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Dialog und Präsenz

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Gegenüber einer überwältigenden Mehrheit von Nichtkatholiken, ob sie nun wirkliche Christen, Indifferente oder Gottlose sind, kann sich die Kirche natürlich nicht darauf beschränken, ihre wenigen Gläubigen zuz betreuen, so notwendig das auch ist. Müssen wir von einer Missionskirche sprechen und die nordischen Länder als Missionsländer bezeichnen? Im Norden wäre das sehr ungeschickt und falsch. In Skandinavien kann nur dann von Mission gesprochen werden, wenn man die breiten Schichten der Ungläubigen und Indifferenten im Auge hat. Dabei kommen die Katholiken keineswegs in Konflikt mit den Lutheranern. Wir haben es nicht darauf abgesehen, ihnen Gläubige wegzunehmen.

Dann bleibt noch das Problem unserer Einstellung zu den lutherischen Kirchen selber und zur Gruppe der wirklich Gläubigen. Was ist hier die Aufgabe unserer Kirche? Proselytismus, um zu einer möglichst hohen Zahl von Einzelkonversionen zu gelangen, oder ökumenisches Gespräch mit solchem Respekt vor dem sicherlich guten Glauben der lutherischen Christen, daß man auf Konversionen aus ihren Reihen verzichtet? Diese Frage ist nicht einfach zu beantworten. Es geht ja hier nicht um Diplomatie, sondern um die Wahrheit.

Unsere Aufgabe ist vor allem der absolut loyal* Dialog, die wohlwollende Glaubensauseinander-setzung durch unsere Gegenwärtrig-keit, unsere Präsenz, durch unsere Lehre, durch unseren Gottesdienst und ebensosehr durch unser persönliches Leben und unser Leben als Gemeinschaft. Betreuung der Katholiken, Verkündung gegenüber den Ungläubigen, besonders aus dem Kreise der Intellektuellen, und das aufrichtige ökumenische Zwiegespräch mit den gläubigen Protestanten, das ist unsere dreifache Aufgabe im Norden.

Wie ist nun unsere Kirche vorbereitet, um diese Aufgaben zu erfüllen? In den nordischen Ländern wohnen etwa 20 Millionen Menschen. Die registrierten Katholiken sind etwa 62.000, das heißt 0,3 Prozent. Davon sind etwa 20.000 nicht assimilierte, neuzugewanderte Ausländer. Die Katholiken, welche in Skandinavien geboren sind, machen nur etwa 0,2 Prozent der Gesamtbevölkerung aus. Die Verteilung ist ungleichmäßig: in Dänemark ist es ein halbes Prozent, in Kopenhagen sogar 0,1 Prozent, in Finnland hingegen nur ein halbes Promille.

Jedes Land ist ein Bistum, mit Ausnahme von Norwegen, wo außer dem Bistum Oslo noch zwei Apostolische Vikariate bestehen: in Mittel-und Nordnorwegen. Es sind jedoch keine Bistümer nach unseren Begriffen. Im Verhältnis zu den wenigen Katholiken ist der Klerus wohl recht zahlreich, aber er ist lächerlich gering, wenn wir an unsere missionarische und an die ökumenische Aufgabe denken, wenn wir die Gesamtzahl der Einwohner vor Augen haben oder die Distanzen. Von Kopenhagen nach Hammerfest ist es so weit wie von Kopenhagen nach Athen. Schweden ist das größte und volkreichste Land des Nordens. Wir haben aber bisher in Schweden kaum 60 Priester, die aus 15 verschiedenen Ländern stammen. Die Korrespondenz der Apostolischen Legation läuft in zehn verschiedenen Sprachen ein.

Im ganzen Norden wirken heute 280 Priester: ein Priester auf 220 Katholiken, aber auch ein Priester auf 70.000 Menschen. Von den 280 Priestern sind erst etwa 60 Nordländer. Von den 1550 Ordensschwestern sind 1350 Ausländerinnen.

Die Priester sind auch notgedrungen sehr ungleichmäßig verteilt. 58 sind in Kopenhagen, wo ja auch etwa ein Viertel der skandinavischen Katholiken wohnt. In Island sind es nur sechs oder sieben. In Schweden, Norwegen und Finnland leben sie vielfach allein in einer unvorstellbaren geographischen und seelischen Isolierung. Mancher Pfarrer hat ein Gebiet zu betreuen, das an Ausdehnung größer ist als die meisten unserer mittel- und südeuropäischen Bistümer und in welchem vielleicht 200 bis 300 Katholiken wohnen. Ein Pfarrer hat die ganze nördliche Hälfte von Schweden zu betreuen, wo es 1000 Kilometer von seinem Wohnsitz entfernt Katholiken gibt, ohne Kirchen und Kapellen. Das sieht etwa so aus, wie wenn ein in Neapel wohnender Pfarrer seine fernsten Gläubigen am Fuß des Gotthard aufzusuchen hätte. Diese Pfarrei ist achtmal so groß wie Belgien.

So steht es um die katholische Kirche in Skandinavien! Wie soll sie, so ausgerüstet, ihre dreifache Aufgabe im Norden erfüllen? Diese Aufgabe erfordert nicht nur große finanzielle Mittel, die 'ftüf'“!^! spärlich vorhanden sind, und einen mutigen apostolischen Einsatz. Sie fordert überdies hohe theologische und menschliche Bildung, Kenntnis und Verständnis der skandinavischen Welt, oder vielmehr der skandinavischen Welten, und überaus viel Takt. Die Kirche in so hochzivilisdierten Ländern zu vertreten ist keine einfache Aufgabe.

Es geht nicht ohne gründliches Studium der nordischen Kultur und ohne Kenntnis der lutherischen Theologie in ihren Quellen und in ihren so verschiedenen Stömungen. Jeder Priester und jeder Laie müßte seinen Möglichkeiten und seiner Berufung entsprechend die öffentliche Meinung bilden helfen: auf der Universität, in der Presse, im Radio, im Fernsehen (das alles ist uns nämlich dank einer sehr freiheitlichen Einstellung verhältnismäßig leicht zugänglich). Dazu kommt die Welt der Künstler, der Literatur, der Politik und der Gewerkschaften, welche in Ländern mit so hochentwickelten sozialen Einrichtungen eine sehr bedeutende Rolle spielen. Bei unserer Aktivität geht es uns nicht um Einfluß und Herrschaft, sondern darum, Zeugnis abzulegen und gegenwärtig zu sein. Es geht nicht darum, Leute einzufangen, sondern ihnen unseren Glauben sichtbar werden zu lassen, damit sie überhaupt die Möglichkeiten einer Entscheidung haben. Erst in jüngster Zeit hat sich die Haltung zur katholischen Kirche zu bessern begonnen. Die Massenmedien Presse, Radio und Fernsehen vermitteln teilweise auch bessere Kenntnis der katholischen Kirche und Lehre. Die Skandinavier, welche viel und gerne besonders nach dem Süden reisen, begegnen dort der katholischen Kirche und bekommen von ihr oft einen ganz anderen Eindruck als daheim.

Unsere Pflicht ist: selbst katholisch zu sein im stärksten Sinne des Wortes, universell und offen. Wir müssen selber Zeugen sein der besten Werte des Katholizismus, der übernatürlichen Hilfsmittel und Kraftquellen unserer Kirche. Wir müssen den Status einer Ausländerkirche überwinden, erst dann vermögen wir auch einen Großteil der katholischen Einwanderer zu bewahren.

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