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Randbemerkungen ZUR WOCHE

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SPRUCHBÄNDER, GESCHLUNGEN UM EINS WELTKUGEL, mit der! Worten „World Brotherhood"oder tFratėfnitė Mondiale“ symbolisieren die Ziele einer internationalen »Gesellschaft für Weltverbtüderung“, die jetzt auch die Gründling einer österreichischen Zweigorganisation anstrebt. Die ausgegebene Propa- gändaschrift erklärt: „World Brotherhood ist eine freiwillige, von allen ftegietüiigeh unabhängige Organisation, die Vorurteile und Intoleranz zu übCtwittden, Verständigung lind ZitSäfnihenärBPit zwischen Manschen Unterschiedlicher Nationalität, Rasse und Religion zu fördern bemüht ist." Dieser aus dem Formelwesen alter Gesellschaften bekahnle Satz wird ergänzt durch die Versicherung:

„World Brotherhood weiß, wie und wodurch Geisteshaltungen entstehen. Sie arbeitet mit jenen Einrichtungen (ter Gesellschaft zusammen, die Haltungen und Meinungen schaileh, d, h. mit Schulen, Kirchen, freiwilligen Organisationen, Presse, Radio, Film, Gewerkschafts- Und Unternehmėrvėrbiiriden. World Btothethöod bedient sieh ausschließlich ėriieherisehet Methoden, nicht aber politischer Techniken und politischen Drucks. sie weiß, daß Haltungen m einem langen und stetigen Etziehüngsprozeß her- angebildet weiden, nicht aber dadurch, daß man Menschen zwingt, Meinungen anzunehmen. Šie bringt Persönlichkeiten in Schlüsselstellungen zusammen, die Programme und Methoden zur Förderung solcher Haltungen dpt Verständigung und Zti- sammenatbeit entwickeln.1“

Gleichzeitig mit dieser Prögtammschrilt gelangt eine „Provisorische Liste der Sponsoren (Fötdefbr) det World Brotherhood in öesler- rėičli" žūt Ausgabe, Die Liste enthält bei hundert Namen höher und höchster Amtsträger aus Staat und Kirche und bekannte Persönlichkeiten der Wissenschäft) Literatur, Publizistik und Wirtschaft, Repräsentanten aller Parteien, Weltanschauungen und Kofitessionen. Die Namensreihe diėšėr „Sponsoren“ hätte viel zu sagen, dėhh „sßöhsöf“ heißt nicht „Förderer“, wie did Aussendung sagt, sottdeth „Barge". Doch hat die Liste den Mahgel — rhäri darf äh- nähmtfi: hCrVörgerülen durch eifiėn Fehlet des Sekretariats —, daß neuhztg Prozent der verzeichneten Persönlichkeiten vor Erhalt der „Provisorischen Liste" von der ihnen zugė- dachten Ehre nicht Kenntnis hätten, Diese Vermutung sei ant Rande vermerkt, um Mißverständnisse zu vermeiden.

KLAREN KOPF BEWAHREN, das Scheint Uns für alle Oešferreichėr, die in Berlin wieder einmal sehen mußten, wie sehr die Freiheit ihres Landes mit einet allgemeinen Bereinigung der großen weitpölUischen Gegensätze verquickt ist, nach eitiem allen Wort die erste Bürgerpflicht. Denn schon hören wir da und döft Stimmeft-, die in den Ghor dės äll- gemeinen Unmuts, ja dėt Empörung eingeschmuggelt) Sonderbare) höchst sonderbare Ansichten salonfähig ZU machen versuchen. Las man da zum Beispiel in einem Wieher Moniagbiattt

„Der Teil dės österreichischen Volkes aber, der, wie Außenminister Figl in seiner ersten Bede in Berlin erwähnte, im Aptil lind Mäi 1945 seihe Befreier init ĖS- gėišlMrftg begrüßte, hat hun die deutlichste Zurückweisung Und Bloßstellung erfahren; Könnte nun ėihef tiūistėhėh ufid denen, die 1945 den Truppen, insbesondere jener Macht žujubėlten, von det sie nun so Schfrtiihlieh enttäuscht wurden, den VotwUrl machen, siė hätten damals schon wissen müssen, wie alles kommen würde? Könnte einer šie anklagen, daß sie mit ihrer Zustimmung Verrät äh Oėštėrrėičh gaubi hatten?… Warum wir das feststel- ien? 1m jähre iß38 gab es auch einen Bim thäfsth und äuen da jubelte ein Ten des östetreiehisehen Volkes. Auch diese Oestėrreieher erwarteten Sich nur Gutes davon für ihr Land. Sie gläubteti eben an das Hėil aus dieser Richtung, Wie sieben Jahre später andere das Heil aus anderer Richtung erwarteten. Denen aber, die 1P38 jubelten, kteidet man die Irrtümer Und Enttäuschungen hoeh immer als sehuid an Uhd Stempelt Iht damäliges Wollen als Veftdt ah Oėstėtteiėh."

Moment, Moment… hier beginnt das historische öküiät bedenklich unscharf zu werden. Zur Klarstellung: Hits erste darf erinnert Werden, daß in den Spalteh dieses Blattes ztl einer sehr früheh Zeit für ėift großzügiges Vergeben und Vergessen plädiert würde. Allfällige Anschuldigungen, Wir konservierten alte Gegensätze, verfangen also nicht. Aber es ist etwas andėfės, für eine Politik dės dėhiuBsttiėhės unter ein leidvblibs Kapitel eln- Ziilfeien uhd iwel grundvėrsėhiedėhe Motive mit Hilfe einiger Tticks gieichiuseueh; Wenn zwei Aehntiches tun, ist es nicht dasselbe… Vor bald 16 Jahren ging es datum, ob Oesterreich als ein selbständiger Staat Weiterleben oder von der Landkarte getilgt werden sollte, Jene, die dazu ihre Hilfe gaben, daß letzteres geschah, mögen aus Verblendung oder Welch ähdeten Motiven immer gehandelt haben — ihnen ist längst schon vetgeben. Auf keinen Fäll aber kann matt, sollen flieht die Wötte wie im kdfnmuntstlschen Väkäbuiür vetkehrt wetden, im Nieäerholeh der rptweißroten Fahne eine gleich lobenswerte Tat sehen, Wie in den Bemühungen, aus den Donau- und Alpengauen wieder Oesterreich zu zimitiStti. Man merkt hier zu deutlich die Absicht, um nicht verstimmt zu šdin.

EINEN HÖHEPUNKT RHETORISCHER KUNST erlebte in diesen Tagen dėt Bonner Bundestag. Anlaß dafür waten in doppelter HlhSiCht die FtdUeh. Einmal, weil die Debatte im Bundestag eben um die Rechtsstellung det Frau in där Bonher Republik ging, Zum anderen weil die weiblichen Abgeordneten, an der Spitze die 78jährige Frau Dr. Lüders (FDP) und Frau Schwarzhaupt (CDU) eine Höhe dėt Auseinandersetzungen erzwangen, die bei SO vielen vorhėrgegdnpėhen „männlichen“ Disputen und '.änketeiim zu vermissen Wat. Man versteht den Sinn dieser gegenwärtigen Debatte hoch nicht ganz, wenn man nur weiß, daß SS um eine Vorlage des Justizministeriums ging, der zufolge dem Männe in det Familie in letzter Instanz allein die Ent- scheidungsgeWdlt zufallen soll. Die CDU vertritt die Aufrechterhaltung des Patriarchats,

wenn auch m gemäßigter Form. Dagegen brächten sowohl die Oppositionspartei, die Sozialisten wie auch die der Regierung ange- hörerideh Freien Demokraten eigene Entwürfe ein, die der FtaU eine Gleichstellung mit dem Manne in allen familienrechtlichen Belangen erkämpfen soll, — Die Debatten sind im Gang. Hinter ihnen steht det vielleicht tragischeste Komplex des deutschen Volkes. Dieses tlät in den letzten ISO Jähren eine, Wie Wit üftd Viele Beobachter litt deutschen. RäUtn selbst glauben, vethängnisvoiie einseitige Entwicklung dutch- gärhädhi, die immer stärket das , Männliche", ja das Mähnische in den Vordergrund stellte. Die sogenannte „Verpreußung“, düs Hervorkehren düs »Soldatischen" setzt ebenso hier an Wie ein gewisser hektischer Arbeitseifer, dazu ein Versiegen des Vertrauens auf die leisen Kräfte der tiefe. Die Romantiker haben das schon erkannt und zum Teil am eigenen Leib Verspürt. Dieses Verdrängen des Weiblichen Uhd Fraulichen ist übet altes ehet als eine romantische Angelegenheit. DUSKurzatmige, ZU sofortigen »Erfolgen" Drängende dėt deutschen Politik ist nut von hiėr aus zu versteheh, ebenso das tiLfe Mlßtraüeh gegen die »Demokratie", gegen die Zusammenarbeit mit Gegnern, gegen den „Kompromiß“. — Der Bonnet Bundestag besitzt heute ohne Žyvėiiėl eine rein „männliche Mehrheit — daß düs Wärt der Prait in ihm diesmal ėinė so Starke Beachtung erzwang, darf vielleicht gewettet werden im Hinblick auf eine langsame echte Konsolidierung und Stabilisierung der Verhältnisse Im deutschen Volk, das wie jedes VOlk angewiesen ist auf eine ächte Spannung zwischen einem echten männlichen und einem echten weiblichen Pol.

IN HITLERS GEPANZERTEM MERCEDES ist der „starke Mann" Syriens, Oberst Adil Schi- schakly, in das glücklicherweise behächbäHe, ausländische Beyrouth geflohen. (Der Wagen wurde sodann seltsamerweise nach SytiefižtP rückgesehickt, vielleicht als freundliche Widmung für den Gebrauch ties Ndchiolgėfs.) Zu gleichet Zeil WUtde Genėtai Naguib Seiner tatsächlichen Macht entkleidet und äuf eine, wiü seineGegnei hdffėn, dekorative Rolle beschränkt, Naguib hatte mit einem großen, umstürzlerischen Programm begonnen, die tatsächlich vorhandenen sozialen Mißstände dutch Verteilung dėr Latifundien mit einem FedCr- zug beheben Wölleh. Sein Mißgeschick war, daß Sich Theotie und Praxis nicht ohne weiteres Vereinigen lassen, Es mangelte bei der Büdentelorm an Werkzeugen wie art Behausungen ~ die Versäumnisse Von 20 Generationen lassen Sich nicht in einem Jahr näCh- holen. Die Briten ließen sich weder dutch Drohungen noch durch „Kalten Krieg" zum Abzug bewegen, da ihnen die geringe politische Stabilität dės neUen Systems kdihe genügende Gewahr lat die Sicherheit des archimedischen Punktes des Nähost-Verteidigungssysterfis, der SUezkänalZötie, zu bieten schien. Der ägyptische Ktedit im Ausland hei mit dem Sinken der Produktion, die Fintinzhot verschärfte sich. Und schließlich würde dot »Gordon militaite" im Nahen Osten in die vorderste Linie Türkeis-Pakistan vorVerlegt. Der Iran lenkte in die alten „WeSllerisCheh“ Bahnen, Und Aegypten Stand hach einer glänzenden Ausgangstage innerlich und außenpolitisch geschwächt, statt gestärkt, abseits, schließlich schul auch die Auflösung der Mos emiiga dem General neue, ernsttuhehthende Feinde. Seih Nachfolger, der 36jährige Oberst Nässer, ein bekanntet Haudegen, gilt als noch radikaler antibritisch gesinnt. Ob Aegypten unter ihm die Fäden zu den europäischen Sowjet-Satellitenstaaten dichter wöben Wird, als CS Nagüib bereits begann, steht hoch ddhin. Es kommt vor, daß Verzweifelte aus Furcht vor dem Tod Selbstmord begehen…

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