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Kolonialismus als Sündenbock
In das am Nüufer gelegene Konferenzzentrum der sudanesischen Hauptstadt Khartum ist wieder Ruhe eingekehrt. Tagelang tobten in den pompösen Räumlichkeiten der „Freundschaftshalle“ erbitterte Redeschlachten, bezichtigten einander afrikanische Staatschefs gegenseitig der Aggression, kam es sogar zu Handgreiflichkeiten, als der drei Zentner schwere Joshua Nkomo, Co-Führer der Patriotischen Front Rhodesiens, revolutionäres Gehabe praktizierte und einem arabischen Photographen seine Kamera aus der Hand schlug: Die 15. OAU-Gipfelkonferenz hatte getagt. 29 Staats- und Regierungschefs des Kontinents waren zusammengekommen, um über die afrikanischen Probleme zu beraten. Sie gingen wieder auseinander, nachdem die einen ihren marxistischen Phrasenballast abgelegt, die anderen diesen revolutionären Wortklaubereien mit gemäßigteren Argumenten entgegenzuwirken versucht hatten, freilich ohne dabei einen Effekt zu erzielen.
Da war wie schon seit 1963 in Addis Abeba - wo die erste dieser Veranstaltungen stattfand - die Rede von „demokratischen Prinzipien“, von „Selbstbestimmung“, von „Abwehr des Neokolonialismus“ -zumeist gefordert von jenen halbmarxistischen afrikanischen Staatsoberhäuptern, die solches in ihrem eigenen Land am wenigsten praktizieren. Unnötig festzustellen, daß dabei Angolas Staatschef Ago-stinho Neto den „imperialistischen Block“ verteufelte, der Vertreter Äthiopiens, Außenminister Felek Geldegiorghis, auf dem afrikanischen Kontinent überall „neokoloniale Manöver westlicher Imperialisten“ ortete, welche die „für Freiheit und Gleichheit kämpfenden revolutionären Kräfte bedrohen“.
Geldegiorghis sprach diese Worte wahrscheinlich ''nur,' “damit “der TASS-Korrespondent wörtliche Rede in seinem Bericht für Moskau verwenden konnte. Andere, einstmals glühende Verehrer der Sowjets wie Somalias Staatschef Siad Barre, haben mit Moskau andere Erfahrungen gemacht. Barre: „Wir sind durch die Manöver des russischen Imperialismus desillusio-niert worden: Er hat dieselben Ambitionen wie der Imperialismus der alten Kolonialmächte!“
Es war nicht nur Frage der Einmischung ausländischer Mächte, die die Gemüter in Karthum erhitzte, wobei dieses Problem sicher ein zentrales Problem für den Kontinent darstellt. Ein Problem allerdings, das die Afrikaner selbst verschuldeten: Wer ruft denn Kubaner, Ostdeutsche, Sowjets, Franzosen oder Belgier ins Land? „Für den vermeintlichen oder tatsächlichen Schutz vor Aggression, für expansionistische militärische Pläne oder einfach Sicherung des eigenen Regimes irüsten die afrikanischen Länder auf, suchen sich dafür Alliierte in Ost und West und schlittern dabei nicht nur in neue Abhängigkeiten, sondern rufen gerade jene Interventionskräfte herbei, die sie in der Konferenzrethorik allesamt zur Hölle wünschen“, kommentierte der Afrika-Korrespondent der „Süddeutschen Zeitung“ das ganze Dilemma.
Bei den innerafrikanischen Themen, dem Westsahara-Problem, den Streitereien zwischen Libyen und dem Tschad, dem Konflikt zwischen Somalia und Äthiopien und den vielen anderen ungelösten zwischenstaatlichen Unstimmigkeiten sind die Teilnehmer der OAU-Kon-ferenz ebenfalls keinen Schritt weitergekommen. Einig sind sie sich eigentlich nur in zwei Punkten: bei der Verurteüung Südafrikas und Rhodesiens und bei der Sünden-bocktheorie, wonach der Kolonialismus vergangener Tage für alles Übel auf dem Kontinent verantwortlich sei. Das ist beüeibe zu wenig.
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