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„Ich habe in meinem Leben nur Angst“

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„Onkel Toms Hütte“ von Harriet Beecher-Stowe konnte nicht einen Bruchteil des unsäglichen Leids und schrecklichen Schicksals der Neger unter der Freiheitsgöttin darstellen. Während des ersten Weltkriegs waren bereits ein Viertel der US- Soldaten im Krieg Neger, obwohl sie nur ein Neuntel der Gesamtbevölkerung ausmachen. Doch die Uniform hatte ihr Schicksal nicht verbessert.

1919 wurden 70 Negerveteranen in Uniform öffentlich durch Feuer gelyncht. Louise Lomax, ein schwarzer, christlicher Schriftsteller, schrieb im Dezember 1963 noch den ergreifenden Satz: „Ich habe in meinem Leben nur Angst.“

Aber nicht nur Angst hat den Negern zum Selbstbewußtsein ver- holfen, sondern auch Haß. Schon vor dem ersten Weltkrieg gründete Timothy Drew Ali in Newark im Staate New Jersey einen Moorish Science Temple. Er nutzte diese religiöse Einrichtung zur Ausbildung und Erziehung der Neger. Merkwürdig waren die Eigenschaften seiner Organisation: Sie nannten sich selbst nicht afrikanische Neger, sondern „Moors“ aus Asien (offensichtlich eine Verwechslung der afrikanischen Mauren mit den Moros auf Mindanao in den Philippinen, die ebenfalls Mohammedaner sind). Sie verehrten Mohammed, Jesus, Sakya- muni und Konfuzius gleichfalls als Propheten Gottes. Da sie sich selbst als „Mauren“ bezeichneten, waren sie natürlich Mohammedaner, die den Koran als einzige Heilige Schrift verehrten. Ali wurde später ermordet. Zu seiner Zeit gab es noch einen schwarzen Führer, Marcus Garvey, geboren in Jamaika. Er gründete

1920 eine Negerzeitung in Englisch, Französisch und Spanisch. Sein Einfluß war gewaltig. Am 13. August 1920 rief er während einer Massenversammlung, an der 25.000 Neger vertreter aus 23 Ländern (die insgesamt 400 Millionen Menschen repräsentierten) teilnahmen, die Gründung eines „Afrikanischen Demokratischen Staates“ aus. Eine Nationalflagge Rot-Schwarz-Grün (Blut, Rasse und Hoffnung) wurde angenommen, und Monrovia, die Hauptstadt Liberias, wurde zur Hauptstadt dieser Pax nigritanus bestimmt. Doch Garvey wurde von den Kolonialmächten so bekämpft, daß er selbst in Monrovia gar nicht landen konnte. Er starb im Exil in London.

Nach ihm wurde W. D. Fard alias Farrad Muhamad Ali Führer der schwarzen nationalistischen Moslembewegung. Unter mysteriösen Umständen wurde er „vermißt“. Elija Muhamad Poole übernahm die Führung. Abdul Muhamad, der Führer der Gemäßigten und gleichfalls Schüler Fards, verlor später den Einfluß. Doch Elija selbst änderte seinen Kurs und wurde gemäßigt. Zu diesen gemäßigten Mohammedanern kam Martin Luther King als einer der gemäßigten christlichen Negerführer. Im allgemeinen aber sind die Negerchristen wenig militant und die schwarzen Mohammedaner kampfbereiter.

Im Lager der Radikalen war bekanntlich Malcom X. der Führer. Nach seiner Ermordung ging die Macht in die Hände mehrerer Black- Power-Führer, wie Adam Clayton Powell, Charles Kenyatta und Sto- keley Carmichael, über.

Die Radikalen haben heute — nach Kings Tod — die Macht und das Wort. Der einflußreichste ist vor allem Robert Williams, der sich zur Zeit in Peking aufhält. Er hofft, durch die Unterstützung Pekings, einen Guerillakrieg in den USA entfesseln zu können. Im April hat Mao Tse-tung öffentlich . erklärt, die Neger in den USA können sich nur durch einen bewaffneten Kampf vom weißen Joch befreien.

Am 21. Februar verkündete Henry, der Führer der radikalen Malcom- X-Association in Detroit, die Einberufung einer Nationalkonferenz der Neger. Die Konferenz hat am 9. März stattgefunden. Es wurde beschlossen, einen separaten Negerstaat zu gründen. Die Washingtoner Regierung soll fünf Staaten, South Carolina, Georgia, Alabama, Mississippi und Louisiana, an den neuen Staat abtreten. Außerdem verlangte die Konferenz auch eine Reparation für die Sklaverei und die Unterdrückung in der Vergangenheit.

Hoffnung auf den Süden

Henry sagte: „Der Revolutionskrieg der Neger hat praktisch schon begonnen. Doch er wird im Norden kaum zu gewinnen sein. Im langwierigen Kampf sind die Städte im Norden militärisch unzuverlässig, da sie sich nicht der südlichen Negerregierung unterwerfen werden. Aber im Süden ist es ganz anders, weil im tiefen Süden eine fast reine schwarze Bevölkerung vorherrscht. Die Neger im Süden konzentrieren sich auch nicht auf die isolierten ,Negerinseln’ wie im Norden. Weil die Dörfer und das Land im Süden zu uns stehen, deshalb ist unsere Zukunft dort glänzend und voller Hoffnung.“

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