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Afrikanische Konferenzen

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Der Jahreswechsel des „Afrika- Jahres“ I960 war von einer Welle von Konferenzen der alten und neuen Staaten Afrikas umrahmt, die das Bemühen seiner führenden Männer um eine selbständige Orientierung anzeigten. Kurz vor Weihnachten war in Brazzaville die zweite Tagung

der französischen Nachfolgestaaten Schwarzafrikas zu Ende gegangen, der nur Guinea, Mali und Ghanas kleines Nachbarland Togo fernblieben, an der dagegen auch Mauretanien und Madagaskar teilnahmen. Die diesmal haupt

sächlich erstrebte Vermittlung im Kongo hat dabei durch die Aussprache mit verschiedenen Kongopolitikern gewisse, freilich begrenzte Fortschritte gemacht. Am Rande blieb, daß auch der mit der „algerischen Befreiungsfront“ verfeindete algerische Nationalistenführer El-Messali Hadj die Konferenzteilnehmer zu ihrer Haltung beglückwünschte.

Am Weihnachtsabend verkündeten Mali, Guinea und Ghana in Bamako eine „Union“, die Nkrumahs Pläne „Vereinigter Staaten von Westafrika“ optisch etwas vorwärtsbrachte, obzwar sie nur eine wirtschaftliche und außenpolitische Assoziation der drei Länder darstellen. Bemerkenswerterweise richtete man an die anderen frankoafrikanischen Staaten den Vorwurf „des völlig irrigen Weges einer Gruppierung, die auf der Sprache der früheren Kolonialmacht beruht".

Die Chefs dieser drei westafrikanischen, „neutralistischen“ Staaten haben anschließend, Anfang Jänner, zusammen mit Nasser, dem algerischen Exilpremier Ferhat Abbas, an der von König Mohammed V. einberufenen Konferenz von Casablanca teilgenommen, deren Eröffnung auf den 18. Jahrestag der bereits historischen Tagung Roosevelts, Churchills und de Gaulles am gleichen Ort fiel. Libyen entsandte Beobachter. Ungeladen blieb Tunis, das zwar die FLN aktiver unterstützt als die Teil

nehmer, aber außer mit Kairo nun wegen Mauretanien auch mit Marokko gebrochen hat. Hier war man nun für den FLN und Durchhalten bis zum Endsieg, für Lumumba und überhaupt für ein „Afrika den Afrikanern“ in der Art einer neuen Monroe-Doktrine. Unverpflichtet blieben, außer Togo: das neue Sicherheitsratmitglied Liberia: der Sudan, der indes nach dem kürzlichen Atomversuch die Beziehungen zu Frankreich abbrach; Äthiopien, dessen Gegensatz zur neuen Somalirepublik sich anläßlich der jüngsten inneren Wirren infolge eines Massakers im Grenzgebiet jäh verschärft hat; schließlich die potentielle afrikanische Großmacht Nigeria, die den Vorsitz im UN-Schlichtungsausschuß für den Kongo innehat, der seine Tätigkeit in Leopoldville gleichzeitig aufgenommen hat.

Die Ausdehnung des Machtbereiches der in Stanleyville residierenden Gegenregierung auf die Provinz Kivu rückt die Wahrscheinlichkeit, daß der Kongo schließlich in mindestens zwei bis drei selbständige Nachfolgestaaten der belgischen Kolonie zerfallen wird, immer mehr in den Vordergrund. Und es verstärkt sich der Eindruck, daß es auch für eine „föderale Lösung" der Gegensätze bereits zu spät ist, obgleich Kasavubu nun für 25. Jänner zum „runden Tisch" eingeladen hat, um das von den Belgiern hinterlassene Einheitsstaat-Grundgesetz abzuändern.

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