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Nach Polit-Attentat: Lage gespannter denn je

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Die Ermordung eines der bedeutendsten Politiker Südwestafrikas, des Herero-Häuptlings Clemens Kapuuo, schreckte die an den Problemen Afrikas interessierte Welt auf. Die aus einer sowjetischen Tokarev-Pistole abgefeuerten Kugeln unterstrichen einmal mehr die Brisanz der politischen Situation im südlichen Afrika.

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Die Ermordung eines der bedeutendsten Politiker Südwestafrikas, des Herero-Häuptlings Clemens Kapuuo, schreckte die an den Problemen Afrikas interessierte Welt auf. Die aus einer sowjetischen Tokarev-Pistole abgefeuerten Kugeln unterstrichen einmal mehr die Brisanz der politischen Situation im südlichen Afrika.

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Der...55jährige, Häuptling Kapuuo wurde von-allen, die ihn kannten, hoch geschätzt. An den. erfolgreichen.Ver-. handlungen der „Turnhallenkonferenz“, am Abbau des tiefen Mißtrauens zwischen den einzelnen Stämmen und dem Aushandeln von Lösungen, die allen Gruppen akzeptabel erschienen, hatte er maßgeblichen Anteil Nach der Beendigung der Besprechungen in der Turnhalle wurde Kapuuo Präsident der Sammlungsbewegung „Demokratische Turnhallen-Allianz“ (DTA), deren Ziel es ist, die in der Turnhalle erarbeiteten Grundsätze und Pläne in das am 31. Dezember dieses Jahres die Selbstständigkeit erlangende Namibia hinüberzuretten.

Kapuuo galt intern als der zukünftige Staatspräsident. Als Repräsentant einer Minderheit - die Hereros stehen nach den Owambos, den Weißen und den Damaras mit 57.000 Köpfen an vierter Stelle - erschien er auf Grund seines persönlichen Formats selbst den Owambo-Politikern als der geeignetste Mann. Nach seiner gewaltsamen Beseitigung ist die Lage gespannter denn je.

Zwar bekennt sich die SWAPO nicht zu diesem Attentat, dennoch zweifelt niemand daran, daß die Bluttat auf ihr Konto geht. Nachdem sie eine Zeitlang unschlüssig zu sein schien, ob sie sich dem Votum des Volkes bei der für den Juli in Aussicht genommenen Wahl nicht doch stellen solle, ist offenkundig gewbrden, daß sie die bisher praktizierte harte Gangart beibehält.

Der Führer der SWAPO, Sam Nujo-ma, erklärte vor einigen Wochen, für ihn sei die Frage einer schwarzen Mehrheitsherrschaft gegenstandslos. Nicht irgendeine schwarze Regierung sei sein Ziel, sondern seine Gruppe müsse die Regierung bilden: „Wir sind Revolutionäre und kämpfen um die Macht.“

Zu dieser Klarstellung paßt ein Geheimdokument, das den südafrikanischen Behörden zugespielt wurde. Es handelt sich um das Protokoll einer Sitzung des Militärrates der SWAPO, die Anfang Jänner an einem mit Codenamen bezeichneten Ort in Angola stattfand. Es enthält Pläne für die Intensivierung des „Befreiungskampfes“ und lehnt die Teilnahme der SWAPO an Wahlen ab, solange süd-

afrikanische Polizisten und Truppen im Lande stationiert sind.

Beigefügt ist eine Liste der „reaktionären“ schwarzen Politiker, die ermordet werden sollen, um die gemäßigten Schwarzen ihrer führenden Persönlichkeiten zu berauben. Die Namen wurden nicht veröffentlicht, doch erfuhr man nach dem Mord an Clemens Kapuuo, daß sowohl sein Name, als auch der des im Februar ebenfalls mit einer Tokarev-Pistole erschossenen Gesundheitsministers von Owambo auf dieser Liste aufscheinen.

Eine gedeihliche demokratische Entwicklung, wie sie den Weißen und den zahlreichen gemäßigten Schwarzen vorschwebt, ist damit ernstlich bedroht. Die südafrikanische Regierung steht auf dem Standpunkt, die Bewohner ihres bisherigen Mandatsgebietes sollten ihre Zukunft selbst bestimmen. In diesem Sinne läßt sie ruhig geschehen, was im eigenen Land derzeit noch undenkbar ist. Alle Rassenschranken sind unter der Interimsverwaltung des Generaladministrators Marthinus Steyn gefallen.

Was Südafrika keinesfalls dulden will, ist die Verfälschung des Wähler-

willens durch einen Putsch oder die Beeinflussung der Wähler durch Repressalien. Deshalb die Weigerung, die Truppen vor der Wahl aus dem Gebiet zurückzuziehen.

Präsident Carter stimmte bei seinem Besuch in Nigeria angesichts der momentanen Situation mit seinen Gastgebern, die auch jetzt noch die SWAPO als einzige Vertreterin der Bevölkerung Namibias anerkennen, nicht überein. Er forderte, die fünf westlichen Mitglieder des Sicherheitsrates sollten ihre Bemühungen fortsetzen, mit allen am Konflikt beteiligten Parteien nach einer Lösung zu suchen. Es sieht jedoch so aus, daß zwischen dem demokratischen Weg und dem Machtanspruch der SWAPO kein Kompromiß möglich ist.

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