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Katholizismus und Rassenfrage

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Eine Frage, die uns Amerikanern sehr viel Sorge macht, ist das Ras-senproblerB. Wir schämen uns der Vergangenheit, sind aber stolz auf das, was heute geschieht. In praktisch allen Lebensäußerungen, in der Erziehung, in den gesellschaftlichen Beziehungen, im Beruf und im sozialen Status ist der Neger gleichberechtigt geworden. Die Führet unter den Negern sind die ersten, die dies anerkennen und mit Stolz auf ihre Anerkennung als vollwertige Amerikaner hinweisen.

Was hat die amerikanische katholische Kirche dazu beigetragen? Heute sind von den 15 Millionen Negern weniger als 500.000 Katholiken, das heißt von 30 Negern ist nur einer katholisch. Demgegenüber ist jeder fünfte Amerikaner Katholik. Woraus erklärt sich dieses Mißverhältnis? Ich habe schon darauf hingewiesen, daß es sehr wenige Katholiken, weiß oder schwarz, im tiefen Süden gibt. Aber gerade in diesen Gebieten lebten die Neger. Katholiken wurden in den südlichen protestantischen Gemeinden noch vor 50 Jahren überhaupt nicht aufgenommen. Die Neger traten natürlich der Religion der sie umgebenden Weißen bei und wurden daher protestantisch. Man könnte natürlich die Frage stellen, warum die katholische Kirche nach dem Bürgerkrieg keine Missionäre in diese Gebiete entsendet hat. Das war freilich eine Chance, die die Katholiken nicht wahrgenommen haben. Aber liegt die Schuld bei den Amerikanern allein? Es hätten Missionäre aus Europa kommen müssen. Einen Teil der Schuld tragen wohl auch jene katholischen Priester, die ihr Vorurteil gegenüber dem Neger nicht abtun konnten. Schließlich aber hatte auch der Neger selbst, der an sich schon ein Verworfener war, kein Verlangen, einer Kirche beizutreten, die die meisten wei&en Amerikaner geringschätzten. Es war schon schlimm genug, ein „N igger“ zu sein, bedeutend schlimmer, zudem noch römisch-katholisch zu sein....'

Wir haben die erste große Chance, Neger zum Katholizismus zu' bekehren, verpaßt. Jetzt haben wir eine zweite Chance. Während der vergangenen zwei Weltkriege kamen viele Neger in die Städte des Nordens, um in den Fabriken zu arbeiten. Aus diesem Grunde leben heute 60 Prozent von ihnen in den Städten, während sie früher zum überwiegenden Teil in den ländlichen Gebieten angesiedelt waren. Da ja die Katholiken Amerikas auch meist in den Städten zu finden sind, haben wir jetzt sehr viele Konversionen zu verzeichnen. Im Durchschnitt der vergangenen 25 Jahre sind jährlich 10.000 Neger der katholischen Kirche beigetreten. Die Hälfte der heutigen Negerkatholiken sind Konvertiten. Ein ausländischer, nichtkatholischer Berichterstatter, Alan Paton, schrieb im vergangenen Jahr in einer liberalen Zeitschrift, daS die Katholiken in Amerika von allen, die mit dem Negerproblem befaßt sind, die beste Gesinnung aufzuweisen haben. Unsere Bischöfe hielten nicht hinter dem Berg mit der Verdammung des Rassenvorurteils. Katholische Schulen und Universitäten hatten bereits Neger und Weiße gemeinsam unterrichtet, lange bevor das Oberste .Gericht dies in einer Entscheidung zum Gesetz gemacht hatte. Es gibt Negerpriester und Nonnen — ihre Zahl steigt allenthalben. Es gibt freilich auch noch immer Katholiken, die sich weigern, zur Messe zu gehen, wenn sie von einem Negerpriester zelebriert wnd. Ihr Bischof sagte ihnen unverzüglich, daß sie nicht zu den Sakramenten zugelassen würden, wenn sie nicht den Priester akzeptierten, der ihnen geschickt wurde. Andere Katholiken weigerten sich, ihre Kinder in eine Schule zu schicken, in der auch Neger unterrichtet wurden. Ihr Bischof machte ihnen klar, daß es eine Trennung von Negern und Weißen, in welcher katholischen Kirche oder Schule seiner Diözese immer, nicht geben kann.

Auch besondere Organisationen nehmen sich der Aufklärungsarbeit an. Eine der schlagkräftigsten nennt sich „Friendship House“ (Haus der Freundschaft). Ihre Gründung erfolgte in der Absicht, Gerechtigkeit zwischen den Rassen zu fördern. Die Mitglieder des Hauses der Freundschaft beobachten freiwillig, obwohl sie Laien geblieben sind, die Regeln der Vervollkommnung, Armut, Keuschheit und Gehorsam. Die Gründung der Häuser der Freundschaft begann in Harlem, New York, im Jahre 1938. Von da an schloß sich ein halbes Dutzend Neugründungen an. Sommerkurse über das Zusammenleben verschiedener Rassen werden veranstaltet. Die Arbeit reicht von schlichten Unterhaltungsveranstaltungen über Vorträge und Diskussionen bis zu der Ausgabe einer monatlich erscheinenden Zeitjmg und dem Bestich der Unterkünfte armer Neger.

Ein anderer wichtiger Aspekt ist das I n d u-s t r i e 1 e b e n. Es ist wahr, daß einmal im lo. Jahrhundert die Gefahr bestand, daß die Katholiken ihre eigene Gruppe bilden würden, aber glücklicherweise haben sie dies unterlassen und wurden stark innerhalb der neutralen Gewerkschaften. Im Zusammenhang damit ist es vielleicht nicht unwesentlich, auf die bedeutenden Unterschiede zwischen dem Katholizismus auf dem europäischen Kontinent“ und dem Katholizismus bei den Englisch sprechenden Völkern hinzuweisen. Auf dem Kontinent waren die Katholiken jahrhundertelang an der Macht. Sie waren weit mehr mit feudalen und konservativen politischen Strukturen verbunden. Die liberalen Sozialisten und politischen Bewegungen sowie die Arbeiterbewegung neigten daher dazu, antikatholisch zu sein. So ging die Arbeiterklasse in Europa während des 19. Jahrhunderts für die Kirche verloren. Die Katholiken in den USA dagegen gehören zum größten Teil der Arbeiterklasse an. Ich darf vielleicht noch einmal daran erinnern, daß allein die Hälfte der gesamten Industriebevölkerung der USA katholisch ist. Sogar die Mehrzahl unserer 200 katholischen Bischöfe kommt aus Arbeiterfamilien. Es gibt daher keine Reibung zwischen der Kirche und den Arbeitern. Es gibt keine antiklerikale und keine antikatholische Arbeiterbewegung in Amerika.

Der Präsident der neu zusammengeschlossenen Gewerkschaftsföderation, George M e a n y, ist

Katholik. Viele der Funktionäre sind ebenfalls Katholiken. Innerhalb dieser neutralen Gewerkschaft jedoch besteht ein Bedürfnis, katholische Mitglieder weiterzubilden. Deswegen haben wir einen Verband der katholischen Gewerkschafter, jedoch nicht eine katholische Gewerkschaft. Ziel dieses Verbandes ist es, die päpstlichen Soiialideen bekannt zu machen und die katholischen Arbeiter zu Einfluß ausübenden Mitgliedern innerhalb der neutralen Gewerkschaften zu machen. Der Verband gibt eine Zeitschrift heraus und unterhält Arbeiterschulen. Viele katholische Colleges unterhalten ebenfalls Ar-beiterscbulen, in denen sie den Arbeitern den katholischen Sozialgedanken lehren. Die Abteilung der Sozialaktion von der National Catholic Weifare Conference hat viel dazu beigetragen, während der vergangenen Jahre den katholischen Sozialgedanken in Industriekreisen zu fördern. Der Erfolg ist nicht ausgeblieben. Heute ist der Einfluß des katholischen Sozialgedankens auf die Gewerkschaften in den Vereinigten Staaten größer, als man in Europa meint.

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