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Sezessionskrieg in Nigerien

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Der Einunddreißigjährige schickte den Zweiundvierzigjährigen endgültig in seine ungewollte Zwangspension. Der Jüngere ist Berufsoffizier — Absolvent der berühmten britischen Militärakademie Sandhurst — und selbstgekürter Regierungschef des völkerreichsten afrikanischen Staates, Nigerien: Jekubu Gowon. Der Zwangspensionierte ist sein Vorgänger und Offizierskamerad General Ironsi. Der größte Unterschied zwischen den beiden Rivalen war jedoch kein militärischer — Gowon ist „erst“ Oberstleutnant —, sondern ein stammesmäßiger. Ironsi war ein „Ibo“ und stammte aus der Südostregion des Landes. Gowon ist hingegen ein „Haussa“; seine Wiege stand im Norden. Und das war eigentlich die echte Ursache dieses „Kampfes der Generäle“.

Das politische Kräfteverhältnis in Nigerien hängt vom Separatismus der einzelnen Stämme ab. Das Land Ist von unzähligen Völkern besiedelt, vor allem von den „Haussa“, den „Ibo“ und den „Yoruba“. Die „Ibo“ bilden die Bevölkerungsmehrheit der Südostprovinz, und die „Yoruba“ herrschen in der Westprovinz vor. Die „Haussa“ sind seit alters mit den Völkern des Südens verfeindet. Das wird darauf zurückgeführt, daß die „Haussa“ Moslems sind und die „Ibo“ und „Yoruba“, vornehmlich Christen, als „Ungläubige“ betrachtet und behandelt werden.

Die religiöse Unduldsamkeit der nigerianischen Moslems löste in diesem Jahr bereits den zweiten Militärputsch aus. Man weiß nicht, wann der dritte folgen wird. Der bisher letzte begann Ende Juli mit einer Meuterei der in Abeokuta und Ikeja (Westnigerien) stationierten Truppen.

Hier gelang es den Rebellen, die Hauptstadt des Gebiets, Ibadan, und den Flughafen der Landeshauptstadt Lagos zu besetzen. Um ganze Arbeit zu leisten, entführten die meuternden Rebellen den Chef der Militärregierung, General Aguiyi-lronsi, samt dem westnigerianischen Mili-

tärgoüverneur, Oberst Fajuyi. Ihr weiteres Schicksal ist seither unbekannt; bisher wurden nicht einmal ihre Leichen gefunden.

Mord als „politisches Uberzeugungsmittel“ ist auch Nigerien nicht fremd. Beim ersten Militärputsch dieses Jahres — Mitte Jänner — als die effektive Übermacht des Nordens beseitigt wurde, hat man den damaligen Ministerpräsidenten des Landes — er war ein Stammeshäuptling der Nordregion — schlichtweg umgebracht.

Da die „Südstaatler“ damals mit dem Regierungschef zusammen auch eine große Anzahl führender Nordpolitiker mitverschwinden ließen,

blieb der erwartete Gegenaufstand der „Nordstaatler“ vorderhand aus. Diese Schwäche beurteilten die Sieger jedoch falsch. In ihren phrasentriefenden Regierungsslogans sagten sie der bisherigen Korruption und Mißwirtschaft den „unerbittlichen Kampf“ an.

Viel hat sich aber im Lande selbst nicht verändert; die höheren Posten wurden weiterhin ausschließlich unter Gleichgesinnten — in Afrika heißt das: Stammesverwandten — aufgeteilt. Der neue Ministerpräsident ließ sich ausschließlich mit „Südstaatlern“ (Ibos) umgeben. Es ging alles, mit umgekehrtem Vorzeichen, ebenso weiter wie bisher.

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