6820225-1973_31_08.jpg
Digital In Arbeit

„Non olet“ in Afrika

Werbung
Werbung
Werbung

Die Firma LONRHO — London Rhodesia Mining & Land Company — wurde bereits 1909 gegründet, ihr Einfluß und ihre Interessen blieben aber bis in die frühen sechziger Jahre auf Rhodesien und Zentralafrikanische Föderation beschränkt.

1957 begann mit der Unabhängigkeit Ghanas die Auflösung der europäischen Kolonialreiche auch auf Schwarzafrika überzugreifen. Die Welt proklamierte das Jahr 1960 zum „Afrikanischen Jahr“. Die Zentralafrikanische Föderation (aus den beiden Rhodesien und Njassaland) begann offen die ersten Spuren des Verfalls zu zeigen. Die Weißen in Afrika spürten täglich stärker den politischen und moralischen Druck des schwarzen Nationalismus.

Großbritannien, das damals auch in Afrika den Union-Jack einzuziehen begonnen hatte, war jedoch keineswegs bereit, seinen Einfluß — zumindest hinter den Kulissen — und sein Geschäft in den ehemaligen Kolonien aufzugeben. Im Gegenteil: für die smarten britischen Geschäftsleute war nun „ihre Stunde“ gekommen. Das war auch für LONRHO der Anfang des Aufstiegs. Afrika war zwar politisch unabhängig, aber es brauchte Kapital und Know-how, um seinen großen Reichtum an Bodenschätzen und landwirtschaftlichen Primärgütern auszuwerten.

Ein Mann, der die Situation genau erfaßte, war „Tiny“ Rowland, der 1961 Managing Director von LONRHO wurde. Rowland, ein enger Freund John Howmans, des späteren rhodesischen Außenministers im Smith-Regime, baute die Firma zunächst in Rhodesien, Sambia und Malawi aus. Während des letzten Jahrzehnts machte Rowland aus der Firma einen multinationalen Konzern mit 100.000 Beschäftigten und einem jährlichen Umsatz von 200 Millionen Pfund. LONRHO ist heute im gesamten englischsprachigen Afrika und darüber hinaus — in jüngster Zeit erstrecken sich die Interessen dieser Firma auch auf die

Dlreichen arabischen Staaten — ein wirtschaftlicher, aber auch politischer Machtfaktor ersten Ranges.

Rowland, der heute im Mittel-ounkt eines ausgewachsenen Skandals steht, besitzt zweifellos Unternehmergeist und geschäftliches Charisma. Aber gerade das wirft ihm nun die Konzernleitung in London vor.

Die jüngste Krise entstand im April, als acht von 15 Direktoren der Konzernleitung versuchten, Rowland von seinem Direktörsposten zu ent-Eernen. Der Disput dreht sich in srster Linie um den „Stil der Geschäftsführung“ Rowlands. Seine 3egner im Aufsichtsrat werfen ihm vor, autokratisch, ohne vorherige Konsultierung seiner Kollegen, gehandelt zu haben. Seine Anhänger rühmen sein „Flair“ im Umgang mit den politischen Führern Afrikas. Die Firma, deren Aufstieg sein Werk ist, ist der einzige britische Konzern, der nicht im Geruch steht, „imperialistisch“ zu sein.

Rowland, seines Einflusses bewußt, argumentierte, daß der Konzern ruiniert sei, wenn Staaten, wie Sambia und der Sudan, seinen Nachfolger ablehnten.

Dieses Argument Rowlands wurde von zahlreichen afrikanischen Direktoren des Konzerns in einer Erklärung unterstrichen, die vom LONRHO-Direktor für Ostafrika, Udi Gecaga, einem Schwiegersohn Präsident Kenyattas, und dem Direktor für West- und Zentralafrika, Gil Olympio, dem Sohn des ehemaligen Präsidenten der Republik Togo, mitunterzeichnet wurde.

Es ist nicht ganz einfach, zu verstehen, wieso gerade LONRHO einen so guten Ruf in Schwarzafrika erwarb, wenn man weiß, daß die Profite des Konzerns, die nicht zuletzt dank der billigen schwarzen Arbeitskraft erzielt wurden, unter anderem direkt in die Entwicklung des südafrikanischen Platinbergbaues fließen.

Diese Tatsache war schon seit geraumer Zeit bekannt. Spätestens seit der Publikation des Peat-Mar-wick-Mitchell-Berichtes im März 1972. Dieser Bericht ist das Ergebnis einer Untersuchung, welche die genannten Wirtschaftsprüfer durchführten, um die Umstände aufzudek-ken, die zur Liquiditätskrise von LONRHO führten. Im Vorjahr war der Konzern nämlich trotz enormer Profite illiquid geworden.

Die Profite des Jahres 1972 betru. Sen i 15^-. Millionen Pfund. ;Dayq,n stammen 10 Millionen aus Ost- und Zentralafrika und 4,7 Millionen aus Westafrika. Der Peat-Marwick-Mitchell-Bericht wies nach, daß „beträchtliche Summen“, die vom Konzern für die Erschließung der südafrikanischen Platinvorkommen vorgeschossen worden waren, „die Hauptursache für LONRHOs Illiquidität“ sei.

Das LONRHO-Imperium in Afrika reicht yon Goldminen in Ghana über die Textilindustrie in Nigeria. Diamantenminen in Lesotho. Zuk-kerplantagen in Ostafrika, Bergbau in Rhodesien bis zu Druckereien. Verlagen und Zeitungskonzernen. LONRHO ist im Besitz der wichtigsten Zeitungen in Ost- und Zentralafrika. Vor allem diese Tatsache, nämlich die Kontrolle über die meinungsbildenden Organe in zahlreichen Ländern Afrikas, hat viel zum Erfolg LONRHOs beigetragen.

Rowlands Geschäftspolitik schließt auch Pläne einer Expansion des LONRHO-Imperiums auf Nordafrika und Nahost ein. In einem

Brief an die Aktionäre teilte er kürzlich mit, daß er der Ansicht sei, in diesen.Gebieten „ebensoviel, wenn nicht mehr“ erzielen zu können wie in Schwarzafrika. Das heißt, daß Rowland zweifellos LONRHOs Zukunft mit dem ölgeschäft verbunden sieht. . .

Der vielleicht bedeutendste Aspekt des Falles LONRHO liegt auf politischem Gebiet. Er beweist nämlich deutlich die Doppelzüngigkeit der Politik der afrikanischen Staaten. Die führenden afrikanischen Politiker wußten genau über LONRHOs Südafrikaverbindungen Bescheid. Die Informationen waren von Anti-apartheid-Gruppen in London gesammelt und der sudanesischen Regierung zur Verfügung gestellt worden. Doch als der sudanesische Außenminister einige Monate spä-

von LONRHOs Apartheid-Verbindungen nichts zu wissen.

Der Sudan sucht seit dem kommunistischen Putschversuch im Jahre 1971, der das Ende der engen Beziehungen des Sudans zur Sowjetunion brachte, mehr und mehr Anlehnung an den Westen. LONRHO ist seit damals „Crownagent“ für sudanesische Importe aus Großbritannien. Die Firma will in die Entwicklung der sudanesischen Zuk-kerindustrie 40 Millionen Pfund investieren.

Das gesamte afrikanische Jet-Set wußte über LONRHOs Geschäfte mit dem weißen Afrika Bescheid aber „pecunia non olet“: Propaganda gegen Südafrika, aber Geschäfte mit Südafrika. Nach außenhin großes Geschrei gegen „Rassismus und Imperialismus“, doch innerhalb der schwarzafrikanischen Führerclique gute Geschäfte mit den sogenannten „Imperialisten“. Diesen „Geschäftsstil“ verstehen die Engländer vom Kaliber eines Tiny Rowland noch immer am besten.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung