Entwicklungshilfe, die zur Militärhilfe wird

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Seit Jahren verwendet die EU Hunderte Millionen Euro aus einem Fond zur Unterstützung armer Länder in Afrika für den Aufbau von Militärstrukturen.

Die Europäische Union bereitet sich auf einen langen Kampf gegen den Terror vor. Donnerstag vergangene Woche beschloss die Europäische Union 200 Militärberater und 250 Soldaten in den westafrikanischen Staat Mali zu schicken. Die Mission startet laut EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton "Ende Februar oder Anfang März“ und soll das Land im Kampf gegen die Islamisten unterstützen. Die "Gotteskrieger“ kontrollierten seit April 2012 den Norden Malis und drohten nach der Einnahme mehrerer Städte bis Bamako vorzudringen.

Frankreich antwortete als erstes auf den Hilferuf der malischen Regierung und liefert sich seit Mitte Jänner einen blutigen Kampf mit den Islamisten. Von 60 Toten wird allein in der Stadt Gao berichtet, darunter Zivilisten und ein getöteter französischer Soldat. Insgesamt sollen in den nächsten Monaten im 16 Millionen-Einwohner-Land Mali und den Nachbarländern Burkina Faso, Niger und Senegal 4000 französische Soldaten für die sogenannte "Operation Serval“ mobilisiert werden. Auch die westafrikanische Staatengemeinschaft Ecowas hat bei ihrem Gipfeltreffen die Entsendung Tausender Soldaten zugesagt.

"Die nationale Armee ist mit dem Islamisten überfordert“, sagt die Malierin Mariam Diakité vom Verein Afrikanischer StudentInnen in Wien. Die Dschihadisten, radikale Islamisten, seien noch keineswegs geschlagen. "Mittlerweile geht es auch Europa an“, sagt Diakité und spricht dabei die Terroraktion in Algerien an, bei der bei einer mehrtägigen Geiselnahme in einer Gasproduktionsanlage 67 Menschen, darunter auch Europäer und US-Amerikaner, getötet wurden. Die Islamisten bekommen wenig Zuspruch aus der Bevölkerung. "Es herrscht aber große Verunsicherung. Sie mischen sich unter das Volk und tragen normale Kleidung, sodass niemand dahinterkommt, dass sie Feinde sind“, sagt sie.

Als Befreier begrüßt

Das Land hegt große Sympathie für das militärische Engagement der ehemaligen Kolonialmacht, sagt Elisabeth Förg, die eineinhalb Jahre als Entwicklungshelferin in Mali arbeitete. "Die Menschen schmücken ihre Häuser, Mopeds und Autos mit französischen Flaggen“, sagt Förg. Aber der Krieg wird die Probleme nicht lösen. "Man muss vor allem der Jugend - die Hälfte ist jünger als 15 Jahre - eine Perspektive bieten. Ansonsten droht Mali zu einem gescheiterten Staat zu verkommen.“

Es scheint so, als hätte Frankreich in letzter Sekunde den Vormarsch der Islamisten verhindert, die ansonsten ganz Mali in einen Terrorstaat verwandelt hätten. Dem ist aber nicht so, sagt Stefan Brocza, Experte für Europarecht und internationale Angelegenheiten, der im Wiener Institut für Internationalen Dialog VIDC über die Krise in Mali informierte. Brocza spricht von einer Militarisierung der europäischen Entwicklungshilfe.

"Es war keine Frage“, so Brocza, "ob Frankreich und die EU intervenieren, sondern wann sie es tun.“ Die Pläne für dieses Vorgehen lägen schon lange auf dem Tisch, ebenso wie ein Mandat des UN-Sicherheitsrats, das bereits im Oktober 2012 den Weg für die Stationierung einer EU-Mission in Mali freimachte. "Es wurden zudem zwei Jahre lang Geld aus den Entwicklungsfonds bereitgestellt, um sie für die Herstellung militärische, Strukturen in Afrika zu verwenden“, sagt Brocza. Rund 650 Millionen Euro wurden aus dem Europäischen Entwicklungsfonds und dem Instrument für Stabilität für diese Mission bereitgestellt. Problematisch sei laut Brocza auch, dass Frankreich ohne Strategie nach Mali zog. "Wir stehen vor einem zweiten Afghanistan. Ein Krieg ohne sichtbares Ende.“

Denn der Krieg gegen den Terror werde nicht in wenigen Wochen beendet sein. Brocza befürchtet eine lange Serie von Gewalt und Leid in Mali. Die erste soziale Bewegung, die dort entstehen werde, seien Flüchtlinge. Die UNO stellt sich auf bis zu 700.000 Vertriebene in den nächsten Monaten ein.

Misswirtschaft und Krieg

Mali galt fast 20 Jahre lang als Musterland unter den westafrikanischen Demokratien. Doch interne Misswirtschaft und Strukturanpassungsprogramme von IWF/Weltbank schwächten die sozialen Systeme. Dazu kam die Korruption der Regierung von Präsident Amadou Toumani Touré.

Nach dem Militärputsch 2012 eroberten bewaffnete Gruppen den gesamten Norden des Landes. Die islamistischen Gruppen Ansar Dine (Verteidiger des Glaubens) und Al-Quaida im islamischen Maghreb kontrollieren seitdem das Gebiet, terrorisieren die Bevölkerung und zerstören Kulturdenkmäler. Als Argument für ihren Kampf führen sie soziale Gründe an. Der Staat Mali sei gescheitert, weil er die Menschen nicht aus ihrer Armut befreit habe. Der Islam werde nun die Erlösung bringen.

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