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HENDRIK F. VERWOERD / BUSCHBRAND AM KAP

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Wer spricht noch von Südafrika? Seit die Parole „Gipfel“ hieß, war die Union aus dem Auge, aus dem Sinn. Nur allzu gern läßt man ja die Dinge auf sich beruhen, wenn der Sturm vorüber ist. Es tritt ein jeder auf der Stelle, wo er im Grunde schon immer stand. Auch der letzte Lärm der publizistischen Nachhutgefechte ist verebbt.

Hendrik Frensch Verwoerd hat soeben das Krankenhaus verlassen. Seine Erklärungen bewiesen, daß er keineswegs gewillt ist, seine Politik zu ändern. Wohl erstrebe er „menschliche Lösungen“, aber der Ausnahmezustand wird nicht aufgehoben. Auch sein Stellvertreter Paul Sauer kündigte eine gewisse Modifizierung der Rassenpolitik an, fügte aber hinzu, daß das keineswegs ein Abgehen von der Apartheid bedeuten könne.

Nicht erst seit dem tragischen Tod von achtzig farbigen Demonstranten gegen die Rassenpolitik der Kapstadter Regierung steht Verwoerd im Blickpunkt der Welt. Schon vor zwanzig Jahren zählte er als Mitbegründer und Chefredakteur der Johannesburger Zeitung „Die Transvaler“ zu den bedeutendsten und zugleich umstrittensten Persönlichkeiten der Nationalen Partei.

Der 1901 in Amsterdam geborene Lehrersohn kam schon ah Zweijähriger in die Union. Von Haus aus ist er Psychologe und hat in Hamburg, Leipzig und Berlin studiert. Im Alter von 26 Jahren bekam er den Lehrstuhl für angewandte Psychologie an der geistigen Hochburg des Burentums, der Universität Stollenbosch. Der dynamische Professor hatte immer volle Hörsäle. Offenbar reizte ihn die Politik mehr. 1937 gab er die wahrscheinlich glanzvolle akademische Laufbahn auf, um die Chefredaktion des „Trans-valers“ zu übernehmen, der während des zweiten Weltkrieges antibritisch und prodeutsch eingestellt war. Man muß sich erinnern, daß in den dreißiger Jahren zwischen General Hertzog und General Smuts, zwei gemäßigten Exponenten der beiden weißen Volksteile ein Pakt bestand, von dem sich die Gruppe Malan distanzierte. Man versuchte, ein zweisprachiges, nach außen hin neutrales Staatswesen aufzubauen. Aber der Krieg, in dein sich die Englischsprechenden spontan auf Seite Englands: schlugen, sprengte den Pakt. Der Einfluß der burischen Vermittlungspolitiker nahm ab, und nach dem Verschwinden von Smuts siegte der rassenkämpferische Nationalismus Malans. Malan übernahm nach seinem Wahlsieg 3 948 die Regierung und ernannte Verwoerd zum

Senatsmitglied, er war fortan auch „Chefideologe“ der Nationalpartei. 1950 wurde er zum Minister für Eingeborenenfragen berufen.

Die Gesetze der Apartheid, die Verwoerd „zum Schutz der Schwachen und für die Sicherheit ' der Minderheit“ in dem von 3 Millionen Weißen, 10 Millionen Afrikanern, 1,4 Millionen Mischlingen und fast einer halben Million Indem, Chinesen und Malaien bevölkerten Staates als „unvermeidlich“ und zugleich „segensvott“ betrachtet, sind zum großen Teil sein Werk. Er, den seine Mitarbeiter als von Energie überschäumenden Idealisten bezeichnen und zahlreiche Kritiker als Rassenfanatiker abtun, kennt selber, keinen Zweifel an der moralischen Vertretbarkeit und praktischen Durchführbarkeit der Apartheidpolitik, besonders seit er an der' Spitze des Kabinetts steht.

Im Herbst 1959 wählte ihn der für. 'die' Präsidentenwahl zuständige Parteiausschuß, dem 101 Abgeordnete und 76 Senatoren augehören, neun Tage nach dem Tod Strijdoms, mit 98 Stimmen. Nach den Generalen Bothä, Smuts und Hertzog, nach Dr. Malan und Strijdom ist Verwoerd jetzt der sechste Regierungschef in der 50jährige Geschichte der Südafrikanischen Union.

Hendrik Frensch Verwoerd hat am radikalsten an der Verwirklichung dieses Programms gearbeitet, das die strikte Trennung 4er eingeborenen Bevölkerung von dem burischen „Herrenvolk“ in allen Lebens^ bereichen vorsieht. Die Verfassung garantiert wohl den farbigen Bürgern die gleichen Rechte wie den weißen, in der Praxis aber kaum etwas anderes als die Aufrechterhaltung des Herrschaftsanspruches, der Weißen, Das Absurde dieser Anschauung liegt nahe, wenn man etwa denkt, daß der Zoolpgische Garten von Johannesburg zwei Eingänge hat. Erst nach dem Eingang mischen sich Weiße und Farbige beim gemeinsamen Betrachten der Tierwelt..

Verwoerd hat oft, gerade in letzter Zeit,- an der Afrikapolitik der Westmächte vehemente' Kritik geübt. Die „überhastete Souveränitätserteilung“ an die schwarzen Völker werde Afrika in ein Chaos stürzen und den endgültigen Rückzug des weißen Mannes zur Folge haben. Die vergangenen Tage aber haben gezeigt,- daß Verwoerd mit seiner genau: gegenteiligen Politik schließlich zu dem von ihm befürchteten Resultat kommen dürfte. Die Union kann, vollzieht sieh kein Wandet, in einem furchtbaren Buschfeuer aufgehen.

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