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Vietnam mit umgekehrten Vorzeichen

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Als im Febbuar dieses Jahres in Angola die marxistische Befreiungsbewegung MPLA mit Hilfe kubanischer Söldner und sowjetischer Waffen die beiden prowestlichen Bewegungen FNLA und UN ITA besiegt hatte, war fü r die Welt das Kapitel Bü rge rkrieg in Angola abgeschlossen. Die Marionettenregierung Moskaus in Luanda, die dieser Tage den ersten Jahrestag der „Unabhängigkeit“ feierte, wurde seither von den meisten Staaten anerkannt. Aber die Guerilla in Angola geht weiter. Es zeigt sich jetzt, daß jene doch nicht ganz unrecht hatten, die vor einem Jahr davon sprachen, Angola könnte zu einem zweiten Vietnam werden, in dem die Großmächte ihre Rollen nur vertauscht haben.

Als die Portugiesen aus dem von äoares preisgegebenen Angola abge-ztogert war,- blieb <das<-Land) wie zu • erwarten gewesen war, im Bürgerkriegschaos zurück. Drei Befreiungsbewegungen kämpften um das Erbe der Europäer. Im Norden die prowestliche FNLA, im Süden die von Südafrika unterstüzte UNITA. Von diesen beiden wurde die marxistische MPLA, die das Gebiet um die Hauptstadt Luanda und das dazugehörige Hinterland kontrollierte, gleichsam in die Zange genommen.

Uber eine gewaltige Luftbrücke brachten dann die Sowjets modernes Kriegsmaterial zur Unterstützung ihres bedrängten Schützlings über Algier und Conakry nach Luanda. Fidel Castro schickte Truppen, die mit diesem Kriegsgerät umgehen konnten. Zehntausend Kilometer von ihrer Heimatinsel entfernt, gaben die kubanischen Legionäre dem Bürgerkrieg innerhalb weniger Wochen die entscheidende Wendung. Die von den USA nur halbherzig unterstützte FNLA wurde in einem Blitzfeldzug über die Grenze nach Zaire zurückgedrängt. Ebenso schnell wurde im Süden die UNITA aufgerieben. An ihrer Seite hatten südafrikanische Soldaten und weiße Hilfstruppen gekämpft Mit diesen rechnete die neue marxistische Regierung blutig ab. In einem Schauprozeß wurden im Juni drei Engländer und ein Amerikaner zum Tode und zahlreiche andere zu schweren Kerkerstrafen verurteilt - allen Interventionen westlicher Staaten zum Trotz.

Unterstützt von einem Heer von Beratern aus Moskau und den Ostblockstaaten begann die Regierung des Agostinho'Neto mit der marxistischen „Umerziehung“ der Bevölkerung. Die Kubaner blieben. Ihre Zahl soll heute doppelt so groß sein wie zur Zeit des Bürgerkrieges. Diese „Gurkhas der Revolution“, wie sie. der frühere amerikanische UNO-Botschafter Moy-nihan nannte, sind die wichtigste Stütze des Neto-Regimes, das sich nur mit ihrer Hilfe an der Macht halten kann. Denn der Bürgerkrieg geht weiter, nur die Taktik hat sich geändert.

Als die Kubaner im Februar die Ortschaften des Südens überrannten, befahl der UNITA-Chef Jonas Savimbi seinen Verbänden, die Städte kampflos zu räumen und sich in den Busch zurückzuziehen, um von dort aus einen Partisanenkrieg gegen die Marxisten zu fuhren.

Die zerstreuten und demoralisierten UNITA-Einheiten brauchten einige Zeit, um sich zu reorganisieren. Aber im Mai hatte Savimbi seine militärischen Führungsstäbe versammelt. In einem Buschlager am Cuanza-Fluß an der Grenze zu Südwestafrika wurde die neue Taktik des Partisanenkrieges geplant. Dort entstand auch das so-ge-nannte „Cuanza-River-Manifest“. Darin ruft die UNITA die Bevölkerung Angolas zum Widerstand gegen die MPLA auf.

Durch gezielte Sabotageaktionen, die UNITA und FNLA seither gemeinsam durchführten, wurde der MPLA und den kubanischen Legionären ein permanenter Nervenkrieg aufgezwungen. Die beiden prowestlichen Bewegungen behaupten, daß d,ie Regierungstruppen nur noch die Städte und Ortschaften unter ihrer Kontrolle hätten. Das Hinterland gehöre den Guerilleros. Die Moral der Kubaner habe bereits einen Tiefstand erreicht.

Wenn solche Berichte auch mit Vorsicht zu beurteilen sind, so gibt es doch eindeutige Hinweise auf eine Fortsetzung des Krieges in Angola. An der Grenze zwischen Angola und Namibia, dem von Südafrika verwalteten Südwestafrika, entsteht auf angolanischem Territorium und mit südafrikanischem Geld und Know-how eines der größten Kraftwerks- und Bewässerungsprojekte der Welt Seit September sind jedoch die Bauarbeiten an dem Cunene-Projekt eingestellt Grund dafür sind, wie Radio Luanda sagt, ständige Sabotageaktionen der UNITA-Guerilleros und Grenzverletzungen durch südafrikanische Truppen. Nach südafrikanischer Aussage üben kubanische Soldaten grausame Vergeltung an der Bevölkerung des Grenzgebietes wegen angeblicher Zu-M sammenarbeit mit den Partisanen. Tausende von Menschen fliehen über die Grenze nach Südwestafrika.

In den letzten Tagen berichteten die internationalen Nachrichtenagenturen von einer Großoffensive der von Kubanern geführten MPLA-Truppen gegen UNITA-Stellungen. Auf Seiten der MPLA kämpfen diesmal auch Verbände der SWAPO, der marxistischen „Befreiungsbewegung“ von Südwestafrika, und Südafrika nimmt an, daß die gegenwärtige Offensive eine militärische Invasion Namibias einleiten soll. Der UNITA-Widerstand wird jedoch nicht so leicht zu zerschlagen sein.

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