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CHUKWUEMKE ODUMEGWU-OJUKWU / MARSCHALLSTAB ODER...?

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Den Mann mit dem martialischen, von einem dichten Vollbart umgebenen Gesicht hat man schon oft mit Orson Welles in der Rolle des Othello verglichen. Wie dem Afrikaner in venezianischen Diensten scheint auch Chuk-wuemke Odumegwu- Ojukwu, dem Präsidenten des nun seit mehr als vier Monaten die Unabhängigkeit reklamierenden Staa-

tes Biafra, das Schicksal nicht gnädig zu sein. Die Truppen der Bundesregierung stehen vor der Hauptstaidt Biafras, die Schlacht um Enugu dürfte dem Höhepunkt zugehen, und die Chancen Biafras stehen eher schlecht.

Der 33jährige Ojukwu entstammt der nigerianischen Oberschicht. Sein Vater war ein reicher Geschäftsmann, dem die Briten wegen seiner Verdienste um die Krone den Titel Sir verliehen hatten. Ojukwus Ausbildung war hervorragend: In Oxford studierte er Geschichte und erwarb sich den Grad eines „Master of Art“. Doch damit hatte der ehrgeizige Nigerianer vom Stamm der Ibos nicht genug. Er besuchte nach seinen Studien in Oxford die Militärakademie von Sandhurst, die klassische Offiziersschule des Empires. Denn wer in den afrikanischen Staaten schnell Karriere machen will, der wird am besten Offizier.

Ojukwu machte sehr schnell Karriere. Er gehörte bald zu der dünnen Schicht der bürokratischen und militärischen Elite, die den Vielvölkerstaat Nigerien zusammenhielt. Doch diesem bevölkerungsreichsten Staat Afrikas hatten die Briten em schwe-

res Erbe mitgegeben: Von den im vorigen Jahrhundert ausschließlich nach den Wünschen kolonialer Großmachtspolitik bestimmten Grenzen war eine Unzahl von Völkern und Stämmen in einen Staat zusammengeschlossen worden. Vor allem der Nord-Süd-Gegensatz bedrohte die Einheit des Landes. Der feudalistische, größtenteils islamische Norden dominierte im Bereich der Politik den wirtschaftlich fortgeschritteneren, größtenteils christlichen (oder heidnischen) Süden.

Im Jänner 1966 schlug Ojukwus politische Stunde. Eine Gruppe von Offizieren stürzte in einem blutigen Putsch die Regierung des aus dem Norden kommenden Ministerpräsidenten Balewa und riß die Macht an sich. Ojukwu, schon Oberstleutnant, wurde Militärgouverneur der Ostregion, des entwickeltsten Teiles des Bundesstaates Nigerien. Seine Machtposition behielt er auch, als im Juli 1966 der Chef der Militärregierung, Generalmajor Ironsi, ermordet wurde. Ironsi und rund 200 andere Offiziere, die mit ihm ermordet wurden, waren Angehörige des Ibo-Stammes. In einer Welle von Pogromen wurden die Ibos in vielen Teilen des

Landes, dort, wo sie in der Minderheit warm, zu Tausenden hingemetzelt oder in die Ostregion, dem Kernland der Ibos, vertrieben. In Lagos kam Oberstleutnant Gowon an die Regierung; er stammt aus dem Norden. Der wendige, wortgewandte, lebhafte Ojukwu hatte einen Gegenspieler von Format erhallten.

Seit dem 30. Mai 1961 gibt es in Nigerien Krieg. An diesem Tag hatte Ojukwu, nachdem die Versöhnungskonferenz von Accra gescheitert war, die Ostregion als Republik Biafra unabhängig erklärt. Doch um die Sache Biafras steht es nicht gut. Die Offensive in der Mittelwestregion mußte abgebrochen werden, die Bundestruppen rücken, von Norden kommend, immer weiter vor.

„Ojukwu kann noch nicht sicher sein, was am Ende für ihn herausspringt: der Marschallstab oder der Galgenstrick“, schrieb eine deutsche Wochenzeitung über den Sezessionisten von Enugu. Was auch Beobachter an Ojukwu rühmen — seine diplomatischen Fähigkeiten, seine überlegene Intelligenz, sein militärisches Talent —, wird es Biafra vor dem Untergang retten?

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