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Biafra-Krieg an der Wende?

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Unter dem Druck der öffentlichen Meinung in vielen Ländern beginnt sich in der blutigen Auseinandersetzung am Niger eine Verhandlungsbereitschaft abzuzeichnen.

Bisher legt allerdings der Staatschef der Biafraner, Ojukwu, seine Karten noch nicht offen auf den Verhandlungstisch. Wiederholt hat Lagos erklärt, daß die nigerianische Bundesregierung jederzeit zu Verhandlungen bereit sei, sobald Biafra seine Unabhängigkeitserklärung rückgängig mache. Bisher hat sich Ojukwu beharrlich geweigert, diese von Nigeria geforderte Vorbedingung für Friedensverhandlungen zu erfüllen, und verlangte seinerseits die Einstellung der Feindseligkeiten als Vorbedingung für Friedensgespräche, was in Lagos als Schachzug gedeutet wurde, um eine Ruhepause für verstärkte militärische Aktionen zu gewinnen.

Eine biafranische Presseagentur erklärt, daß nunmehr Ojukwu bereit sei, „auf die Sezession zu verzichten, wenn die Sicherheit seines Volkes garantiert werde“. Bei einer In diesen Tagen mit großer Spannung erwarteten Pressekonferenz forderte Ojukwu allerdings die „Freiheit“, ohne zu präzisieren, ob er mit ihrer Erlangung auch im Rahmen Nigerias zufrieden sein werde. Dies trug ihm soeben unter anderem die Kritik des kongolesischen Außenministers ein, der während seines jetzigen Aufenthaltes in Europa erklärte, daß der „Staatschef Biafras“ einmal vom Frieden spreche, und dann wieder vom Krieg“.

Eigenes Militär für Biafra?

Die nigerianische Bundesregierung hat wiederholt bekanntgegeben, daß sie „nicht gegen die Ibos als Volk kämpfe“. Sie sei überzeugt, daß die

Ibos auf die Zusammenarbeit mit den anderen Stämmen in einem geeinten Nigeria ebensosehr angewiesen seien wie der übrige Teil Nigerias auf die Zusammenarbeit mit den Ibos. Diese hätten „die gleichen Rechte wie alle anderen Stämme Nigerias“, und ihre Rechte würden innerhalb des nigerianischen Staatsverbandes in vollstem Ausmaß gewahrt werden.

Gute Kenner der Verhältnisse neigen zur Ansicht, daß nunmehr Friedensgespräche durchaus möglich sind, wenn zunächst Biafra der Wahrung seiner „Freiheit“ im Rahmen Nigerias zustimme. Bei der Festlegung des Ausmaßes der Selbständigkeit Biafras innerhalb Nigerias dürften sich allerdings große Schwierigkeiten ergeben. Über gute

Nachrichtenquellen verfügende Informanten nehmen an, daß General Ojukwu zwar bereit wäre, einer wirtschaftlichen Koordination mit gemeinsamer Währung usw. zuzustimmen, jedoch das Recht auf die Erhaltung eigener Streitkräfte fordern werde. '

Und Lagos könnte einer solchen Forderung nur schwer zustimmen, weil sie die Möglichkeit einer Wiederaufnahme der Sezession zu jedem beliebigen späteren Zeitpunkt offen ließe.

Die unter dem Druck einer veränderten Haltung der Weltöffentlichkeit entstandene Verhandlungsbereitschaft Ojukwus geht mit verstärkten Anstrengungen zur Steigerung seines militärischen Potentials Hand in Hand, da er offenbar aus einer „Position der Stärke“ verhandeln möchte. Mit außerafrikanischer, hauptsächlich französischer, Unterstützung wurde in letzter Zeit seine Luftwaffe verbessert und verstärkt. Sie ist in jüngster Zeit sogar auf Luftangriffe auf aus dem Ölgebiet westlich des Nigers kommende Tankschiffe unweit der Küste bald nach ihrem Auslaufen aus den Ölhäfen übergegangen.

Ibos fordern Garantien

Inzwischen steigt die Not in Biafra ins Ungemessene.

Zu den obenerwähnten Schwierigkeiten der sich abzeichnenden Friedensgespräche kommt noch die wahrscheinliche Forderung der Sezessionisten von Garantien für die Einhaltung des von der Gegenseite bereits gegebenen feierlichen Versprechens, im Falle der Rückgängigmachung der Sezession die Ibos als in jeder Hinsicht gleichwertige Staatsbürger zu behandeln. Die afrikanische Einheitsorganisation AOU, deren Mitglieder mit wenigen Aus-

nahmen die Sezession Biafras nicht anerkannt haben, neigen nach Ansicht der Sezessionisten im Bürgerkrieg auf die Seite Nigerias, so daß ihre Garantie von Biafra kaum akzeptiert werden würde. Und auch die UNO — selbst dann, wenn sie über den benötigten effektiven Machtapparat verfügen würde — kommt für eine solche Garantie nicht in Betracht, da der Bürgerkrieg in Nigeria rechtlich ein innenpolitischnigerianisches Problem bleibt, das ein Eingreifen der Vereinten Nationen nicht zuläßt.

Bei der heiklen Lage, in der sich unzählige Afrikaner in diesem blutigen Bürgerkrieg befinden, blicken verantwortungsbewußte Menschen in und außerhalb Afrikas auf die-

jenigen, die die Kriegführenden mit Waffen beliefern. Sie sind überzeugt, daß der unselige und grausame Bürgerkrieg in Nigeria schon lange beendet wäre, würden nicht gewisse außerafrikanische Kräfte aus diesem Unglück Nutzen ziehen.

Und in Anbetracht der ungemein großen Schwierigkeiten, die den Friedensbemühungen der obenerwähnten Organisationen entgegenstehen, betrachten viele unparteiische Menschen die Friedensbemühungen des Papstes und anderer im Afrikakonflikt eine neutrale Haltung einnehmender christlicher Kreise als den aussichtsvollsten Beitrag zur Beendigung des mörderischen Bruderkrieges in Nigeria,

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