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Die SWAPO im Dilemma: Wählen oder kämpfen?

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In Südwestafrika hat sich im letzten Jahr vieles geändert Noch größere Veränderungen stehen bevor. Alle an der südwestafrikanischen Frage interessierten Mächte sind sich in einem Punkt einig: Das Land soll noch in diesem Jahr die Unabhängigkeit erhalten! Da ihnen aber sehr verschiedene Ziele vorschweben, wird hart um den Modus gerungen, wie dabei vorgegangen werden soll.

Dieses zum großen Teil menschenleere Gebiet von der zehnfachen Bodenfläche Österreichs beherbergt lediglich 860.000 Einwohner. Im Schnitt kommt ein Bewohner auf den Quadratkilometer. Das große Interesse der Welt erklärt sich aus den bedeutenden Bodeschätzen - neben vielen andern Minerahen kommen hier auch Diamanten vor - sowie aus der geographischen Lage zwischen dem marxistischen Angola und der Republik Südafrika.

Die südafrikanische Regierung verfolgt seit vielen Jahren die Politik, diesem ihr noch vom Völkerbund übertragenen Mandatsgebiet die Unabhängigkeit zu gewähren. Sie lehnte aber zu jeder Zeit einen nicht gut vorbereiteten, überstürzten Wechsel ab. Nach ihren Grundsätzen soll die Bevölkerimg des Landes selbst über ihre Zukunft entscheiden.

Die zu diesem Zweck im September 1975 einberufene verfassunggebende Versammlung wurde unter der Bezeichnung „Turnhallenkonferenz“ bekannt. Die elf Delegationen, die die zahlreichen ethnisch verschiedenen Völker und Gruppen repräsentierten, einigten sich zwar, ihr Werk fand jedoch in der Welt keine Zustimmung. Die Vereinten Nationen legten sich inzwischen darauf fest, allein die marxistische SWAPO unter Führung des im Exil lebenden Revolutionärs Sam Nu-joma als legitime Vertretung dieses nunmehr Namibia benannten Gebietes anzuerkennen.

Seit Jahresfrist bemühen sich die fünf im Sicherheitsrat vertretenen westlichen Mächte, zwischen den erstarrten Fronten zu vermitteln. Ein wesentliches Ergebnis dieser Gespräche war, daß die Regierung in Pretoria einen Generaladrninistrator für Namibia mit weitgehenden Vollmachten ernannte. Seine Aufgabebestehthauptsächlich in der Vorbereitung allgemeiner Wahlen zu einer verfassunggebenden Versammlung. Der Generaladministrator, Richter Marthinus Steyn, beseitigte sämtliche Rassenschranken und schuf die Voraussetzungen für einen geordneten Wahlgang nach westlichem Muster.

Nun ist es interessanterweise die SWAPO, die den Termin der Wahl durch das Vorbringen immer neuer Forderungen hinausschiebt Sie verlangt jetzt, die südafrikanischen Truppen müßten das Land vor der Wahl verlassen. Die Regierung Vorster weigert sich, dieses Ansinnen zu erfüllen.

Beurteilt man die Lage nüchtern, wird man zugeben müssen, daß einem Abzug der Truppen der Republik, promplrdie Machtergreifung durch die Guerillaverbände der SWAPO folgen würde. Jahrelang vom südafrikanischen Militär in Schach gehalten und immer wieder nach Angola abgedrängt, würden diese die erste und wahrscheinlich einzige Gelegenheit, ihr Ziel zu erreichen, nicht ungenutzt verstreichen lassen.

Man kann jedoch nicht behaupten, die SWAPO breite sich nur mit der Waffe in der Hand auf die kommende Wahl vor. Seit geraumer Zeit hat sie ihre Taktik geändert. Das Schwergewicht ihrer Tätigkeit in Südwestafrika liegt nicht mehr so sehr auf Terror-Überfällen, sondern auf der Einschleu-sung von Agitatoren, die Greuelmärchen über Willkürakte der südafrikanischen Truppen verbreiten. Die Einschüchterung der Bevölkerung in ihrem Operationsgebiet ist ohnehin schon groß und die bewaffneten Uberfälle haben die Ablehnung der Organisation bewirkt. Nun soll die Flüsterpropaganda Angst vor den Südafrikanern hervorrufen.

Eigenartig, daß von den fünf Mächten, mit denen Südafrika verhandelt, nur die Engländer und Franzosen die südafrikanische Position verstehen. Während die Kanadier zurückhaltend sind, unterstützen ausgerechnet die Vereinigten Staaten, sekundiert von der Bundesrepublik, die von Moskau geförderte SWAPO. Daß die bereits bestehende Verstimmung zwischen Pretoria und Washington dadurch noch tiefer wird, leuchtet ein.

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