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Südafrika und seine Hochschulen

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„Ich habe den Zweiten Weltkrieg in einem okkupierten Land 'erlebt und weiß, was menschliche Freiheit und Würde bedeuten. Heute können wir täglich erfahren, was alles im Namen dieser Freiheit geschieht“, schreibt der Ordinarius für Erziehungswissenschaften an der Universität für Bildungswissenschaften in Klagenfurt, der in einer Studienreise die südafrikanischen Bildungsinstitutionen besichtigen konnte. „Die Frage, wieweit Schutzmaßnahmen gehen dürfen, ist das große Problem einer Welt geworden, die im Zweiten Weltkrieg mit soviel Einsatz für diese Prinzipien gekämpft hat - auch Südafrika zählte zu diesen Nationen.“

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„Ich habe den Zweiten Weltkrieg in einem okkupierten Land 'erlebt und weiß, was menschliche Freiheit und Würde bedeuten. Heute können wir täglich erfahren, was alles im Namen dieser Freiheit geschieht“, schreibt der Ordinarius für Erziehungswissenschaften an der Universität für Bildungswissenschaften in Klagenfurt, der in einer Studienreise die südafrikanischen Bildungsinstitutionen besichtigen konnte. „Die Frage, wieweit Schutzmaßnahmen gehen dürfen, ist das große Problem einer Welt geworden, die im Zweiten Weltkrieg mit soviel Einsatz für diese Prinzipien gekämpft hat - auch Südafrika zählte zu diesen Nationen.“

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Das Ergebnis des Hochschulmaß-nahmenpakets der Regierung von 1959 war die Aufsplitterung des südafrikanischen Hochschulwesens in „State controlled ethnic universities“. Neben den Universitäten für die weißen Studenten gab es fortan die Universität von Western Cape für die Farbigen, die Universität von Dur-ban-Westville für die Inder, die Universität von Fort Hare für die Xhosas, die Universität von Zululand für die Zulus und die Universität des Nordens für die Sotho, Tsonga und Ven-da. Ferner blieb die Möglichkeit eines Medizinstudiums an der bereits seit 1951 existierenden medizinischen Fakultät der Universität von Natal, ergänzt mit der seit 1975 arbeitenden Medical University of South Africa (Medusa in Ga Rankuwa), die in Zukunft durch ihre Nähe zu Mafeking auch als eine Hochschuleinrichtung für Bophuthatswana - selbständig seit 1977 - gelten könnte.

Die Universität von Transkei in Umtata untersteht seit der Selbständigkeit dieses Staates 1976 dem dortigen Büdungsministerium. Diese Universität, die im Augenblick etwa 500 Studenten zählt, und deren neuen Gebäudekomplex, nach den modernsten Kriterien gebaut, künftig etwa 8000 Studenten Studienmöglichkeiten bieten wird, kann - im Rahmen der Grundlagen ihrer Konstitution - ihre Hochschulpolitik selbständig bestimmen.

Die Hochschulpolitik der vom Staat kontrollierten ethnischen Universitäten wurde in Südafrika namentlich von den zwei offenen Universitäten Kapstadt und Witwaters-rand schärfstens verurteilt. Im Rahmen der nun geltenden Maßnahmen dürften keine weißen Studenten mehr zu den Universitäten der

Schwarzen, Farbigen und Inder zugelassen werden, und umgekehrt. Diese Maßnahmen gelten aber nicht für die postgradualen Studien.

Darüber hinaus gab es noch weitere segregierende und kontrollierende Maßnahmen, die heute zum Teil aufgehoben oder modifiziert worden sind.

Die unterschiedliche Beurteilung der akademischen Lage durch diese -englisch orientierten - offenen Universitäten von Kapstadt und Witwa-tersrand und durch die Afri-kaans-orientierten Universitäten von Stellenbosch, Bloemfontein und Pretoria, hat nichts mit einer besseren oder schlechteren akademischen Qualifikation zu tun. Es hat aber wohl zu tun mit unterschiedlichen Konzeptionen der akademischen Autonomie und Freiheit.

1974 erschien der Bericht der Van Wijk-de Vries-Kommission zur Lage der weißen Universitäten in Südafrika. Sie unterscheidet zwischen universitärer Autonomie und akademischer Freiheit. Erstere bezieht sich auf Management und Verwaltung einer Universität, letztere auf die Arbeitsbedingungen im Hinblick auf Lehre, Forschung, Meinungsäußerung und Publikationen. Für die eng-lisch-orientierten Universitäten ■bleibt die Universität unter allen Umständen eine Stätte, wo ungeachtet Rasse oder Farbe Menschen im Erwerb und Entwicklung von Wissen zusammenarbeiten.

Ihr Bezugsrahmen ist die akademische Gemeinschaft, wogegen sich die Afrikaans-Universitäten als Volksuniversitäten empfinden, deren Bezugsrahmen das Volk ist. Zwei Welten, deren Wurzeln zurückgehen bis in jene Jahre, wo Engländer und Buren am Kap feststellten, daß ein Zusammenleben nicht möglich war. Die hochschulpolitischen Maßnahmen mußten daher von den englischen Universitäten als eine ungeheure Freiheitsbeschränkung erlebt werden. .

Für die Afrikaner machten diese Gesetze erstmalig eine optimale geistige Entfaltung der verschiedenen südafrikanischen Volksgruppen einschließlich der Weißen möglich. Es würde zu weit führen, das dahinter liegende christlich-nationale Gedankengut zu analysieren: ein Komplex von calvinistischem Denken, geprägt durch die geschichtliche Entwicklung der weißen afrikanischen Volksgruppen. Konzeptuell und psy> chologisch tendiert eine Lebenshaltung, wurzelnd in diesem Gedankengut, zur Isolation. Wenn dies nun zu einer Abkapselung führt, wobei immer wieder gesprochen wird über den Kreis, den die Ochsenwagen der Treckburen in Momenten der Gefahr bildeten, dann sind alle Voraussetzungen für die Entgleisungen gegeben, die diesem Land soviel Feinde verschafft hat. Diese Lebenshaltung und ihre Konkretisierung in den Universitäten kann aber auch zu einer reichen Quelle des Dienstes an der Gemeinschaft werden. Auch solche Beispiele gibt es in der südafrikanischen Gesellschaft. Konkret hatte ich diese Bereitschaft des Dienstes am Nächsten in den Afrikaans-Universitäten erlebt.

Ist eine solche Hochschulpolitik realistisch? Die südafrikanische Regierung hat mit ihrer Politik der plu-ralen Entwicklung ungeheure Belastungen im Bildungssektor auf sich genommen. Für die Tatsache, daß Bildung in Südafrika sehr groß geschrieben wird, muß sehr viel bezahlt werden.

Von den 17,7 Millionen Schwarzen in Südafrika erhielten 1975 21 Prozent Schulunterricht, davon 1,97 Prozent im sekundären und tertiären Bereich. Dies ist der höchste Prozentsatz für ganz Schwarzafrika, nur Liberia nähert sich diesem Prozentsatz mit 20,8 Prozent.

1940 waren es noch 6,16 Prozent, 1950 8,04 Prozent und 1960 12,47 Prozent. Erreichten 1954 4 von 100 Kindern den sekundären Unterricht, waren es 1977 39. 1978 wurden 2,2 Millionen Kinder in den Grundschulen eingeschult, 1970 waren es noch 1,6 Millionen. Die Studentenzahl hat sich in acht Jahren verdreifacht, von knapp 1600 auf mehr als 4500 und dies ist erst der Beginn.

Hinter diesen Zahlen stecken gewaltige Probleme: Raummangel, Lehrermangel. So errechnete Bozzoli 1977, daß für die Schaffung von gleichen Bildungschancen für die Weißen, Inder, Farbigen und Schwarzen innerhalb von sieben Jahren 1200 neue Sekundärschulen erbaut und 40.000 Lehrer ausgebildet werden müßten, mit einem Kostenaufwand von 250 Millionen Rand (3,2 Milliarden Schilling).

Allen Schwierigkeiten zum Trotz wird mit größter Intensität an diesen Aufgaben gearbeitet. Vielleicht zu spät, denn immerhin waren die So-wethodemonstrationen auch eine Äußerung des Mißfallens über die Lage der Schüler.

Die vielen Bildungsexperten sind sich des Ernstes dieser Lage sehr wohl bewußt. Die Probleme im Bildungssektor können jedoch nicht nur mit Engagement gelöst werden, sie verlangen auch eine Umverteilung der Ressourcen, der Mittel, die dem Department of Bantu Education zur Verfügung stehen und der Mittel, die dem Department of National Education zur Verfügung stehen.

Südafrika hat zur Zeit 17 Universitäten. In den USA entfallen auf eine Universität - ausgehend von 500 Universitäten - 500.000 Einwohner, in Großbritannien - ausgehend von 50 Universitäten - etwa 1,2 Mülionen. In Südafrika entfallen 1,4 Millionen Einwohner auf eine Universität, was bedeutet, daß mit der derzeitigen

Zahl der Universitäten der Hochschulstudiumsbedarf abgedeckt werden könnte, unter der Bedingung, daß integriert wird.

Unter der Voraussetzung, daß weiße und nicht-weiße Bevölkerung über die gleiche Zahl an Studienplätzen verfügt, wurde ein Bedarf von 330.000 neuen Studienplätzen errechnet. Südafrika verfügte aber 1974 über 80.000 Studienplätze an den Universitäten, was bedeutet, daß die weiße Bevölkerungsgruppe, die an der Altersgruppe der 20- bis 25jähri-gen mit 17,3 Prozent beteiligt ist, 88,4 Prozent der Studienplätze an den Vorlesungsuniversitäten beansprucht. Also müßte entweder umverteilt werden oder es wäre eine Verfünffachung der Zahl der Universitä-• ten nötig.

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