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Zwischen Schwarz und Weiß

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Am 9. April 1953 gab es in Südrhodesicn, dem nördlichen Nachbar der Union Doktor Malans, eine Abstimmung über den Zusammenschluß der drei zentralafrikanischen Länder. 63% der abgegebenen Stimmen waren für, 37% gegen den Föderationsplan. Stimmberechtigt waren 49.032 Personen, davon 47.533 Weiße, 535 Asiaten (meist Inder), 535 Mischlinge und 429 Neger.

Südrhodesien ist seit 1923 ein unabhängiger Gliedstaat des britischen Weltreiches, wie Kanada, Australien und Neuseeland. Das heißt, daß dieses Land von 140.000 weißen Siedlern regiert wird, während die fast zwei Millionen Eingeborenen keine politischen Rechte besitzen. Bis 1949 konnten sich auch an die 500 Neger in die Wählerliste eintragen lassen. Seit 1949 wurde aber die Wählerliste für die Neuaufnahme von Eingeborenen gänzlich gesperrt. Nordrhodesien und Njassaland hingegen wurden und werden von englischen Gouverneuren regiert. Eine Vereinigung dieser drei Gebiete steht seit den zwanziger Jahren zur Debatte. Die weiße Siedlerschaft und als ihr Sprecher die südrhodesische Regierung haben seither Jahr um Jahr beim englischen Kolonialamt Vorstellungen erhoben, die eine solche Vereinigung, und damit die Uebertragung der politischen Macht in die Hände der weißen Minorität, verlangten.

Doch in den dreißiger Jahren gab es in der britischen Kolonialpolitik eine starke Richtung, die den „Vorrang der Interessen der Eingeborenen“ in diesen Gebieten verkündete und sich selbst nur als deren „Treuhänder“ bis zur Erlangung ihrer politischen Reife betrachtete. Die britische Regierung war daher keineswegs gewillt, den Forderungen der weißen Siedler nachzugeben.

In der Zwischenzeit entwickelten aber auch die Neger ein bemerkenswertes National-gcfühl, Hand in Hand mit der Entwurzelung durch die aufblühende Industrie. Bis zu 80% der männlichen Bevölkerung sind in diesen Gebieten, manchmal tausend Kilometer von ihrem Heimatdorf entfernt, auf Arbeit in den Fabriken und Minen. Wenn sie heimkommen, bringen sie nicht nur Kattunhosen und Fahrräder mit, sondern auch national-revolutionäre Ideen. Audi entstand eine, von den Weißen selbst herangeschulte Schichte von Intellektuellen. Diese ist es, die heute, von Indien bis zur Goldküste, politisch zählt und die von der Masse ihrer analphabetischcn Mitbrüder als Führerschaft anerkannt wird. Dazu kommt, daß die Anhäufung von Negern als Industriearbeiter diesen konkrete Machtmittel, wie zum Beispiel Generalstreik, in die Hand gegeben hat, um wirtschaftliche oder politische Forderungen durchzusetzen. In dieser Hinsicht stellt besonders das nord-rhodesische Kupfergebiet mit seinen hunderttausend z\rbcitcrn einen wichtigen Faktor dar.

Die Neger haben gegen die geplante Föderation aufs schärfste protestiert und alle diesbezüglichen Verhandlungen boykottiert. Da-

her mußte auch eine nur „realistische“ englische Politik der Föderation ablehnend gegenüberstehen.

So lagen die Dinge bis vor ungefähr zwei Jahren. Im August 1950 aber gewann die burische Partei im benachbarten Südafrika die Wahlen, und Dr. Malan wurde Ministerpräsident. Wenn nun die Südafrikanische Union auch schon unter Führung des england-frcundlichen Generals Smuts expansionistische Gelüste gezeigt hat, so war nun diese Gefahr unter der Führung einer englandfeindlichen Regierung ungleich brennender. Daher warf die britische Regierung das Steuer herum und bereitete die Schaffung eines starken britischen Staates in Zentralafrika vor. Nach langwierigen Verhandlungen gelang es, bei der letzten Konferenz in London vom 1. bis 29. Jänner 1953 den Föderationsplan unter Dach und Fach zu bringen. Die südrhodesische Abstimmung hat sich, wie zu erwarten, für ihn ausgesprochen. Das britische Parlament hat nun das letzte Wort über ihn zu sprechen.

Man erwartet, daß der neue Staat offiziell am 1. Jänner 1954 proklamiert wird.

In der Verfassung des neuen Staates sind, auf Betreiben der englischen Regierung, etliche Schutzbestimmungen für die Neger vorgesehen. So wurde ein „Amt für afrikanische Angelegenheiten“ geschaffen, das berechtigt ist, gegen negerfeindliche Gesetze eine Art Veto einzulegen. Auch bleiben die gegenwärtigen lokalen Verwaltungen in den drei Gebieten bestehen. Anderseits bekommt die neue Zentralregierung so umfangreiche Gewalt, daß ein wirksamer Schütz für die Neger nur in einer gleichen Vertretung im neuen Gesamtparlament liegen würde. In diesem stellen aber die Weißen 26 und die Neger nur neun Vertreter. Weitergehende Schutzmaßnahmen hätten nie die Zustimmung der süd-rhodesischen Weißen gefunden. Schon jetzt stimmten 37% gegen die Föderation, da diesen selbst die gegenwärtigen Schutzmaßnahmen für die Eingeborenen zu umfangreich erschienen.

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