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Nicht nur Begeisterung…

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Für jeden im Corps verbrachten Monat wird dem ausscheidenden Freiwilligen ein Übergangsgeld von 75 Dollar ausgezahlt, um ihm die Rückkehr ins Zivilleben zu erleichtern.

Nicht jedermann ist vom Peace Corps begeistert. In Moskau hat man das Datum seines zweijährigen Bestehens dazu benutzt, es als eine amerikanische Agentenorganisation zu kennzeichnen, was genau so absurd ist, wie der Verdacht amerikanischer Superpatrioten, daß das Bolshoi- Ballett oder der Chor der Roten Armee Spionageteams sind.

Aber auch in den Vereinigten Staaten traf die Idee — vor allem bei politischen Gegnern des Präsidenten — gelegenlich auf Spott, Skepsis und Kritik. Und man wartete hier gespannt auf „Zwischenfälle“, die dem Nahrung geben würden. Sie traten denn auch prompt ein. Zwei sind weidlich publiziert worden.

Zwei „Zwischenfälle“

In dem einen Fall handelte es sich um folgendes: Eine Studentin, Produkt eines Ivy-League-College, das heißt einer „feudalen“ Hochschule, fand bei ihrer Ankunft in einem afrikanischen Land die Lebensbedingungen, das Niveau ihrer künftigen Arbeitskollegen, so unbeschreiblich erschreckend, daß sie diese in unmißverständlichen Formulierungen auf einer offenen Postkarte ihrer Familie mitteilen mußte. Da anscheinend Briefkästen zu den zivilisatorischen westlichen Gastgeschenken gehörten, die noch nicht in genügender Anzahl eingeführt worden waren, schleppte sie ihren schriftlichen Entrüstungsschrei unnötig lange mit sich herum — und verlor die Karte auf einem öffentlichen Platz. Der englischen Sprache mächtige, einheimische Studenten fanden sie und organisierten eine antiamerikanische Demonstration gegen die „koloniali- stische“ Haltung der Friedenskorpsler.

Bei dem zweiten „Skandal“ handelte es sich darum, daß eine nicht mehr ganz fungp Sozialarbeiterin bei der Ausbildung anscheinend zu rigorosen körperlichen Bewährungsproben unterzogen wurde und sich öffentlich über die dabei vorgekommene „Brutalität“ beklagte…

Sozusagen „Frontdienst“ taten im ersten Jahr in Afrika 51 Personen in Ghana, 32 in Sierra Leone, 3 5 in Tanganjika und 108 in Nigeria. In Indien waren 26 Mann stationiert, in Pakistan 57, in Malaya 67, in Thailand 45 und auf den Philippinen 272. Lateinamerika sah im ersten Jahr: in Bolivien 26, in Brasilien 43, in Chile 65, in Kolumbien 103, in El Salvador 25, in Jamaica 38, in St. Lucia 15 und in Venezuela 23 Angehörige des Peace Corps im Einsatz.

In der Ausbildung und speziell angefordert waren zum gleichen Zeitpunkt „Teams“ für folgende afrikanische Länder: Somali (47), Tunis (77), Ghana (94), Elfenbeinküste (47), Liberia (107), Niger (7), Nigeria (110), Senegal (6)1, Sierra Leone (60). Tanganjika (32), Togo (30).

Wie man sieht, haben nicht nur Ghana und Nigeria „nachbestellt“, sondern es haben sich weitere Interessenten gefunden. Die Philippinen warteten auf zusätzliche 282 Mann und Thailand auf einen Nachschub von 64. Neu hatte sich North Borneo/Sa- rawak für 81 Freiwillige angemeldet. In Lateinamerika schlossen sich Venezuela, das ergänzend 41 Leute angefordert hatte, Honduras (27), Bolivien (53), Britisch-Honduras (35), San Domingo (21), Ekuador (128) und Peru (180) an. Im Nahen Osten eröffneten sich neue Tore: Neben Indien, das 52 Ergänzungsexperten angefordert hatte, machten Afghanistan (13), Ceylon (49), Iran (51), Nepal (73), Zypern (24) und die Türkei (47) von den Reserven des Friedenskorps Gebrauch.

„Vorturner“ gesucht!

Diese Zahlen, die dem Mitteleuropäer im ersten Augenblick lächerlich geringfügig erscheinen müssen, zeigen zweierlei, was für die Aktivität des Peace Corps — zumindest im experimentellen Status, in dem es sich zweifellos noch befindet — kennzeichnend ist: gesucht, benötigt und gesandt werden nicht einfach Arbeitskräfte, sondern praktisch „vorturnende" Initiatoren für die Herausbildung eigener Spezialisten in den verschiedenen Sparten des betreffenden Neubaus einer modernen Gesellschaft. Sie zeigen aber auch, daß diese nicht zuletzt durch ihr Arbeitsvorbild wirkenden Trainer nicht am laufenden Band geliefert, sondern recht individuell im Ausleseverfahren vorgeschult werden.

Und es ist dabei, seine Aktivitäten mit denen anderer Länder zu koordinieren. Im Oktober 1962 ist auf einer Internationalen Konferenz in Puerto Rico, an der Vertreter von 43 Nationen teilnahmen, ein Internationales Peace Corps Sekretariat gegründet worden, dem sich sowohl Regierungen anschlossen, die parallel arbeitende Gruppen organisieren wollen, als auch solche, die eine zentralisierte — über die Initiative der USA hinausgehende — Aktivität dazu fähiger und williger ausländischer Friedenskorpsformationen (die nicht unbedingt alle diesen Namen tragen müssen) begrüßen und unterstützen wollen. Dem Sekretariat gehören im Augenblick die folgenden Nationen an (nicht alle haben bereits einsatzfähige Gruppen zur Verfügung zu stellen!): Australien, Österreich, Belgien, Bolivien, Brasilien, Kanada, Chile, Kolumbien, Dänemark, die Dominikanische Republik, Ekuador, EI Salvador, Äthiopien, Finnland, Frankreich, Deutschland, Ghana, Honduras, Indien, Israel, Italien, Elfenbeinküste, Jamaika, Japan, Liberia, Malaya, Nepal, die Niederlande, Neuseeland, Niger, Nigeria, Norwegen, Pakistan, die Philippinen, St. Lucia, Schweden, die Schweiz, Tanganjika, Thailand, Tunis, England und die Vereinigten Staaten. Andere sind im Begriff, sich anzuschließen.

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