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SEKOU TOURE DER ELEFANT VON GUINEA

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Eine weit in die Vergangenheit zurückreichende Abstammung, auch wenn sie legendär ist, hat romantischen Reiz. Der italienische ,Fürst Massimo mag oder mag nicht von den alten Maximi des republikanischen Rom abstammen, jedenfalls konnte sein Urgroßvater zu Napoleon sagen: „Es geht eben in unserer Familie in den letzten tausend Jahr’en dieses Gerücht um.“

Sekou Toure, Präsident von Guinea, wurde von Eisenhower und Elisabeth II. mit allen staatsmännischen Ehren empfangen, er bereiste Europa, besuchte Bonn, dann Moskau. Er erwähnte mit keinem Wort, daß er der Nachkomme der Keita-Könige ist, die vor 1000 Jahren das große zentralafrikanische islamische Mali-Reich gründeten. Aber doch ist etwas von Ahnenstolz in ihm lebendig. Er tritt selbstbewußt auf, verblüfft durch Mehrsprachigkeit, • trägt, im Gegensatz zu älteren Negerpolitikern, stolz die bunte malerische Tracht. Der Großvater des 1922 Geborenen unterlag kämpfend den eindringenden Franzosen. Ohne soziale Aufstiegschancen, daher mit starken antifranzösischen Affekten, wuchs der Enkel auf. Als kleiner Angestellter der französischen Kolonialherren begann er in der Gewerkschaftsbewegung, erhielt auch seine Schulung in Prag.

Er wurde schließlich Minister und Ministerpräsident der halbautonomen Republik, die am 28. September 1958 unabhängig wurde. De Gaulle hatte damals auf seiner Werbe reise die Hauptstadt Conakry besucht und be- gegnete dort dem herrischen Führer einer disziplinierten Kadergruppe. Guinea ziehe allen anderen Lösungen lieber eine Unabhängigkeit im Elend vor, erklärte Toure. „Dann müßt ihr mit Nein stimmen“, meint de Gaulle ärgerlich. 90 Prozent hatten dann trotz der schwarzen Prognosen, die man der Zukunft des Landes stellte, gegen die Communauté gestimmt.

Sie trafen alle nicht ein. Toure hatte sich nämlich als ein glänzender Organisator, ein umschaffender, dynamischer Politiker erwiesen. Die innenpolitische Leistung ist beachtlich. Der lebenswichtige Export (Kaffee, Bauxit, Erze) wurde sogar gesteigert, im letzten Jahr allein 214 Schulen errichtet. Es gelang, die spontane nationale Welle in eine nutzbringende Staatsmoral zu fassen. Toure stützt sich dabei auch auf die Frauen, denen er größere Freiheiten beschert, auf den Islam, als dessen treuer Bekenner er sich immer wieder zeigt, und auf den Aberglauben des Volkes, das in ihm den „Madhi“ sieht, der Afrika befreien und zu neuer Größe führen wird.

Tatsächlich trat er von allem Anfang an für die Unabhängigkeit ganz Afrikas ein, die damals utopisch, heute in greifbare Nähe gerückt ist. In Moskau sagte er das gleiche wie in Bonn: „Alle Länder, die mit uns Zusammenarbeiten wollen, haben Platz in Afrika.“ Sekou Toure ist in erster Linie Nationalist, erst in zweiter ein stark marxistisch beeinflußter Sozialist. Er will überall Hilfe annehmen, ohne sich zu binden, sprengt die bisherigen Vorstellungen über Afrika und erscheint deshalb als Revolutionär, der mit Vorsicht aufzunehmen ist. Sein geglücktes Experiment hat für Afrika beispielgebende Bedeutung. Conakry ist heute so etwas wie ein „Mekka“ für die schwarzen Politiker Westafrikas; für die Eingeborenen des französischen Einflußgebietes ist nicht Nkrumah aus Ghana, nicht Tubman aus Liberia, sondern Sekou Toure, der „Elefant von Guinea“, das Idol.

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