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Zeugnis in Zahlen

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Glaube ist nicht meßbar. Aus diesem Grund sind Bekenntnisse gläubiger Christen auch keiner religionssoziologischen Analyse zugänglich. Die Glaubenskraft einer historischen Gesellschaft kann nicht aus Additionen eines Rechenroboters herausgelesen werden, den man vorher mit statistischem Primärmaterial gefüttert hat.

Auf der anderen Seite gibt es jedoch äußere Kennzeichen, von denen aus man in einem langfristigen Vergleich auf Relationen von Kirchenvolk und bekennenden Christen schließen kann. Solche Schlüsse sind freilich nur bedingt gültig, gibt es doch gerade in alten christlichen Räumen eine traditionelle religiöse Praxis, die nicht mit Bekenntnis verwechselt werden darf, ganz abgesehen von einem „vegetativen“ Christentum bestimmter Altersschichten. Dadurch verlieren die dargebotenen Zahlenaggregate an Aussagewert, wenn man sie nicht nach spezifischen Bestimmungsmerkmalen wie Alter, Geschlecht und sozialen Stand aufgliedert.

Zu allem kommt noch, daß jede Bezeugung des Glaubens aus der besonderen Situation des Gläubigen gesehen werden muß, aus der politischen und kulturellen Atmosphäre, in der Glauben entstehen und aufwachsen kann.

Daher? scheint es geboten, alle bekenntnisstatistischen Darstellungen mit einer Reihe von Hinweisen zu versehen, aus denen man auf die Bedingungen schließen kann, unter denen ein Bekenntnis abgelegt wurde. Darüber hinaus sind auch noch die historischen Einflüsse zu beachten, denen Generationen von Gläubigen ausgesetzt waren. Man kann beispielsweise in Kenntnis der Kirchengeschichte unseres Landes nicht gut von einem „katholischen“ Land sprechen und auf die 90 Prozent Katholiken hinweisen, ohne zu bedenken, daß die Kirche in Österreich erst seit 1945 jene Freiheit besitzt, die es ihr mö}Ii<2b>. swoht.naus eigsneW fte9tiYn-i muHgnszuirteben;! nd Setäsor-ge^ br Bedachtiiahrrrc!-'auf einen- Patriarchen „Staat“ zu treiben. Die von Maria Theresia begonnene „Verstaatlichung der Kirche“ ist übrigens in manchen Regionen der Kirche auch heute noch nicht ganz überwunden.

Dr. Erich Bodzenta, nunmehr am Institut für Soziologie der Universität Wien tätig, legt als Ergebnis seiner früheren Tätigkeit am Internationalen Katholischen Institut für Kirchliche Sozialforschung (Icares) eine Untersuchung über den österreichischen Katholizismus in Zahlen vor'. Der Autor untersucht die Kirche als eine Kleingesellschaft: nicht als eine Societas perfecta im theologischen Sinn, sondern als ein organisatorisches Geftecht.

Zur katholischen Kirche bekennen sich in Österreich im Jahre 1959 6,366.000 Katholiken, denen acht Diözesanbischöfe vorstehen. Seelsorglich ist die Kirche in 242 Dekanate und 2980 Pfarren und Seelsorgestellen* aufgegliedert. Den Katholiken stehen 6104 Gottesdienststätten zur Verfügung. Je Pfarre gibt es im Durchschnitt 2136 Katholiken, anderseits umfassen Riesenpfarren bis zu 20.000 Seelen. In der Pfarrseelsorge sind 4220 Priester tätig. Auf einen Seelsorger entfallen 1508 Katholiken, in Wien ungefähr doppelt soviel, in der Schweiz sind es halb soviel, in Frankreich 1090. Lediglich Portugal hat in Europa eine noch geringere Dichte an Seelsorgern. Unser Land hat daher kaum Chancen, den Missionen Priester in einem der Zahl der Katholiken angemessenen Umfang zur Ver-ritegangmzif.'St8tet.len (rmj jähj-fc ,fft$& , waren smuB.i8iX' - •>•> | a/\ . - sinoEr Neben den in der Pfarrseelsorge tätigen Priestern gibt es* noch 2247 Geistliche, die sich nicht unmittelbar an der Pfarrseelsorge beteiligen. Das bedeutet, daß auf zwei Seelsorger in der Pfarre ein Priester entfällt, der in der Sonderseelsorge tätig ist (von den pensionierten Priestern abgesehen).

Vom Klerus sind 30 Prozent mehr als .60 Jahre alt. Nur zwölf Prozent stehen in einem Alter zwischen 25 und 35 Jahren. Der Fehlbestand an Priestern wird mit etwa 1700 angenommen. Der Autor ist der Meinung, daß das Verhältnis „ein Priester 1000 Gläubige“ als ideal anzusehen wäre.

Die katholischen Organisationen bestehen aus zwei Großgruppen: aus Organisationen, die unmittelbar unter kirchlicher Führung stehen, und aus Gruppen, die von Laien geführt werden.

Die Organisationen der Katholischen. Aktion haben etwa 160.000 Mitglieder (Männerbewegung und andere), die Katholische Jugend hat 122.000 und die Katholische Jungschar 80.000 Angehörige.

Die Arbeitsgemeinschaft der katholischen Verbände — unter Hinzurechnung des Hauptverbandes der katholischen Elternvereine und der Turn- und Sportunion — kann auf ungefähr 25 8.000 Angehörige hinweisen.

Daneben gibt es noch organisatorisch offene Gruppen, die keine „Mitglieder im strengen Sinn haben, sondern neben einer Führungselite nur Sympathisanten. Dazu gehören der „Rosenkranzsühnekreuzzug“ und der Katholische Familienverband. Die offenen Gruppen können mit etwa einer Million Menschen rechnen, auf welche sie in verschiedener Weise Einfluß nehmen.

Das kirchliche Leben ist in Art und Intensität nach Milieu verschieden.

Die Gottesdienstzahlen, das ist die Zahl jener Personen, welche (nach Abzug der gerechtfertigt Entschuldigten) im Verhältnis zur Gesamtzahl an Katholiken am Gottesdienst teilnehmen, zeigen von Region zu Religion außerordentliche Unterschiede.

In Wien sind etwa 8 5 Prozent der Getauften zum Gottesdienstbesuch verpflichtet. Die Gottesdienstzahl beträgt 19,5 Prozent, also etwa die Hälfte von Innsbruck. (In Rom, das bis vor wenigen Jahren kaum eine systematische seelsorgliche Führung hatte und alles nur kein Beispiel für andere Diözesen ist, fallen freilich in manchen Außenbezirken die Zahlen der Gottesdienstbesucher auf 15 Prozent.)

Von den Männern Wiens nehmen 16 Prozent und von den Frauen 22 Prozent am Gottesdienst teil. Am geringsten ist der Anteil der Achtzehn- bis Einundzwanzigjährigen; nicht minder gering ist die Gruppe der unmittelbar darunter liegende Jahrgänge vertreten, wobei interessanterweise von den Jungmännern mehr den Gottesdienst besuchen als von den Mädchen.

Ein Drittel aller Österreicher besuchte an den Zählstichtagen den Gottesdienst. Fast die Hälfte erfüllt die österlichen Pflichten, also auch eine Gruppe gelegentlicher Kirchenbesucher. Die Zahl der Messebesucher schwankt zwischen 80 Prozent und 10 Prozent.

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