Reformschub für Unis

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Effizienz heißt, mit den eingesetzten Mitteln ein Maximum an guter Wissenschaft und akademischer Lehre herauszuholen. Das vorgesehene Universitätsgesetz 2002 ist dafür durchaus geeignet.

Das neue Universitätsorganisationsgesetz steht nun vor der parlamentarischen Beschlussfassung. Obwohl nicht bestritten werden kann, dass durch die erhöhte Autonomie die Universitäten vor große Herausforderungen gestellt werden und nicht alles zur Zufriedenheit von allen geregelt ist, bieten sich viele Chancen für die Weiterentwicklung.

Kritik und Befürchtungen gibt es viele. So zum Beispiel den (schon anlässlich der Einführung des UOG93 geäußerten) Vorwurf, die "Mitbestimmung" würde zurückgedrängt oder überhaupt abgeschafft. Ich meine, dass hier Missverständnisse im Spiel sind, die Mitbestimmung und akademische Selbstverwaltung verwechseln.

Umfragen unter Universitätsangehörigen nach der Wichtigkeit, die sie ihrer Zugehörigkeit zur Institution Universität, zu ihrem Department oder ihrer Fakultät und schließlich ihrer wissenschaftlichen Disziplin beimessen, ergeben, dass die Disziplin zuerst genannt wird, dann die Fakultät oder das Department und zuletzt die Universität. Dagegen ist nichts einzuwenden, interessanterweise kehrt sich jedoch die Reihenfolge häufig um, sobald eine Universitätsreform diskutiert wird.

Plötzlich gewinnt die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Kurie im Selbstverständnis an Bedeutung. Strukturen der akademischen Selbstverwaltung sollen jedoch an den Aufgaben orientiert sein und nicht an ihrer Zusammensetzung oder Kuriengliederung und dies ist nicht durch "Vertretungsorgane" zu schaffen. Natürlich ist auch Interessensausgleich zu leisten - und dieser ist doch wahrlich nicht verboten. Wer Autonomie einfordert, muss auch bereit sein, sie selbstbewusst in die Hand zu nehmen. Die Forderung, wieder alles gesetzlich zu regeln, scheint mir kontraproduktiv. Eine hohe Regelungsdichte ist in jedem Fall ein Klotz am Bein.

Ein gutes Organisationssystem ist wie ein gutes Betriebssystem, das möglichst reibungslos im Hintergrund läuft. Keine Universität, die überleben will, kann es sich leisten, sich hingebungsvoll mit ihrer Selbstverwaltung zu beschäftigen und sich dadurch außerhalb internationaler Konkurrenz zu stellen, schon gar nicht im Zuge der Ausbildung des europäischen Forschungsraumes und der gesteigerten Mobilität.

Jede Reform ruft auch Bedenken hervor, es könne zu einer Beeinträchtigung der wesentlichen Aufgaben der Universitäten kommen. Es ist bemerkenswert, dass diese Aufgaben fortgesetzt und erneut diskutiert werden, obwohl sie sich in der vielhundertjährigen Geschichte der europäischen Universitäten schon so weit herauskristallisiert haben sollten, dass sie außer Streit stehen.

Gute "Unternehmenskultur"

Die Aufgaben bestehen darin, das Wissen der Zeit verfügbar zu halten, durch Forschung weiterzuentwickeln und in forschungsgeleiteter Lehre anzubieten. Dies setzt international konkurrenzfähige Forschung voraus, für die eine entsprechende Infrastruktur vorhanden sein muss. Die Qualität der inneren Organisation einer Universität ist daran zu messen. Sie muss es ferner gestatten, eine gute "Unternehmenskultur" mit geringer Regelungsdichte aufzubauen. Durch gesetzliche Vorschriften ist dies nicht zu erreichen, das muss "hausgemacht" sein.

Universitäten agieren entgegen einem häufig kolportierten Vorurteil ja nicht in einem kontroll-losen Schonraum, sondern im internationalen Wettbewerb. Dieser besteht in erster Linie in der Forschung und der daraus abgeleiteten Lehre, also vor allem in der Einbindung der Studierenden ("learning by doing") in Forschungsprojekte. Nur so können die besten Köpfe gewonnen werden, von denen immer die Rede ist, unter den Studierenden wie bei den akademischen Lehrern. Nur dadurch kann jede Universität ihre Alleinstellungsmerkmale in der nationalen und internationalen Konkurrenz mit Forschungseinrichtungen und anderen Einrichtungen des tertiären Bildungssektors entwickeln.

Forschung ist teuer, sie bedarf der Freiräume und der Unterstützung durch die Universitätsorganisation und die Leitung der Universität. Das Geschick, sie zu fördern, besteht darin, großzügig bei der Ressourcenallokation, jedoch präzise in der Evaluierung zu sein. Viele Entscheidungen der Universitätsleitung sind in stark zunehmendem Maße wirtschaftliche Entscheidungen. Es ist die Aufgabe der Universitäten selbst, die Bildung kritischer Massen zu fördern und diese effizient zu verwalten.

Effizienz heißt in diesem Zusammenhang nicht, gewinnorientiert zu arbeiten, sondern mit den eingesetzten Mitteln ein Maximum an guter Wissenschaft und akademischer Lehre herauszuholen. Die jetzt vorgesehene Leitungs- und Selbstverwaltungsstruktur des Gesetzes ist vom Grundsatz her dafür durchaus geeignet.

Eine gravierende Befürchtung lautet "es drohe das Aus für freie Forschung und Lehre", da betriebsähnliche und "diktatorische" Leitungsstrukturen dazu führen könnten, dass nur noch "nützliche" Forschung, mit der auch Drittmittel einzuwerben sind, zugelassen würde. Die Universitäten drohten damit von einem "Hort des absichtslosen Erkenntnisgewinns" zu einem am Gewinn orientierten Innovationssystem zu werden.

"Sündenfall" Drittmittel

Dieser Sündenfall (wenn es einer ist) ist allerdings schon längst geschehen, nämlich spätestens dann, als die Universitäten das Trojanische Pferd der Drittmittelforschung in ihre heiligen Hallen ließen und sich nicht mehr ausschließlich mit (langfristiger) Grundlagenforschung beschäftigten. Ein "Aus" für freie Forschung und Lehre ist daraus nicht geworden, sondern in den meisten Fällen höchst interessante wissenschaftliche Projekte. Und die Lehre hat darunter nicht gelitten, sondern im Gegenteil wichtige Impulse bekommen.

Man mache einen einfachen Selbsttest und denke an fünf oder zehn Universitäten, die man für höchst renommiert hält und an denen zu studieren oder sein Studium abzuschließen sich wirklich lohnt und denke darüber nach, warum diese Universitäten so angesehen sind. Vermutlich nicht so sehr, weil dort die Strukturen der Selbstverwaltung so interessant geregelt sind, sondern eher deshalb, weil man dort interessante Wissenschafter in der Mensa treffen kann und höchst interessante Diplomarbeiten und Dissertationsthemen angeboten werden.

Die Universitäten sollen mit Selbstbewusstsein die Einrichtung von Strukturen betreiben, die freie Forschung und Lehre nicht bloß dulden, sondern aktiv befördern. Sonst werden sie auch mit Hilfe detaillierter gesetzlicher Vorschriften keine gute Wissenschaft zustande bringen. Darauf aber kommt es an.

Der Autor ist Rektor der TU Wien und Professor für Angewandte Physik.

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