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Uneinigkeit zwischen Brüdern

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Durch ihre starre, unnachgiebige Apartheidspolitik hat die Südafrikanische Union in wenigen Jahren viel Freundschaften verscherzt, ja sich mit der halben Welt überworfen. Auch die Beziehungen zu den Niederlanden, die von jeher sehr innig waren, sind infolge dieser Politik neuerdings schwer in Mitleidenschaft gezogen. In Pretoria und Johannesburg fanden Protestdemonstrationen statt, an denen sich nebst Tausenden von weißen Südafrikanern auch Einwanderer aus Holland beteiligten, die alle ihre Mißbilligung über die unfreundliche Haltung des niederländischen Staates der Union gegenüber bekundeten.

Die niederländische Regierung spendete nämlich einen Betrag von 100.000 Gulden in die Kasse des „Defence and Aid Fund“, eines Fonds, der vor zwölf Jahren in England gegründet wurde, um in Südafrika verhafteten Widerständlern juristischen Beistand und deren Familien eventuell finanzielle Hilfe zu leisten. Bedenkt man, daß die Vereinten Nationen sich nahezu einstimmig für diese Unterstützung ausgesprochen haben und somit viele Nationen sich daran beteiligen werden, dann ahnt man schon, daß ein besonderer Grund vorliegt, weshalb die Weißen der Union nun ausgerechnet über den niederländischen Beitrag so maßlos erbittert sind. Zum Teil wenigstens muß die Aufregung verwandtschaftlichen Gefühlen zugeschrieben werden. Südafrikaner und Holländer sind tatsächlich als Brüdervölker anzusprechen.

Umkämpftes Land

Um sowohl diese Verwandtschaftsbande als auch die heikle, rücksichtslos verfochtene Apartheidsideologie in Südafrika — beide haben übrigens nichts miteinander zu tun — dem Leser verständlich zu machen, müssen wir etwas weiter ausholen.

Im Jahre 1652 erhielt der Holländer Jon von Riebeeck von seiner Regierung den Auftrag, in der Nähe des Kaps der Guten Hoffnung eine Ansiedlung zu gründen, welche die Schiffe der „Ostindischen Compa-nie“ auf ihrer Fahrt von Holland nach Indien mit Vorräten versorgen sollte. Die Siedlung breitete sich allmählich mehr nordwärts aus, unter harten Kämpfen gegen einheimische Stämme, jedoch auch gegen Franzosen und Engländer mußten die

Niederländer sich zur Wehr setzen, die Engländer gaben ihre Machtansprüche auf das Land nicht auf. Neger, holländische Kolonisten und Engländer bekriegten sich gegenseitig, verbündeten sich gelegentlich auch zu zwei gegen den Dritten. Die schweren, mitunter aussichtslosen Kämpfe haben den Buren derzeit viel Sympathien in aller Welt besorgt. Die Niederländer besonders standen während der langen Kampfjahre stets auf der Seite des Brudervolkes.

Burische Traditionen

Das Kapholländisch oder Afri-kaans, diese sonderbare, poetisch anmutende Sprache mit den drolligen Wortkürzungen und Zusammenziehungen und der stark vereinfachten Syntax, die sich aus dem Niederländischen entwickelt hat, wurde erst 1925 als die offizielle Landessprache anerkannt. Sie hatte indessen schon bedeutende Dichter hervorgebracht, die in der gesamtniederländischen Literatur ihren Ehrenplatz erhielten wie die flämischen auch. Straßen in holländischen Städten wurden nach Helden aus dem Burenkrieg benannt. 1952 feierten die Niederländer den 300. Jahrestag der Gründung der Siedlung, aus der nach so bewegten Kämpfen endlich die freie Union entstanden war.

Diese hatte 1910 ihre Souveränität erhalten, gehörte allerdings noch weiter dem Empire, später Commonwealth, an. Der Kampf gegen England wurde trotzdem auf politischer Ebene fortgesetzt. 1934 gründete Malan die nationalistische Partei. Bei den Wahlen des Jahres 1948 erlitt Smuts eine entscheidende Niederlage, worauf Malan eine nationalistische Regierung bilden konnte. Als diese ihre Mehrheit bald noch verstärkte, war der Einfluß der Extremisten, die sich durch eine fatale Rassenpolitik hervortaten, nicht mehr aufzuhalten. Diese Rassenpolitik findet ihre Wurzeln in der ehemaligen Negersklaverei, die unter englischer Herrschaft zu Anfang des 19. Jahrhunderts offiziell abgeschafft wurde. Bereits 1834 wurden Farbige und Weiße vor dem Gesetz gleichgestellt, erst im Jahre 1910, im Jahre der Souveränitätserwerbung mithin, war es endlich so weit, daß, übrigens nur männliche, Schwarze in der Kapprovinz das Wahlrecht zugesprochen erhielten.

Heute wird unter Einfluß der Nationalisten die Uhr wieder um viele Stunden zurückgestellt. Einmal leider, auch das sollte nicht verschwiegen werden, gingen die Neger mit schlechtem Beispiel voran, als in Ba-sutoland eine Zeitlang keine Weißen zugelassen wurden.

Dialog erwünscht

Man sollte mit den Südafrikanern ins Gespräch zu kommen versuchen. Das wäre in erster Linie eine Auf-;abe für die verwandten Niederländer. Man fragt sich in diesem Zusammenhang: War es unbedingt nötig, daß die niederländische Regierung ihre finanzielle Verpflichtung in Hinsicht des „Defence and Aid Fund“ als eine der ersten erfüllte, auf die Gefahr hin, die Südafrikaner zu reizen und das gute Einvernehmen solcherart unnötig zu stören? Gewiß hat die Voreile überdies die heikle Arbeit der Opposition in Südafrika erheblich beeinträchtigt.

Die Verstimmung in der Union ist groß. Man vermutet politische Machenschaften, die sich angeblich als Druck von sozialistischer Seite auf die neue Koalitionsregierung manifestieren sollen. Von da zu Vermutungen kommunistischer Einflüsse ist nur ein Schritt. Schon fragt eine sonst ernstzunehmende Zeitung, ob dem Minister des Auswärtigen Luns nichts davon bekannt gewesen sei, daß ein Teil der Gelder des betreffenden Fonds, Gerüchten zufolge, für subversive Aktionen in Südafrika verwendet würde. Und die südafrikanische Zeitung „Die Trans-faler“ meint, die niederländische Regierung kämpfe zwar für Freiheit, sei aber offnsichtlich das Opfer kommunistischer Einflüsse, die einmal sehr wohl das Licht der Freiheit im eigenen Lande auslöschen könnten. Es unterliegt keinem Zweifel, daß die Regierung erst nach reiflicher Erwägung und in der Gewißheit, daß die Verwalter des Fonds auf Treu und Glauben verpflichtet wurden, gehandelt hat. Was ist schon dabei, dachten die Holländer wahrscheinlich. Der „Defence and Aid

Fund“ ist ja keine illegale Einrichtung, hat in mehreren südafrikanischen Städten seinen Sitz, ist mithin ein gesetzlich anerkannter, wenn auch nur geduldeter Fonds. Tatsächlich verhält es sich so, drüben aber scheint man in diesem Punkt nun einmal höchst empfindlich zu sein. Daß es auch den Negern schwer ankommen dürfte, über manche Widrigkeiten hinwegzukommen, das fällt den Nationalisten nicht ein.

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