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Einvemehmliche Lösung aufs neue schwer gefährdet

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Die Weiterentwicklung der südwestafrikanischen Frage stand während der letzten Monate im Zeichen einer westlichen Initiative. Man schien einer annehmbaren Lösung nahe zu sein, als es aufs neue zu schwersten Differenzen kam. Es geht um die territoriale Zugehörigkeit der Walfischbucht.

Die fünf derzeit im Sicherheitsrat vertretenen Mächte des Westens, die USA, Großbritannien, Frankreich, Kanada und die Bundesrepublik, kamen in intensiven Gesprächen mit der südafrikanischen Regierung überein, letztere solle einen Generaladministrator für ihr Mandatsgebiet ernennen, dessen Aufgabe in der Vorbereitung freier Wahlen zu bestehen hätte. Die Westmächte konnten sich nicht dazu verstehen, die nach ethnischen Gesichtspunkten zusammengesetzte Tumhallenkonferenz anzuerkennen, doch sollte es den Mitgliedern dieses Gremiums unbenommen bleiben, den von ihnen ausgearbeiteten Verfassungsentwurf in der neugewählten Körperschaft einzubringen.

Die Regierung in Pretoria ernannte den Richter Marthinus Steyn zum Generaladministrator, und dieser begann unverzüglich, mit al}en Gruppen der Bevölkerung Kontakt aufzunehmen. Bei der linksextremen SWAPO, die nach der im Hauptquartier der Verein- ten Nationen herrschenden Auffassung allein die Interessen des Volkes von Namibia vertritt, stieß er freilich auf feindliche Ablehnung.

Premierminister Vorster machte die Westmächte schon im Mai darauf aufmerksam, Südafrika werde die Verwaltung der Walfischbucht aus Windhuk abziehen und die Enklave selbstverständlich behalten. Diesem Vorhaben wurde nicht widersprochen, da der Hafen und das Umland rechtlich eindeutig südafrikanisches Territorium sind.

Schon 1878 von den Engländern anr nektiert, wurde das Gebiet 1884 der britischen Kapkolonie einverleibt, als Teil der Kapkolonie 1909 der Südafrikanischen Union und 1961 der Republik Südafrika. Weder das Deutsche Reich als ursprüngliche Protektoratsmacht über Südwestafrika noch später der Völkerbund, noch die Vereinten Nationen haben jemals den Besitzanspruch Südafrikas auf die Walfischbucht bestritten.

Als aber im September die Verwaltung des Hafens aus Windhuk, wo sie seit 1922 der größeren Nähe wegen etabliert war, in die Kapprovinz zurückverlegt wurde, erhob sich ein Sturm der Entrüstung. Die SWAPO kündigte an, sie werde die „Annexion” der Enklave nicht dulden und den Kampf für ihre Ziele mit aller Erbitterung fortführen. Ein Sprecher des UNO-Generalsekretariats nannte die Vorgangsweise der südafrikanischen Regierung einen „unglücklichen, unilateralen Akt”. Der UNO-Rat für Namibia forderte eine Sicherheitsratssitzung über dieses Thema.

In dieser Situation versprach Vorster, den berechtigten Wünschen des zukünftigen Staates Südwestafrika oder Namibia entgegenzukommen, blieb aber im übrigen hart. Er werde mit der neuen Regierung ein Abkommen schließen, das ihr die uneingeschränkte Benützung des Hafens für Handel und Wirtschaft garantiere; ähnliche Regelungen bestünden bereits für die Binnenländer Lesotho und Botswana, und es habe nie eine Klage gegeben. Sollte die Angelegenheit aber im Sicherheitsrat zur Sprache kommen, so erwarte er ein westliches Veto, sagte Vorster; andernfalls werde er sämtliche Gespräche über die Zukunft Südwestafrikas abbrechen.

Während in Südwestafrika die Meinung vorherrscht, der SWAPO sei der Streit um die Walfischbucht ein willkommener Vorwand, die bevorstehenden Wahlen zu boykottieren, damit ihr geringer Anhang nicht offenkundig werde, ist es der Regierung bitterer Emst mit der Absicht, ihren Standpunkt durchzusetzen. Der Grund liegt in der eminenten strategischen Bedeutung dieses an der afrikanischen Westküste einzigartigen Naturhafens.

Da Militärexperten die Auffassung vertreten, von hier aus sei eine Invasion Südafrikas durchführbar, ist die Republik fest entschlossen, diesen Pjatz nicht zu räumen. Der Gedanke, die Walfischbucht könne wegen der Schwäche oder Nachgiebigkeit einer zukünftigen südwestafrikanischen Regierung in die Verfügungsgewalt einer feindlichen Macht geraten, ist für die Südafrikaner mit Recht unerträglich.

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