6847892-1976_31_07.jpg
Digital In Arbeit

Keine Pilgerfahrt nach Jerusalem

19451960198020002020

Idi Amin Dada, der selbsternannte Feldmarschall und Präsident auf Lebenszeit, hat versprochen, noch vor Ende des Dezenniums die Weißen aus Afrika endgültig zu vertreiben.

19451960198020002020

Idi Amin Dada, der selbsternannte Feldmarschall und Präsident auf Lebenszeit, hat versprochen, noch vor Ende des Dezenniums die Weißen aus Afrika endgültig zu vertreiben.

Werbung
Werbung
Werbung

Beim israelischen Bravourstück in Entebbe zeigte sich allerdings, daß die Schwarzen, trotz überheblicher Kampfansage an die Weißen im Süden Afrikas, militärisch eben doch noch nicht ganz ernst zu nehmen sind. Eis wurde überdies wieder einmal deutlich, daß die verbal demonstrierte afrikanische Einheit und Brüderlichkeit nur dann vorbanden ist, wenn es darum geht, das südliche Afrika zu verurteilen.

In diese Konflikte sind in der Regel die Großmächte involviert, die durch die altbewährte Politik des Divilde et Impera Abhängigkeiten schaffen wollen. Dadurch wurde Afrika vor allem in jüngster Zeit deutlich in ein pro-sowjetisches und -ein westliches Lager gespalten. Dazwischen kochen nooh die Chinesen und die ehemaligen Kolonialherren ihre eigenen Suppen.

Nach dem Entehbe-Zwischeiifall brach nun auch zwischen Uganda und Kenia ein offener Konflikt aus. Dieser hatte sich allerdings schon seit längerer Zeit angebahnt. Als Idi Amin vor einigen Monaten Gebietsansprüche auf große Teile Westkenias erhob, war es in Kenia zu spontanen Massenkundgebungen gegen den ugandischen Präsidenten gekommen. Die kenianische Presse startete eine regelrechte Kampagne gegen Amin Dada. Der jetzt ausgebrochene Konflikt zwischen Kenia und Uganda ist allerdings der schwerste seit der Unabhängigkeit der beiden Staaten. Amin wirft den Kenianern vor, bei der Kommandoaktion von Entebbe mit den Israelis gemeinsame Sache gemacht zu haben. Als Vergeltung dafür, daß Kenia an dieser Amin zugefügten Demütigung angeblich mitschuldig ist, wurden Hunderte in Uganda lebender Kenianer von Amins Soldaten erschlagen oder in Gefängnisse geworfen.

Die beiden verfeindeten Staaten sind Partner in der ostafrifcanischen Gemeinschaft, die nun wahrscheinlich endgültig zusammenbrechen wind. Seit ihrer Gründung im Jahre 1964 gab es ständig Spannungen zwischen den Partnerstaaten, zu denen als dritter Tasania zählt. Seit Idi Amin 1971 durch einen Putsch an die Macht kam, wurden diese Spannungen allmählich unlösbar. Präsident Nyerere von Tansania gewährte dem gestürzten ugandischen Staatschef Milton Obote Asyl und weigerte sich anfangs, den Usurpator Amin als Staatsoberhaupt anzuerkennen. In der Folge kam es auch zu einem .Grenzkrieg zwischen Tansania und Uganda. Durch die Vermittlung des kenianischen Präsidenten Jomo Kenyatta wurde der offene Konflikt zwar beigelegt und die ostafrikanische Gemeinschaft funktionierte schlecht und recht weiter. Wie sie aber die jüngste Kontroverse überleben sali, ist kaum vorstellbar.

Ein wichtiger Teil der Agenden

der Gemeinschaft ist Betrieb und Verwaltung der sogenannten „gemeinsamen Dienste“, wozu auch die ostafrilkanisohen Eisenbahnen gehören. Kenia weigert sich jetzt, Güter nach und aus Uganda auf der Bahnstrecke Mombasa—Nairobi—Kam-pala zu befördern. Offiziell heißt es, daß die Transporte erst dann wieder aufgenommen werden sollen, wenn Uganda geschuldete Frachtgebühren in der Höhe von 750 Millionen Schilling bezahlt hat. Außerdem verlangt Kenia die Zahlung der Gebühren in harter Währung. Ugandas Währung ist wertlos und seine Wirtschaft steht vor dem Zusammenbruch

Das Binnenland Uganda ist für seine Ein- und Ausfuhren fast ausschließlich auf die Bahn- und Straßenverbindung durch Kenia angewiesen. Auch der Straßenverkehr ist unterbrochen, weil kein kenianischer Fahrer mehr bereit ist, in Uganda seinen Kopf zu riskieren. Nicht nur Konsum und Investitionsgüter, sondern auch militärische Güter und Treibstoffe kommen vom kenianischen Hafen Mombasa am Indischen Ozean via Nairobi nach Uganda. Das von den Russen an Uganda gelieferte Rüstunjgsunateial wird nun ebenfalls von Kenia zurückgehalten. In Uganda macht sich bereits akuter Treibstoffmangel bemerkbar. Benzin wunde rationiert.

Die Regierung in Nairobi erwartet Waffen und Rüstungskredite vor allem von den Vereinigten Staaten. Amerika, das bislang keine profil-liente Afrikapolitik betrieben hat, bemüht sich nun, Versäumtes nachzuholen. Nach dem Trauma der sowjetisch-ku b am: sehen Intervention in Angola wird es sich in verstärktem Maße in den schwarzafrikami-schen Rüstungswettlauf einschalten.

Kurzfristig ist die Gefahr, daß sich der Konflikt zwischen Kenia und Uganda zu einer bewaffneten Auseinandersetzung ausweitet, nicht akut. Hingegen scheint es nicht mehr ausgeschlossen, daß Amin eines Tages von seiner Armee gestürzt wird. Die in Kenia erscheinende Tageszeitung „Daily Nation“ -berichtet, daß in mehreren Kasernen in der Umgebung der ugandischen Hauptstadt Meutereien ausgebrochen seien. Die Erhebung breitet sich angeblich weiter aus.

Ml Amin wind wohl angesichts der Unruhen im Land seine geplante Pilgerfahrt nach Jerusalem verschieben. Wie Radio Uganda meldete, will Amin dem ehemaligen israelischen Verteidigungsminister Dayan und der Exministerpräsidentin Golda Mein Besuche abstatten, „ob es den Israelis und Arabern nun paßt oder nicht“. Wenn er nicht das gleiche Schicksal erleiden will wie sein Vorgänger Obote, der während seiner Abwesenheit von ihm selbst gestürzt wurde, wird Ugandas Präsident Auslandsreisen in nächster Zeit unterlassen müssen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung