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Das Würfelspiel im Südwesten Afrikas

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Von der kommunistischen Machtergreifung in Angola fühlt sich Südafrika heute unmittelbar bedroht. „Wenn dort ein sowjetisch kontrollierter marxistischer Staat entstehen sollte, hätte dies tiefgreifende Auswirkungen nicht nur auf das südliche Afrika, sondern auch auf die gesamte westliche, freie Welt“, erklärte Premierminister John Vorster kürzlich. „Es würde die UdSSR auf beide Seiten der Seeroute um das Kap der Guten Hoffnung setzen, und man braucht nicht über das Ergebnis zu spekulieren?“

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Von der kommunistischen Machtergreifung in Angola fühlt sich Südafrika heute unmittelbar bedroht. „Wenn dort ein sowjetisch kontrollierter marxistischer Staat entstehen sollte, hätte dies tiefgreifende Auswirkungen nicht nur auf das südliche Afrika, sondern auch auf die gesamte westliche, freie Welt“, erklärte Premierminister John Vorster kürzlich. „Es würde die UdSSR auf beide Seiten der Seeroute um das Kap der Guten Hoffnung setzen, und man braucht nicht über das Ergebnis zu spekulieren?“

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In der Tat könnte von einer Achse Angola-Mogambique aus ein ungeheurer Druck auf die benachbarten Staaten ausgeübt werden. „Um die Lage zu retten, ist eine sehr starke und sehr dringende Aktion nötig“, sagte der südafrikanische Außenminister Hilgard Muller. „In dieser Hinsicht liegt eine schwere Verantwortung auf der westlichen Welt und auch auf allen von uns in Afrika, die gegen eine kommunistische Vorherrschaft sind.“

Einer jener Würfel, die als nächste fallen könnten, ist Südwestafrika.

Die ehemalige deutsche Kolonie ist nahezu zehnmal so groß wie Österreich, zählt jedoch nur 852.000 Einwohner, sie ist also mit lediglich einem Einwohner pro Quadratkilometer extrem dünn besiedelt. Sie ist ein vorwiegend trockenes, äußerst regenarmes Land. Ihr Reichtum liegt in den Bodenschätzen. Der Wert der geförderten Minieralien, besonders der Diamanten, beträgt fünf bis sechs Milliarden Schilling jährlich.

Das Mandat über Südwestafrika wurde der Südafrikanischen Union 1920 vom Völkerbund übertragen. Da die Republik Südafrika die Organisation der Vereinten Nationen nicht als Rechtsnachfolger des Völkerbundes anerkennt, erklärt sie jeden Versuch der Weltorganisation, ihr das Mandat zu entziehen, für illegal. Ebensowenig akzeptiert sie den Namen „Namibia“, mit dem Südwestafrika bei der UNO seit 1968 bezeichnet wird.

Die Südafrikaner fördern die Selbständigkeit Südwestafrikas, aber sie wollen unter keinen Umständen dulden, daß das Land das Schicksal Angolas erleidet. Würde Südwestafrika letztlich zu einem moskauhörigen Vorposten ausgebaut werden, so wäre das eine tödliche Bedrohung der Republik am Kap.

In Pretoria entschied man, die Bevölkerung Südwestafrikas solle selbst über ihre Zukunft bestimmen und berief eine verfassungsgebende Versammlung ein. Im neuen Staat sollen die natürlich gewachsenen soziologischen Lebensformen bruchlos weiterentwickelt werden. Dieses Unterfangen ist ungemein schwierig, denn neben den 400.000 Owambos und den 100.000 Weißen lebt noch ein gutes Dutzend anderer Völker und Stämme in diesem Gebiet. Es soll versucht werden, jeder Tradition Rechnung zu tragen und den gebotenen Minderheitenschutz zu gewährleisten.

Immerhin gelang es den in Wind-huk versammelten Delegationen, eine Grundsatzerklärung auszuarbeiten, in der „die wahren und authentischen Vertreter der Einwohner Südwestafrikas“ ihren Willen bekunden, das Recht auf Selbstbe-. Stimmung'und' Unabhängigkeit.• in. Anspruch^.sin- nehmen,-ieirte.^Regi^T(, rungsform zu schaffen, die jeder Bevölkerungsgruppe das größtmögliche Mitspracherecht garantiert, Gewaltanwendung jedoch, sowie jede ungeeignete Einmischung zum Zwecke der Beseitigung der bestehenden Ordnung zurückzuweisen.

Während dieses Dokument von der Regierung in Pretoria und in den verschiedenen Stämmen studiert und diskutiert wurde, unternahmen zahlreiche Delegierte eine Auslandsreise, um für ihren legalen Weg in der Welt um Verständnis zu werben. Sie wurden zwar in Washington, New York und London höflich empfangen, erlebten ansonsten aber auch viele Enttäuschungen.

Der Häuptling der Hereros, Clemens Rapuuo, stellte vor Journalisten fest, es sei schwer, das Ausland davon zu überzeugen, daß diese Gruppe die echten Repräsentanten der Bevölkerung Südwestafrikas umfasse, nicht die linksextremistische SWAPO, die vom Ausland aus durch Terroranschläge jede gedeihliche Entwicklung torpediere. Auch Dr. Africa, die führende Persönlichkeit des Rehoboth-Baster-Stammes, mußte erkennen, daß seine Delegation der SWAPO gegenüber im Nachteil sei, da diese in den letzten Jahren im Ausland intensive Propaganda getrieben hatte. Resignierend sagte er: „Wir fanden zwar faires Gehör, aber ob unsere Ansichten akzeptiert werden, ist eine andere Frage.“

Besonders schwer kreidete man dem Generalsekretär der UNO, Waldheim, an, daß er es ablehnte, die Delegation zu empfangen. Er begründete seine Weigerung mit dem Hinweis, die Delegation habe „keinen offiziellen Status“.

Inzwischen kommt es im Grenzgebiet zu Angola immer wieder zu Terroranschlägen und Morden. Die geängstigte Bevölkerung bittet die Regierung um verstärkten Schutz, der freilich schon aus landschaftlichen Gründen kaum gewährt werden kann. Kürzlich ist sogar ein Owambo-Minister einem Mordanschlag zum Opfer gefallen.

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