020

Hunger, Anarchie, Bürgerkrieg... Die Ereignisse in Somalia zeigen exemplarisch, warum Nord und Süd manchmal nicht zueinander finden können.

Werbung
Werbung
Werbung

Die Planung und Durchführung der militärischen Operation „Restore Hope" der UNO unter der Führung der Amerikaner in Somalia stellte sich bald als eine Abfolge von Fehlentscheidungen heraus. Nach sechs Wochen sollten die US-Boys wieder zu Hause sein. Was sollte nach Einschätzung des damaligen Präsidenten George Bush auch schiefgehen beim Absichern von Hilfslieferungen in dem an Hunger imd Bürgerkrieg verblutenden Land am Horn von Afrika...

Der Hunger vrarde bekäiru)ft. Doch die erwartete Dankbarkeit blieb aus. Und erst recht die Kooperationsbereitschaft der Somalier. Im Gegenteil: Irritierende Fernsehbilder von steinewerfenden Kindern, Haßausbrüchen, toten UNÖ-Solda-ten und Einheimischen gingen um die Welt. Unversehens sahen sich die Blauhelme in die Rolle rüder Besatzer gedrängt. Ganz unspektakulär haben sich in diesen Wochen die westlichen Truppen wieder davongemacht (siehe Seite 1)

Zu schlecht war die Vorbereitung, heißt es jetzt, zu wenig wußte man über das Land. Kulturelles Unverständnis und Mißtrauen hier wie dort. Wer kann denn wirklich verstehen, daß ein offensichtlich machtgieriger und grausamer Rebellen-nihrer und Kriegstreiber wie Aidid mehr Ansehen genießt als die Helfer mit den guten Absichten? Kopfschüttelnd brachte es ein deutscher Offizier auf den Punkt: Somalia sei in Wahrheit nicht zu helfen. „Hier versagt die westliche Logik. Es bleibt nichts anderes übrig, als dieses Land sich selbst zu überlassen."

Wirklich? Ist Pessimismus die bittere Lehre aus dem Somalia-Einsatz?

Die Schlagzeilen der letzten Monate verstärkten tatsächlich das Gefühl d«|į Hoffnungslosigkeit, was Afrika "'^^l^fft: Hungemtastrophe im Sudąoi 'Massaker iiö' zentralafrikanisch©^ Bimindi, Bürgerkriege in Ghana, Angola, Liberia, Ruanda .... Tragödien spielen sich ab. Kann hier überhaupt noch geholfen werden?

ALTE PAROLEN KEHREN WIEDER

Dabei sitzt Afrika schon längst auf einer schiefen Ebene. Die ehemals kommunistischen Länder sind wirtschaftliche Hoffnungsträger, das Interesse am Schwarzen Koatinent erlahmt. Seit Beendigung des Ost-West-Konfliktes hält auch niemand mehr schützend die Hand über „befreundete" Regierungen.

Auch scheint die jahrzehntelange Entwicklunghilfe in den Sand gesetzt worden zu sein. Derm die Wirtschaftsstatistiken vermelden wenig Positives. Der neue Atlas der Weltbank weist beispielsweise unter den zehn ärmsten Ländern der Welt acht afrikanische Staaten aus.

Warum greift die wirtschaftliche Modernisierung nicht? Erklärungen sind meist rasch zur Hand: Es ist die parasitäre Elite, eine wuchernde und unfähige Bürokratie, es sind kulturelle Zwänge, koloniale Strukturen, die die Wirtschaft nicht wachsen und gedeihen lassen.

Alte Rezepte tmd Parolen kehren wieder: Jedes Land muß seine eigene Ordnung finden. Somalia muß sich selbst helfen, sagen jetzt auch viele westliche Konmientatoren. Wenn die Mehrheit der Somalier wirklich Frieden wolle, müsse sie halt auch entsprechende Zeichen setzen. Derm einer Gesellschaft, die nicht bereit ist, sich selbst zu helfen, der kann auch nicht geholfen werden. Klingt „logisch". Aber gerade in Somalia ist so ein Versuch fehlgeschlagen. Als der „Präsident" Siad Barre - selbst ein Putschist - im Jänner 1991 gestürzt wurde, nahmen die unverständlich-brutalen, blutigen Gefechte der Clans kein Ende.

Afrika braucht Hilfe von außen. Aber welche? Überall predigen die Experten: Menschen kommen nur miteinander aus, werm sie Empathie enwickeln, also sich in den anderen hineinversetzen körmen. Das gilt wohl auch für Gesellschaften.

Sinnvolle Hilfe karm daher nur aus Maßnahmen bestehen, die die Adressaten auch verstehen und wollen. Daher ist es nötig, daß man sich ein Bild macht von den wahren Bedürfnissen. Wollen die Afrikaner sein wie wir? Oder nur haben, was wir haben? Oder etwas ganz anderes? Das müßte erst noch eirmial ermittelt werden. Das klingt seltsam, schließlich haben sich unzählige Institute weltweit mit Entwicklungshilfe beschäftigt. Aber offensichthch waren die Überlegungen doch nicht so zielführend, vfie man hoffte.

Keinesfalls darf Afrika sich selbst überlassen werden. Das karm nicht die Lehre aus Somalia sein.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung