6878641-1979_01_06.jpg
Digital In Arbeit

War Alleingang Pretorias richtig?

Werbung
Werbung
Werbung

Die von langer Hand vorbereiteten, von der UNO aber nicht anerkannten Wahlen in Namibia konnten ohne größere Zwischenfälle abgehalten werden. 81 Prozent der erfaßten Wähler, das sind 326.000 Personen, gingen zu den Urnen, 268.000 von ihnen entschieden sich für die „Demokratische Turnhallen-Allianz“, 38.700 für „AKTUR“, eine Partei weißer Siedler, die ein noch engeres Verhältnis zur Republik Südafrika anstrebt, als es von der DTA als einer Sammlungsbewegung verschiedener Rassen zu erwarten ist. In der geplanten verfassunggebenden Versammlung werden die DTA mit 41, AKTUR mit sechs und drei weitere, kleine Parteien mit je einem Delegierten vertreten sein.

In dem Resümee, das der Generaladministrator Marthinus Steyn nach der Schließung der Wahllokale zog, betonte er seine Freude und Genugtuung darüber, daß trotz der Drohung der SWAPO kein einziger Wähler seinen Entschluß, sich von der Stimmabgabe nicht abhalten zu lassen, mit dem Leben bezahlen mußte.

Die gute Vorbereitung und korrekte Durchführung der Wahlen wurde von den meisten anwesenden Journalisten und Beobachtern anerkannt. Daher kann man Steyn wohl beipflichten, wenn er die Meinung vertritt, die hohe Wahlbeteiligung werde viel zur Uberzeugungskraft der Wahlen beitragen, und die daraus hervorgehende Versammlung werde mit großer Autorität sprechen.

Dennoch ist die Frage berechtigt, ob diese Vorgangsweise, die in der Berichterstattung gewöhnlich als „Alleingang“ Südafrikas in der Namibiafrage apostrophiert wird, richtig war, ob ein Einlenken in Form einer Verschiebung der Wahlen auf einen der UNO genehmen Termin nicht klüger gewesen wäre.

Südafrika setzte dem Drängen der Vereinten Nationen, das vom Völkerbund erhaltene Mandatsgebiet freizugeben, die These entgegen, die Bevölkerung dieses Landes solle selbst über ihre Zukunft entscheiden. Hierauf ergriffen weiße Politiker Südwestafrikas die Initiative und luden Vertreter aller Völker und Stämme des Gebietes zu Besprechungen ein. So kam es zur Versammlung in der Turnhalle von Windhuk, deren Ziel in der Ausarbeitung eines Verfassungsentwurfes bestand. Die großen Gruppen entsandten gewählte Vertreter, die kleinen ihre „natürlichen“ Führer, nämlich Stammeshäuptlinge. Es waren durchwegs legitimierte Repräsentanten, die sich am Konferenztisch gegenübersaßen.

Nach jahrelangen Beratungen wurde der Verfassungsentwurf tatsächlich fertiggestellt und die Ver-

sammlung in der Turnhalle erklärte, Südwestafrika müsse, spätestens am 31. Dezember 1978 unabhängig werden. Darauf berief sich Südafrika.

Als aber die fünf im Sicherheitsrat vertretenen westlichen Mächte Südafrika aufforderten, den von der „Turnhalle“ beschrittenen Weg nicht weiter zu verfolgen, sondern lieber durch eine demokratische Wahl eine neue verfassunggebende Versammlung wählen zu lassen, stimmte die Regierung Vorster zu, da sich eine solche Wahl in den von der „Turnhalle“ aufgestellten Zeitplan einbauen ließ.

Ein zu langer Wahlkampf freilich würde sich besonders in einem Land, das noch keine demokratische Erfahrung oder gar Reife besitzt, äußerst nachteilig auswirken und das kaum erwachte Interesse an den öffentlichen Dingen erlahmen lassen, argumentierte Pretoria weiter.

Der vierte Grund für den „Alleingang“ war taktischer Natur. Eine Wahl bei Anwesenheit zahlreicher UN-Truppen und -Beamten hätte im gegenständlichen Fall der SWAPO einen mächtigen Auftrieb gegeben.

Nun können die sozusagen provisorisch gewählten Volksvertreter Südwestafrikas das Ruder übernehmen. Der südafrikanische Außenminister Roelof Botha betonte, er wolle lediglich als Berater fungieren und ihnen dringend empfehlen, sich um die Anerkennung durch die Vereinten Nationen zu bemühen. Der führende politische Kopf unter den Weißen Südwestafrikas, Dirk Mudge, erklärte sich „unter gewissen Bedingungen“ bereit, einem zweiten Wahlgang unter den Auspizien der UNO zuzustimmen. Um die Aushandlung dieser Bedingungen wird es in der nächsten Zukunft gehen.

Entscheidend für das weitere Schicksal Südwestafrikas („Namibias“) wird die Frage sein, ob Einsicht und Vernunft am Sitz der UNO endlich die Oberhand gewinnen. Die linksmarxistisch orientierte SWAPO Sam Nujomas bedenkenlos zur einzigen und rechtmäßigen Vertreterin Namibias zu deklarieren, war nicht nur ein Fehler, es war ein unmoralischer, weil die Wirklichkeit verzerrender Akt.

Sehr viel wird nun davon abhängen, ob die Westmächte in New York endlich wieder fester auftreten. Eine Wiederholung der Wahlen unter fairen Bedingungen wäre durchaus akzeptabel. Sollten die Vereinten Nationen sich aber von Sam Nujoma weiterhin für seine Pläne der totalen Machtergreifung in Namibia mißbrauchen lassen, ist Ursache vorhanden, der Zukunft mit Sorgen entgegenzusehen - nicht nur, was Südwestafrika anbetrifft.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung