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Namibia als Modell

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Für die schwarzen Frontstaaten wäre eine friedliche Lösung des Rhodesienproblems von existentieller wirtschaftlicher Bedeutung. Dennoch verdrängt ein überhitzter Nationalismus die Vernunft in den Gehirnen der schwarzen Führer. IhrAe Sprache wird immer militanter und der Ruf nach gewaltsamer Machtergreifung immer lauter.

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Für die schwarzen Frontstaaten wäre eine friedliche Lösung des Rhodesienproblems von existentieller wirtschaftlicher Bedeutung. Dennoch verdrängt ein überhitzter Nationalismus die Vernunft in den Gehirnen der schwarzen Führer. IhrAe Sprache wird immer militanter und der Ruf nach gewaltsamer Machtergreifung immer lauter.

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Auch Südafrika bereitet sich auf einen Rassenkrieg vor: Ein Bündnis zwischen Salisbury und Pretoria zeichnet sich ab. Der rhodesische Ministerpräsident, Ian Smith, konferierte in Kapstadt mehrere Stunden lang mit dem südafrikanischen Premierminister Johannes Vorster. Es ist anzunehmen, daß Vorster den Rhode- siern eine aktive Unterstützung zugesagt hat.

Smith versucht eine Regelung der Machtübergabe nach eigenem Konzept: eine „interne Lösung”, in Zusammenarbeit mit den gemäßigten Schwarzen, ohne Beteiligung der „Patriotischen Front”, die er als Terrorbande und märxistische Agenten bezeichnet. Auch Südafrikas Premierminister Vorster, und nicht nur dieser, sieht in der „Patriotischen Front” Handlanger Moskaus, denen es nicht nur um die Beseitigung der weißen Herrschaft, sondern um die Errichtung weiterer sowjetischer Stützpunkte geht. Smith wie Vorster weisen auf die Gefahr einer weiteren sowjetischen Expansion hin, deren letztes Ziel die Festsetzung am Kap der Guten Hoffnung ist. Was es bedeutete, wenn Südafrika mit seinen enormen Rohstoffquellen und seiner strategischen Lage als Kontrollpunkt der wichtigsten Schiffahrtsroute der Welt unter sowjetischen Einfluß käme, zeigt ein Blick auf di’e Landkarte.

Die Regierung in Pretoria reagiert auf die wachsenden Rassenspannungen im eigenen Land mit drakonischen Polizeimaßnahmen. Anderseits ist auch sie um eine „interne Lösung” der Rassenproblematik bemüht, um die Zusammenarbeit mit einer breiten Basis gemäßigter Schwarzer. Und sicherlich wünscht sich die überwiegende Mehrheit der schwarzen Bevölkerung sowohl Rhodesiens als auch Südafrikas eine friedliche Lösung ohne Einmischung von außen.

Unter einer „internen Lösung” versteht Pretoria die möglichst rasche Realisierung seiner Politik der „getrennten Entwicklung”, der „großen Apartheid”. Auf Grund dieser Politik wurden für die verschiedenen Bantu-Gruppen Südafrikas eigene „Heimatländer” (Bantustans”) geschaffen, die zunächst innere Selbstverwaltung und dann volle Unabhängigkeit erlangen sollen. Diese Politik hat allerdings einen Schönheitsfehler. Für die Schwarzen, also für vier Fünftel der südafrikanischen’ ParöBrerung, ist nur ein Sechstel des gesamten Territoriums vorgesehen.

Im vergangenen Oktober wurde als erstes der schwarzen „Heimatländer” die Republik Transkei unabhängig. Vor wenigen Tagen erhielt Zululand innere Selbstverwaltung und heuer, im Dezember, wird Bophuthatswana in die Unabhängigkeit entlassen.

Ein Problem, das Pretoria unter den Nägeln brennt, ist die Zukunft Namibias. Auch dieses Gebiet soll nun möglichst rasch zur Unabhängigkeit geführt werden.

Namibia, das ehemalige Deutsch- Südwestafrika, ist eineinhalb Mal so groß wie die deutsche Bundesrepublik, aber die Bevölkerung beläuft sich auf nur 860.000 Menschen. Rund ein Drittel der 99.000 Weißen Namibias sind Deutsche. 1920 erhielt Südafrika vom Völkerbund das Mandat über die ehemalige deutsche Kolonie übertragen. Nach dem Zweiten Weltkrieg weigerte sich Südafrika, das Mandat in eine Treuhandschaft der UNO umzuwandeln. 1966 wollte die UNO Südwestafrika unter ihre Verwaltung steiler!. Da Südafrika aber diesen Beschluß nicht anerkannte, blieb alles beim alten. 1974 forderte der Weltsicherheitsrat Südafrika ultimativ auf, die Verwaltung Namibias aufzugeben. Daraufhin berief Südafrika seinerseits in Windhuk, der Hauptstadt Namibias, eine Verfassungskonferenz ein.

In der alten deutschen Turnhalle von Windhuk berieten daraufhin 135 Vertreter der verschiedenen Stämme und Rassen ein Jahr lang über eine Verfassung, die-mit Rücksicht auf die Stammestraditionen und auf die politischen und wirtschaftlichen Gegebenheiten des Landes - Gewähr für eine friedliche Entwicklung geben soll. Die Südwestafrikanische Untergrundorganisation SWAPO, von der UNO als einzige legitime Vertretung sämtlicher Volksgruppen Namibias anerkannt, boykottierte die Verfassungsgespräche.

Die SWAPO bezieht ihren Anhang vor allem aus dem Stamm der Ovam-, bos, der zahlenmäßig stärksten Volksgruppe des Landes, und ist in einen gemäßigten „internen” und einen radikalen „externen” Teil gespalten. Die Führung des externen Flügels der SWAPO steht völlig unter sowjetischem Einfluß. Mit Hilfe russischer Waffen und unterstützt von kubanischen Soldaten, führt die SWAPO von Angola aus eine Guerrilla gegen Südwestafrika. Sie fordert den sofortigen Abzug der Südafrikaner, Wahlen unter UNO-Kontrolle und die Verstaatlichung der Wirtschaft.

Im August 1976 beschloß die Turnhallenkonferenz, daß Namibia bis spätestens 31. Dezember 1978 unabhängig werden soll. Bis dahin wird eine gemischtrassische Ubergangsregierung die Geschicke des Landes leiten. Die erarbeiteten Verfassungsvorschläge sehen eine lose Föderation auf ethnischer Basis vor. Jede Form der Rassendiskriminierung soll abgeschafft werden.

Diese Vorschläge stellen einen Kompromiß zwischen dem südafrikanischen Modell der getrennten Entwicklung und den Forderungen der SWAPO nach einem Einheitsstaat mit rein schwarzer Zentralregierung dar. Gelingt es den Männern der Turnhalle, ihre Vorstellungen von einem multirassischen Bundesstaat auf der Basis der vollen Gleichberechtigung aller Rassen zu verwirklichen, so wäre damit ein Modell der Befriedung im südlichen Afrika geschaffen. Es könnte auch Südafrika als Vorbild dienen.

Pretoria bemüht sich zwar schon seit einiger Zeit um den Abbau der sogenannten kleinen oder „Petit-Apartheid”, die so unsinnige Blüten treibt wie getrennte Badestrände, getrennte Postschalter, getrennte Aufzüge und getrennte öffentliche Verkehrsmittel. Die Regierung stößt dabei jedoch auf starken Widerstand bei der weißen Bevölkerung. Es sind vor allem die drei Millionen Buren, die sich gegen jede Lockerung der Rassenschranken zur Wehr setzen. Aber auch im weißen Südafrika wird die Kritik an dieser Rassentrennung immer gewichtiger. Sie kommt hier vor allem von der katholischen Kirche und der englisch sprechenden Geschäftswelt des Landes, die in der vorläufig intransingen- ten Haltung der Regierung den Grund für die wachsende Wirtschaftskrise sieht. Das Vertrauen in- und ausländischer Investoren schwindet nämlich.

Die katholische Kirche ihrerseits hat mit dem Entschluß, die Rassentrennung in den konfessionellen Privatschulen aufzuheben, der Regierung offen den Kampf angesagt.

Ein rascher Abbau der „kleinen Apartheid” würde es auch dem Westen erleichtern, entschiedener, offener und ehrlicher für Südafrika einzutreten, ein Rassenkrieg könnte vermieden werden.

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