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Keine Waffen für Nigeria

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Obwohl es während des Papstbesuches in Kampala nicht gelang, beide kriegführenden Parteien im Nigeriakrieg gemeinsam an den Verhandlungstisch zu bringen, setzt Papst Paul VI. sein zielbewußtes Ringen um die Beendigung des Krieges fort, das auch nach seiner Rückkehr aus Afrika jetzt vom Oberhaupt eines neutralen, beiden Kriegführenden genehmen schwarzafrikanischen Staates unterstützt wird. Um als unparteiischer Vermittler auftreten zu können, hatte es der Papst vermieden, die nigerianische Bundesregierung und den Bereich der Sezessioni- sten zu besuchen, um eine Deutung eines Besuches bei Ojukwu als Anerkennung der Sezession zu verhindern. Ojukwu ist Katholik und hat nichts unversucht gelassen, um in früheren Stadien des Bürgerkrieges katholische Kreise in aller Welt zur Förderung der Sezession zu veranlassen.

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Obwohl es während des Papstbesuches in Kampala nicht gelang, beide kriegführenden Parteien im Nigeriakrieg gemeinsam an den Verhandlungstisch zu bringen, setzt Papst Paul VI. sein zielbewußtes Ringen um die Beendigung des Krieges fort, das auch nach seiner Rückkehr aus Afrika jetzt vom Oberhaupt eines neutralen, beiden Kriegführenden genehmen schwarzafrikanischen Staates unterstützt wird. Um als unparteiischer Vermittler auftreten zu können, hatte es der Papst vermieden, die nigerianische Bundesregierung und den Bereich der Sezessioni- sten zu besuchen, um eine Deutung eines Besuches bei Ojukwu als Anerkennung der Sezession zu verhindern. Ojukwu ist Katholik und hat nichts unversucht gelassen, um in früheren Stadien des Bürgerkrieges katholische Kreise in aller Welt zur Förderung der Sezession zu veranlassen.

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Seine Einflußnahme in dieser Richtung war so groß, daß verläßliche Gewährsmänner aus Lagos berichten, daß dort nicht nur muselmanische, sondern auch christliche Kreise den Eindruck gewannen, daß die „Christen” im Ausland die Sezession weitgehend billigten und unterstützten. Solche Vorwürfe wurden in Lagos — und nicht nur in Regierungskreisen — auch gegen andere Glaubensbekenntnisse erhoben. So wurde zum Beispiel eine Botschaft anglikanischer Bischöfe und Priester mit dem Wortlaut „Wir senden den Führern Nigerias und Biafras christliche Grüße” als Beweis einer nichtneutralen Haltung interpretiert. Ein maßgebender nigerianischer Kommentar hiezu lautete: „Aus einer solchen Botschaft geht hervor, daß die Verfasser dieses Grußes Nigeria und Biafra als zwei verschiedene Staaten ansehen und damit die Sezession anerkennen. Dadurch machen sich die anglikanischen Verfasser dieser Botschaft eines Neutralitätsbruches schuldig und verletzen die christlichen Interessen in Nigeria.”

Der Papst, der schon vor Monaten gemeinsam mit katholischen Erzbischöfen und Bischöfen aus allen Teilen Nigerias Gottesdienste mit Gebeten für den Frieden in Nigeria zelebrierte, betrachtet die Tragödie in Nigeria als ein furchtbares Unglück, das nicht nur auf die von ihr unmittelbar betroffenen Gebiete, sondern auf ganz Afrika und auf die gesamte Menschheit seinen Schatten wirft. Er weiß auch, daß die unerläßliche Vorbedingung für eine auch nur einigermaßen erfolgversprechende Vermittlung zwischen den Kämpfenden die Glaubhaftigkeit der völligen Neutralität der auf eine Versöhnung hinarbeitenden Kräfte ist. Ähnliche Erwägungen bestimmen ja auch seit kurzem die Haltung Washingtons. So wurde dort nach einer Bekanntgabe aus Lagos vor kurzem erklärt, daß die Vereinigten Staaten keine Unterstützung und Anerkennung Ojukwus beabsichtigen. Dies bezweckt zweifellos die Schaffung einer besseren Ausgangsposition der USA bei Friedensgesprächen in Afrika.

In vielen afrikanischen Staaten werden die gegenwärtigen Initiativen der katholischen Kirche zur Beile gung des Bürgerkrieges in Nigeria freudig begrüßt. Die Befürchtung einer zunehmenden „Balkanisierung” Afrikas durch Nachahmungen des von „Biafra” gegebenen Beispiels in anderen Teilen des Schwarzen Erdteiles wurden vor kurzem auch vom mauretanischen Außenminister Hadi Ould Mouknas bestätigt. Andere afrikanische Staatsmänner, unter ihnen auch das Staatsoberhaupt eines schwarzafrikanischen Staates, mit dem der Verfasser dieses Artikels in Verbindung steht, äußern ähnliche Befürchtungen. Die Tatsache ist bemerkenswert, daß auch der Papst bei seiner Zusammenkunft mit afrikanischen Bischöfen in Kampala diese ausdrücklich auf die Gefahren „einer egoistischen Stammespolitik” und willkürlicher Abtrennung von größeren Staatßgebil- den aufmerksam machte.

Was wird jetzt geschehen?

Ein sehr gut informierter, unparteiischer Kenner Afrikas sagte einem unserer Gewährsmänner: „Die Initiative des Papstes ist lobenswert. Sollte aber trotzdem keine Einstellung der Feindseligkeiten Zustandekommen, so bliebe den Kämpfern für den Frieden nichts anderes übrig, als direkt an den guten Willen der Länder, die die Kriegführenden mit Waffen beliefern, zu appellieren.” „Jeder Kenner der Lage”, fügte er hinzu, „weiß, daß der Widerstand der Sezessionisten von der französischen Waffenhilfe abhängig ist. Daher sollten alle Persönlichkeiten und Kräfte, die die Beendigung des Bürgerkrieges herbeiführen wollen, England veranlassen, sich mit Frankreich ins Einvernehmen zu setzen, damit Vertreter Englands und Frankreichs gemeinsam an Friedensgesprächen teilnehmen, in die sich dann früher oder später auch die Sowjetunion einschalten könnte.” Bei seiner Suche nach einer praktischen Lösung mit unmittelbaren Auswirkungen hat sich der Papst vor seinem Abflug nach Afrika für einen Waffenstillstand in Nigeria als ersten Schritt zur Beilegung des Bürgerkrieges ausgesprochen, und zwar auf der Grundlage eines Kompromisses, „wenn nötig mit der Garantie der Einhaltung des Waffenstillstandes durch eine völlig neutrale schwarzafrikanische Macht”.

Das Ringen des Papstes um die Beendigung des Bürgerkrieges in Nigeria, bei dem oft an einem einzigen Tag mehr Menschen sterben als in zwei Wochen Vietnamkrieg, und sein Eintreten für Unparteilichkeit als Vorbedingung zu erfolgversprechenden Friedensverhandlungen, wird von allen wahren Freunden Afrikas anerkannt und begrüßt. Außerdem kann wohl der Papst mit Genugtuung feststellen, daß die schwarzafrikanische Geistlichkeit seine Initiativen, und nicht nur in Afrika, rückhaltlos billigt und daß, wie aus manchmal sogar sehr scharfen Äußerungen afrikanischer Kardinale und Bischöfe hervorgeht, auch gewisse Widerstände gegen den Papst in anderen Kontinenten von afrikanischen Christen entschieden verurteilt werden. Auf Grund vieler, insbesondere jetzt in Kampala gemachter Wahrnehmungen von Gewährsmännern sind gute Afrikaner der Meinung, daß weitblickende Afrikaner, einschließlich vieler Nichtchristen, auch im gesamtafrik sehen Interesse jede Stärkung der Autorität des Papstes begrüßen.

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