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Die Union Ghana-Guinea-Mali

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Als Guinea am 2. Oktober 1958 nach dem Referendum fiber die Franzosische Gemeinschaft die Unabhan- gigkeit erlangte, fand es sich durch den schlagartigen Abzug der franzosi- schen Stabe und seine wirtschaftliche Isolierung in einer bedrangten Situation. Sein erster Gegenzug war die Verkfindung einer Union mit Ghana am 23. November 1958, der am 1. Mai 1959 in Conakry eine Prinzipienerkla- rung der beiden Staatschefs Seku Ture und Dr. Kwame Nkrumah folgte. Dar- nach sollte der Beitritt zu dieser „Union unabhangiger Staaten Afrikas” alien Staaten freistehen, die sich zu ihren Grundsatzen bekennen wollten. Die Union sollte eine Unionsflagge und Hymne, Souveranitatsrechte hingegen nur im Prinzip und nach MaBgabe ge- meinsamer Beschlfisse erhalten. Ihr Motto „Unabhangigkeit und Einig- keit” besaB damals allerdings beson- ders grofie Aktualitat. Ihre allgemeine Politik sollte vor allem dem Aufbau einer afrikanischen Gemeinschaft (zum Unterschied von den franzosischen und britischen Gemeinschaften) und der Beendigung der Abhangigkeit der noch unter Fremdherrschaft stehenden Afrikaner dienen. Weiters geplant waren eine zusatzliche gemeinsame Staatsbfirgerschaft, gemeinsame Wirt- schafts- und Verteidigungspolitik, Ko- ordination des Unterrichtswesens, gemeinsame Auslandsvertretungen nach Wahl und die Schaffung einer Unions- Notenbank. Doch blieben die Haupt- ziele dieser Union ideologisch, denn „die Handlungen der Staaten oder Foderationen, die der Union angeho- ren, sollten sich auf folgende wesent- liche Ziele ausrichten: Unabhangig- keit, Einheit, die afrikanische Eigen- personlichkeit und das Interesse der Volker; sie sollen nicht gehorsam im Auftrag irgend welcher Gruppen oder Blocke handeln, werden aber in Rech- nung stellen, ob auswSrtige Krafte ffir oder gegen sie handeln.”

Als dritter Partner dieser Union erklarte am 28. Juli 1960 in New York Patrice Lumumba den Beitritt des Kongo, der durch die darauffolgenden Ereignisse aber wirkungslos blieb und mit Ausnahme der zeitweiligen Wah-

rung der diplomatischen Vertretungen des Kongo durch Ghana kaum iiber- haupt effektiv wurde. Indes machte der Zerfall der Mali-Foderation im August 1960 die aus dem vormaligen franzosischen Sudan hervorgegangene Republik Mali zu einem neuen, poten- tiellen Partner. Ihr Beitritt wurde am 24. Dezember 1960 nach einer Dreier- konferenz erstmals bekanntgegeben, und nach einem weiteren Treffen der Staatsoberhaupter in Accra am 29. April d. J. neuerlich bestatigt.

Die Union Ghanas und Guineas ist in den zwei Jahren ihres Bestehens uber eine auBenpolitische Aktions- gemeinschaft nicht hinausgekommen, deren Auftreten zudem keineswegs immer einheitlich war, wie dies zum Beispiel die Frage des Abzuges der nationalen UNO-Kontingente vom Kongo gezeigt hat. Auch hat der Ghana vorgeworfene Expansionsdrang — das Streben nach einem AnschluB Togos und anderer Nachbargebiete — ihm auch in Guinea keine Sympathien gebracht. SchlieBlich sind sowohl die ethnische wie die wirtschaftliche Struktur der beiden Lander sehr ver- schieden, und keineswegs komplemen- tar. Der Eintritt Malis in die Gemeinschaft verandert die Perspektiven der vordem losen Union indes starker, als dies viele Beobachter wahrzuhaben scheinen.

Malis Schliisselstellung

Der frfihere franzosische Sudan, dessen Flache von mehr als 1,2 Millionen Quadratkilometern den GroBteil des Einzugsgebietes des oberen Niger umfaBt und nordwarts bis weit in die Sahara reicht, bildete lange das Herz- stfick des franzosischen Westafrika. Ein grofier Teil seiner Bevolkerung ist annahernd die gleiche wie die Guineas, deren nordlicher Teil ja zum histori- schen Mali gehort hat. Auch in der neueren politischen Entwicklung verband vieles die beiden Lander. Die heutigen Staatsparteien beider Lander sind beide aus dem linken Flfigel der Afrikanisch-Demokratischen Samm- lungsbewegung (RDA) hervorgegan- gen, die Houphouet-Boigny — damals Verbfindeter der KPF — 1946 in Ba-

20. Juni des Vorjahres, die als Ketten- reaktion die Unabhangigkeitserklarun- gen samtlicher franzosischer Gebiete sudlich der Sahara nach sich ziehen sollte, knapp zwei Monate fiberlebt. Aber eigentlich war der nur aus zwei zudem sehr ungleichen Gliedern be- stehende „Bund von Mali” nur eine Teilverwirklichung eines groBeren Planes gewesen, der auf einen Bun- desstaat moglichst aller Nachfolge- staaten des ehemaligen AOF abgezielt hatte, und Bamako, das die Sezes- sion des Senegal mit dem Abbruch samtlicher Beziehungen beantwortete und auch den Verkehr auf der einzi- gen Bahnverbindung zum Meerhafen nach Dakar bis heute nicht wieder aufgenommen hat, orientierte seine Handelsverbindungen um. Etwa 70 Pro- zent der Transporte werden gegenwar- tig per StraBe bis zur Bahnlinie Bobo—Diulasso—Abidjan durchgeffihrt und haben das letztere zum wichtigsten Nachschubhafen fur Mali gemacht. Der Bau einer Stichbahn Bobo—Diulasso—Bamako mit Hilfe amerikani- scher Mittel wurde bereits erwogen. Der Verbindungsweg nach der guine- ischen Hauptstadt Conakry ist schwie- riger, da der obere Niger zwischen Kouroussa und Kankan (Guinea) nicht ganzjahrig schiffbar ist. Doch hat Mali kurzlich neben einem sowjetischen 40-Millionen-Rubel-Kredit auch das Angebot erhalten, die von sowjetischen Ingenieuren im Vorjahr umge-

Ghana, hunderttausende Saisonarbeiter aus Volta ihr Brot verdienen. Im Zuge der Annaherung von Ghana und Mali wurde die Voltarepublik besonders umworben, mit einem Erfolg: Sie weigerte sich, nach dem Beispiel Malis, weiterhin franzosische Militar- stfitzpunkte auf ihrem Territorium zu dulden. Man hat diesen Schritt wohl- wojlend mit der Absicht in Verbindung gebracht, baldmoglichst eine eigene Armee aufzustellen, verffigt Volta doch uber nicht weniger als 10.000 gediente Soldaten, davon 60 Offiziere, und konnte so plotzlich die starkste Militarmacht Westafrikas werden, falls ihre finanziellen Erfor- dernisse von irgendeiner Seite bedeckt wfirden. Die Implikationen dieses Schrittes sind trotzdem leicht zu fiber- sehen.

Die politische Zukunft Westafrikas wird so zu nicht geringem Teil .vom Tempo seiner fortschreitenden Er- schliefiung in verkehrsmaBiger Hin- sicht, wie auch von der erst in ihren Anfangen stehenden Industrialisierung abhangen. Der neutralistische Kurs von Ghana, Guinea und Mali zeigt, daB die politische Dynamik dieses Prozesses heute nicht bei der westlichen Welt liegt. Die Entschlossen- heit der afrikanischen Ffihrer, weder Westen noch Osten blind zu ver- trauen, noch zu kopieren, bleibt darum ein die Zukunft wahrscheinlich ent- scheidend bestimmendes Moment.

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