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Partisanen im Küstensumpf

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Anfangs Juli wurden erstmals von offizieller portugiesischer Seite Kämpfe in Portugiesisch-Guinea gemeldet, wonach sich 15 Prozent des Landes, im sumpfigen, unzugänglichen Küstengebiet, in den Händen von Partisanen befinden, die aus der unabhängigen (ehemals französischen) Republik Guinea eingedrungen seien. Andere Meldungen, nach denen auch im Norden des Landes aus dem Senegal eingedrungene Kräfte operieren sollen, wurden dementiert. Scheinen von solchen Aktionen auch keine entscheidenden Auswirkungen erwarten zu sein, da Lissabon auch Truppenverstärkungen entsandte und wohl ähnlich Vorgehen wird wie vor Jahresfrist in Angola, so dürften sie doch den Beginn eines Übergangszustandes anzeigen, über dessen Dauer sich nichts Voraussagen läßt. Allmählicher „Algerien-Krieg“ ist wohl in vielen Teilen Portugiesisch- Afrikas möglich und wird eines Tages nicht ohne Auswirkung auf Lissabon selbst bleiben.

In Kenia hat doch am 1. Juni Jomo Kenyatta als Premierminister der ersten autonomen Regierung des Landes die Regierungsgewalt bei nunmehriger innerer Selbstregierung übernommen, zehn Jahre nach dem Mau-Mau-Aufstand, als dessen „geistiger Urheber“ er seinerzeit verurteilt worden ist. Als provisorischer Termin der Unabhängigkeit Kenias wurde bereits der 12. Dezember genannt. Man erwartet darnach die Bildung einer ostafrikanischen Föderation mit Uganda und Tanganjika, über die auch Julius Nyerere dieser Tage in London verhandelte. Südafrika dürfte von dann an den Flugplatz Nairobi und den Hafen von Mombasa, trotz der wirtschaftlichen Einbußen für Kenia, nicht mehr benützen dürfen.

„Tiefer Süden“

Während sich Njassaland und nunmehr auch Nordrhodesien auf dem Weg der planmäßigen Entwicklung zur Unabhängigkeit befinden und sich diese für 1964 — wahrscheinlich unter den heimischen Namen „Malawi“ und „Zambia“ — erhoffen, hat Großbritannien dem unter der Siedlerregierung des Premierministers Winston Field stehenden „Halbdominion“ Südrhode-sien die Unabhängigkeit unter dem Druck der farbigen Commonwealth- Länder und der Gefahr des Zusammenbruches seines ganzen restlichen Einflusses in Afrika verweigert. Wie immer in „unlösbaren" Fragen baut London auf die Zeit, aber wohin die Dinge hier treiben werden, ist kaum vorherzusehen.

Die Entschlossenheit der afrikani-sehen Staaten, Südrhodesien nicht unter der alleinigen Herrschaft der weißen Siedlerminderheit zu belassen, war eines der am deutlichsten formulierten Themen der Entkolonisierungsresolution von Addis Abeba gewesen. Es war eTSt der Beginn einer diplomatischen Offensive der afrikanischen Staaten, die dieser Tage die sich der Entkolonisierung widersetzenden Mächte auch vor der UNO wieder in den Anklagezustand versetzt hat. Der Druck der Einheitsfront von Addis Abeba, der bei der UNO und in den westlichen und östlichen Hauptstädten in den kommenden Monaten und Jahren zur Durchsetzung der „Befreiung“ der „Südstaaten“ unseres Jahrhunderts ausgeübt werden wird, dürfte allmählich zunehmen. Nach Südrhodesien wird Südwestafrika an die Reihe kommen, das eines Tages Anlaß zu einer UNO-Intervention bieten kann. Es wäre nur zu hoffen, daß man sich in Südafrika selbst von den Illusionen über die Konsequenz dieser Entwicklung freimacht und selbst den Mut zu neuen Wegen findet, ehe die Welle, die nach Süden rollt, an die Grenzen des „weißen Landes" mit vier Fünftel farbiger Untertanen brandet…

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